Rückenmark den ganzen Wirbelkanal, ohne in eine Cauda equina auszugehen. Vom vierten Monate an werden die Lum- bar- und Sacralnerven stärker, als die übrigen Rückenmarksner- ven und in gleichem Verhältnisse mit ihnen bildet sich auch, wie Tiedemann (l. c. S. 91.) schon bemerkt, der Pferdeschweif hervor. Dadurch, dass das Rückenmark selbst in seiner Längen- ausbildung stehen bleibt, rückt es später scheinbar nach dem Kopfe zurück und reicht so im siebenten Monate bis in den un- tersten, im neunten Monate bis in den obersten Lendenwirbel (Burdach Physiol. II. S. 422.). Endlich hat Tiedemann (l. c. S. 91.) die von Frotscher (Descriptio medullae spinalis ejusque nervorum. 1788. Fol. p. 7.) u. A. beschriebenen Knötchen, welche Andere wieder läugnen, im Fötus nie auffinden können. -- Auch hier übt die Krümmung wieder ihren gewohnten Einfluss aus. Durch sie entsteht, wie schon angegeben worden, der Nak- kenhöcker, welcher die obere Grenze des Rückenmarkes bezeichnet; nach unten dagegen die Sacralbiegung, an welcher Stelle der frei- lich früher schon entstehende sinus rhomboidalis zu liegen kommt. Beide stehen mit dem Nabel als Centrum der Krümmung in wesentli- cher Beziehung. Die seitliche Umlegungsbiegung hat hier, wie auf das ganze seröse Blatt überhaupt, wenig Einfluss, wirkt aber um so tiefer, wie später noch dargestellt werden soll, auf die Metamor- phosen des Schleimblattes ein.
Wir haben bisher absichtlich Nichts von den Höhlen des Gehirnes und Rückenmarkes erwähnt, um sie sämmtlich in ihrer Continuität darstellen zu können. Die anfangs vollkommen helle Flüssigkeit, welche das Rudiment des centralen Nervensystemes ausmacht, setzte nach aussen dichtere Masse ab, während die in- nere scheinbare Höhlung mit Flüssigkeit gefüllt bleibt. So ent- stehen jene Höhlen, Kanäle und Spalten, welche wir bei allen Beobachtern verzeichnet finden. Allein obere Spalten, oberes Offenseyn derselben muss man, wenn man consequent seyn will, durchaus verwerfen, weil die den Centraltheilen des Nervensy- stemes eben so gut angehörende Flüssigkeit zwischen den sich noch nicht berührenden Rändern der von unten heraufkommen- den Bildungsmasse liegt und jede Trennung vollkommen ausfüllt. Dasselbe lässt sich für die frühere Zeit von sämmtlichen Kanälen und Ventrikeln des Rückenmarkes und Gehirnes im Fötus sagen, welche nur mit Flüssigkeit gefüllte Räume oder Lücken zwischen
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Höhlen des Hirnes und Rückenmarkes.
Rückenmark den ganzen Wirbelkanal, ohne in eine Cauda equina auszugehen. Vom vierten Monate an werden die Lum- bar- und Sacralnerven stärker, als die übrigen Rückenmarksner- ven und in gleichem Verhältnisse mit ihnen bildet sich auch, wie Tiedemann (l. c. S. 91.) schon bemerkt, der Pferdeschweif hervor. Dadurch, daſs das Rückenmark selbst in seiner Längen- ausbildung stehen bleibt, rückt es später scheinbar nach dem Kopfe zurück und reicht so im siebenten Monate bis in den un- tersten, im neunten Monate bis in den obersten Lendenwirbel (Burdach Physiol. II. S. 422.). Endlich hat Tiedemann (l. c. S. 91.) die von Frotscher (Descriptio medullae spinalis ejusque nervorum. 1788. Fol. p. 7.) u. A. beschriebenen Knötchen, welche Andere wieder läugnen, im Fötus nie auffinden können. — Auch hier übt die Krümmung wieder ihren gewohnten Einfluſs aus. Durch sie entsteht, wie schon angegeben worden, der Nak- kenhöcker, welcher die obere Grenze des Rückenmarkes bezeichnet; nach unten dagegen die Sacralbiegung, an welcher Stelle der frei- lich früher schon entstehende sinus rhomboidalis zu liegen kommt. Beide stehen mit dem Nabel als Centrum der Krümmung in wesentli- cher Beziehung. Die seitliche Umlegungsbiegung hat hier, wie auf das ganze seröse Blatt überhaupt, wenig Einfluſs, wirkt aber um so tiefer, wie später noch dargestellt werden soll, auf die Metamor- phosen des Schleimblattes ein.
Wir haben bisher absichtlich Nichts von den Höhlen des Gehirnes und Rückenmarkes erwähnt, um sie sämmtlich in ihrer Continuität darstellen zu können. Die anfangs vollkommen helle Flüssigkeit, welche das Rudiment des centralen Nervensystemes ausmacht, setzte nach auſsen dichtere Masse ab, während die in- nere scheinbare Höhlung mit Flüssigkeit gefüllt bleibt. So ent- stehen jene Höhlen, Kanäle und Spalten, welche wir bei allen Beobachtern verzeichnet finden. Allein obere Spalten, oberes Offenseyn derselben muſs man, wenn man consequent seyn will, durchaus verwerfen, weil die den Centraltheilen des Nervensy- stemes eben so gut angehörende Flüssigkeit zwischen den sich noch nicht berührenden Rändern der von unten heraufkommen- den Bildungsmasse liegt und jede Trennung vollkommen ausfüllt. Dasselbe läſst sich für die frühere Zeit von sämmtlichen Kanälen und Ventrikeln des Rückenmarkes und Gehirnes im Fötus sagen, welche nur mit Flüssigkeit gefüllte Räume oder Lücken zwischen
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Höhlen des Hirnes und Rückenmarkes.
Rückenmark den ganzen Wirbelkanal, ohne in eine Cauda
equina auszugehen. Vom vierten Monate an werden die Lum-
bar- und Sacralnerven stärker, als die übrigen Rückenmarksner-
ven und in gleichem Verhältnisse mit ihnen bildet sich auch,
wie Tiedemann (l. c. S. 91.) schon bemerkt, der Pferdeschweif
hervor. Dadurch, daſs das Rückenmark selbst in seiner Längen-
ausbildung stehen bleibt, rückt es später scheinbar nach dem
Kopfe zurück und reicht so im siebenten Monate bis in den un-
tersten, im neunten Monate bis in den obersten Lendenwirbel
(Burdach Physiol. II. S. 422.). Endlich hat Tiedemann (l. c. S.
91.) die von Frotscher (Descriptio medullae spinalis ejusque
nervorum. 1788. Fol. p. 7.) u. A. beschriebenen Knötchen,
welche Andere wieder läugnen, im Fötus nie auffinden können. —
Auch hier übt die Krümmung wieder ihren gewohnten Einfluſs
aus. Durch sie entsteht, wie schon angegeben worden, der Nak-
kenhöcker, welcher die obere Grenze des Rückenmarkes bezeichnet;
nach unten dagegen die Sacralbiegung, an welcher Stelle der frei-
lich früher schon entstehende sinus rhomboidalis zu liegen kommt.
Beide stehen mit dem Nabel als Centrum der Krümmung in wesentli-
cher Beziehung. Die seitliche Umlegungsbiegung hat hier, wie auf
das ganze seröse Blatt überhaupt, wenig Einfluſs, wirkt aber um so
tiefer, wie später noch dargestellt werden soll, auf die Metamor-
phosen des Schleimblattes ein.
Wir haben bisher absichtlich Nichts von den Höhlen des
Gehirnes und Rückenmarkes erwähnt, um sie sämmtlich in ihrer
Continuität darstellen zu können. Die anfangs vollkommen helle
Flüssigkeit, welche das Rudiment des centralen Nervensystemes
ausmacht, setzte nach auſsen dichtere Masse ab, während die in-
nere scheinbare Höhlung mit Flüssigkeit gefüllt bleibt. So ent-
stehen jene Höhlen, Kanäle und Spalten, welche wir bei allen
Beobachtern verzeichnet finden. Allein obere Spalten, oberes
Offenseyn derselben muſs man, wenn man consequent seyn will,
durchaus verwerfen, weil die den Centraltheilen des Nervensy-
stemes eben so gut angehörende Flüssigkeit zwischen den sich
noch nicht berührenden Rändern der von unten heraufkommen-
den Bildungsmasse liegt und jede Trennung vollkommen ausfüllt.
Dasselbe läſst sich für die frühere Zeit von sämmtlichen Kanälen und
Ventrikeln des Rückenmarkes und Gehirnes im Fötus sagen,
welche nur mit Flüssigkeit gefüllte Räume oder Lücken zwischen
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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/207>, abgerufen am 23.06.2024.
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