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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Von dem Embryo.
der reichlicher abgesetzten, festeren Masse des Hirnes und Rük-
kenmarkes sind. Man muss daher den Anfang der Höhlenbildung
als mit dem Acte der Scheidung in festere und flüssigere Masse
zusammenfallend sich denken. Und so folgte die erste Spur der
Höhlenbildung unmittelbar nach der Scheidung zwischen Hirn und
Rückenmark. Diese ist der Uract der morphologischen, jene
der der histiologischen Sonderung. Was nun die Form der Höh-
lungen betrifft, so stellen sie zuerst eine die feste Bildungsmasse
trennende, durch die ganze Länge des Centraltheils verlaufende
Spalte dar, welche von unten nach oben und zum Theil in der
Direktion von vorn nach hinten sich schliesst und so sich in einen
Kanal umwandelt. Die Schliessung geschieht zuerst am ganzen
Rückenmarke mit Ausnahme des untersten Theiles, des sinus rhom-
boidalis
, dann an dem verlängerten Marke, den Vierhügeln, dem
kleinen und grossen Gehirne. Der Kanal hat aber an jeder seiner
Wandungen keine ebenen Begrenzungen, sondern diese werden
immer sowohl durch die Form des Organtheiles überhaupt, als
auch das Verhältniss der inneren Massenanlage insbesondere be-
stimmt. So entstehen in dem Rhomboidalsinus und den Hirnzel-
len blasenartige Erweiterungen, welche, sobald halbkugliche Aus-
dehnungen sich bilden, auch in diese sich erstrecken und, wo
die Hemisphären durch eine Mittelspalte getrennt sind, ebenfalls
in zwei symmetrische Hälften geschieden erscheinen. Es ist also
ihre Grösse und Form ganz und gar von der Ausbildung und Ge-
staltung soliderer Nervenmasse abhängig und wie die Krümmung
des Embryo unmittelbar diese bestimmt, wird ihr Einfluss auch
mittelbar auf jene ausgedehnt. So wird der Nackenhöcker die
Grenze zwischen dem Kanale des Rückenmarkes und den Kanä-
len des Gehirnes. Die verschiedenen Stellen des Kanales erlei-
den aber auch im Laufe der Entwickelung verschiedene Metamor-
phosen, so dass ein Theil von ihnen als vergängliche Fötalbildung
später schwindet, ein Theil dagegen als constante Bildung auch
im Erwachsenen fortbesteht. Am Rückenmarke bleibt der Kanal
wahrscheinlich während des ganzen Fötuslebens offen, wiewohl
er vom Anfange des vierten Monates an schon sehr eng ist,
schliesst sich dagegen nach der Geburt, so dass der entgegenge-
setzte Zustand bei Erwachsenen durchaus zu den Bildungshem-
mungen zu rechnen ist. Die Schliessung geschieht aber so, dass
sich 1. die Masse, wie im Gehirn, allgemein von aussen nach in

Von dem Embryo.
der reichlicher abgesetzten, festeren Masse des Hirnes und Rük-
kenmarkes sind. Man muſs daher den Anfang der Höhlenbildung
als mit dem Acte der Scheidung in festere und flüssigere Masse
zusammenfallend sich denken. Und so folgte die erste Spur der
Höhlenbildung unmittelbar nach der Scheidung zwischen Hirn und
Rückenmark. Diese ist der Uract der morphologischen, jene
der der histiologischen Sonderung. Was nun die Form der Höh-
lungen betrifft, so stellen sie zuerst eine die feste Bildungsmasse
trennende, durch die ganze Länge des Centraltheils verlaufende
Spalte dar, welche von unten nach oben und zum Theil in der
Direktion von vorn nach hinten sich schlieſst und so sich in einen
Kanal umwandelt. Die Schlieſsung geschieht zuerst am ganzen
Rückenmarke mit Ausnahme des untersten Theiles, des sinus rhom-
boidalis
, dann an dem verlängerten Marke, den Vierhügeln, dem
kleinen und groſsen Gehirne. Der Kanal hat aber an jeder seiner
Wandungen keine ebenen Begrenzungen, sondern diese werden
immer sowohl durch die Form des Organtheiles überhaupt, als
auch das Verhältniſs der inneren Massenanlage insbesondere be-
stimmt. So entstehen in dem Rhomboidalsinus und den Hirnzel-
len blasenartige Erweiterungen, welche, sobald halbkugliche Aus-
dehnungen sich bilden, auch in diese sich erstrecken und, wo
die Hemisphären durch eine Mittelspalte getrennt sind, ebenfalls
in zwei symmetrische Hälften geschieden erscheinen. Es ist also
ihre Gröſse und Form ganz und gar von der Ausbildung und Ge-
staltung soliderer Nervenmasse abhängig und wie die Krümmung
des Embryo unmittelbar diese bestimmt, wird ihr Einfluſs auch
mittelbar auf jene ausgedehnt. So wird der Nackenhöcker die
Grenze zwischen dem Kanale des Rückenmarkes und den Kanä-
len des Gehirnes. Die verschiedenen Stellen des Kanales erlei-
den aber auch im Laufe der Entwickelung verschiedene Metamor-
phosen, so daſs ein Theil von ihnen als vergängliche Fötalbildung
später schwindet, ein Theil dagegen als constante Bildung auch
im Erwachsenen fortbesteht. Am Rückenmarke bleibt der Kanal
wahrscheinlich während des ganzen Fötuslebens offen, wiewohl
er vom Anfange des vierten Monates an schon sehr eng ist,
schlieſst sich dagegen nach der Geburt, so daſs der entgegenge-
setzte Zustand bei Erwachsenen durchaus zu den Bildungshem-
mungen zu rechnen ist. Die Schlieſsung geschieht aber so, daſs
sich 1. die Masse, wie im Gehirn, allgemein von auſsen nach in

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[180/0208] Von dem Embryo. der reichlicher abgesetzten, festeren Masse des Hirnes und Rük- kenmarkes sind. Man muſs daher den Anfang der Höhlenbildung als mit dem Acte der Scheidung in festere und flüssigere Masse zusammenfallend sich denken. Und so folgte die erste Spur der Höhlenbildung unmittelbar nach der Scheidung zwischen Hirn und Rückenmark. Diese ist der Uract der morphologischen, jene der der histiologischen Sonderung. Was nun die Form der Höh- lungen betrifft, so stellen sie zuerst eine die feste Bildungsmasse trennende, durch die ganze Länge des Centraltheils verlaufende Spalte dar, welche von unten nach oben und zum Theil in der Direktion von vorn nach hinten sich schlieſst und so sich in einen Kanal umwandelt. Die Schlieſsung geschieht zuerst am ganzen Rückenmarke mit Ausnahme des untersten Theiles, des sinus rhom- boidalis, dann an dem verlängerten Marke, den Vierhügeln, dem kleinen und groſsen Gehirne. Der Kanal hat aber an jeder seiner Wandungen keine ebenen Begrenzungen, sondern diese werden immer sowohl durch die Form des Organtheiles überhaupt, als auch das Verhältniſs der inneren Massenanlage insbesondere be- stimmt. So entstehen in dem Rhomboidalsinus und den Hirnzel- len blasenartige Erweiterungen, welche, sobald halbkugliche Aus- dehnungen sich bilden, auch in diese sich erstrecken und, wo die Hemisphären durch eine Mittelspalte getrennt sind, ebenfalls in zwei symmetrische Hälften geschieden erscheinen. Es ist also ihre Gröſse und Form ganz und gar von der Ausbildung und Ge- staltung soliderer Nervenmasse abhängig und wie die Krümmung des Embryo unmittelbar diese bestimmt, wird ihr Einfluſs auch mittelbar auf jene ausgedehnt. So wird der Nackenhöcker die Grenze zwischen dem Kanale des Rückenmarkes und den Kanä- len des Gehirnes. Die verschiedenen Stellen des Kanales erlei- den aber auch im Laufe der Entwickelung verschiedene Metamor- phosen, so daſs ein Theil von ihnen als vergängliche Fötalbildung später schwindet, ein Theil dagegen als constante Bildung auch im Erwachsenen fortbesteht. Am Rückenmarke bleibt der Kanal wahrscheinlich während des ganzen Fötuslebens offen, wiewohl er vom Anfange des vierten Monates an schon sehr eng ist, schlieſst sich dagegen nach der Geburt, so daſs der entgegenge- setzte Zustand bei Erwachsenen durchaus zu den Bildungshem- mungen zu rechnen ist. Die Schlieſsung geschieht aber so, daſs sich 1. die Masse, wie im Gehirn, allgemein von auſsen nach in

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/208>, abgerufen am 24.11.2024.