Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. len fast für eine durchsichtige, weiche und structurlose Haut ge-halten. Nur Manche, wie z. B. Burns, geben sie für ein Gewebe von Fasern aus und manche ältere Beobachter, wie Harvey, Graaf und selbst Haller (Elem. physiol. VIII. p. 191.), glaubten ein- mal Gefässe in ihm wahrgenommen zu haben. So beschreibt auch Bischoff (l. c. S. 88. 89.) an der inneren Fläche des Amnion eine dichte Schicht von kleinen Kügelchen, welche in dichten mehr oder minder isolirten Haufen beisammen stehen und sich leicht abschaben lassen sollen. Geschieht dieses letztere, so verbreiten diese Stellen ein mattes Ansehen und das Amnion selbst wird hierdurch an diesen Punkten glatter und durchsichtiger (Vgl. l. c. tab. II. fig. 5. 6.). -- Eine Trennung in verschiedene Lamellen wird nur von einigen älteren Schriftstellern z. B. Harvey und ohne genügende Erfahrung angenommen. Dagegen sind von Au- toren, welche mehr nach einzelnen, zum Theil ungenügenden Beo- bachtungen an Säugethieren und dem Menschen, als nach einer allgemeineren Ansicht Schlüsse machten, eigenthümliche Meinun- gen aufgestellt worden. So glaubte z. B. Pockels (Isis 1825. S[.] 1342.) durch Beobachtung gefunden zu haben, dass das Amnion zuerst eine völlig geschlossene Blase wäre, in welche sich der Embryo hineinsenkt. Allein abgesehen davon, dass, wie Seiler und Velpeau mit Recht bemerken, Pockels Eier krank waren und dass eine solche Entstehung des Amnion gegen alle Analogie mit den Säugethieren und Vögeln streitet, sieht man auch nicht recht ein, was aus dem innern, von dem Körper der Frucht unmittel- bar eingedrückten Theile des Embryo werden solle. Velpeau hat seine Ansicht über Genese des Amnion vielfach geändert. An einem etwa zwanzigtägigen Eie sah er (Heusinger's Zeitschrift II. S. 75.) das Amnion 11/2 Linie von dem Embryo getrennt, sich über den Nabelstrang schlagen und in die Epidermis des Embryo sich fortsetzen. Spätere Untersuchungen dagegen (l. c. S. 76.) liessen ihn sich für die Ansicht von Pockels bestimmen. In sei- ner neuesten Schrift (Embryologie p. 27.) spricht er die Ueber- zeugung aus, dass Amnion und Epidermis sich vor dem er- sten Monate des Fruchtlebens nicht verbinden. Er glaubt auch gefunden zu haben, dass während der ersten 14 Tage das Amnion nur mit dem Embryonaltheile des Nabelstranges, um den es sich scheidenförmig einstülpt, in unmittelbarer Verbindung stehe, dass dieses Verhältniss bis zur vollständigen Entwickelung der Bauch- platten
III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. len fast für eine durchsichtige, weiche und structurlose Haut ge-halten. Nur Manche, wie z. B. Burns, geben sie für ein Gewebe von Fasern aus und manche ältere Beobachter, wie Harvey, Graaf und selbst Haller (Elem. physiol. VIII. p. 191.), glaubten ein- mal Gefäſse in ihm wahrgenommen zu haben. So beschreibt auch Bischoff (l. c. S. 88. 89.) an der inneren Fläche des Amnion eine dichte Schicht von kleinen Kügelchen, welche in dichten mehr oder minder isolirten Haufen beisammen stehen und sich leicht abschaben lassen sollen. Geschieht dieses letztere, so verbreiten diese Stellen ein mattes Ansehen und das Amnion selbst wird hierdurch an diesen Punkten glatter und durchsichtiger (Vgl. l. c. tab. II. fig. 5. 6.). — Eine Trennung in verschiedene Lamellen wird nur von einigen älteren Schriftstellern z. B. Harvey und ohne genügende Erfahrung angenommen. Dagegen sind von Au- toren, welche mehr nach einzelnen, zum Theil ungenügenden Beo- bachtungen an Säugethieren und dem Menschen, als nach einer allgemeineren Ansicht Schlüsse machten, eigenthümliche Meinun- gen aufgestellt worden. So glaubte z. B. Pockels (Isis 1825. S[.] 1342.) durch Beobachtung gefunden zu haben, daſs das Amnion zuerst eine völlig geschlossene Blase wäre, in welche sich der Embryo hineinsenkt. Allein abgesehen davon, daſs, wie Seiler und Velpeau mit Recht bemerken, Pockels Eier krank waren und daſs eine solche Entstehung des Amnion gegen alle Analogie mit den Säugethieren und Vögeln streitet, sieht man auch nicht recht ein, was aus dem innern, von dem Körper der Frucht unmittel- bar eingedrückten Theile des Embryo werden solle. Velpeau hat seine Ansicht über Genese des Amnion vielfach geändert. An einem etwa zwanzigtägigen Eie sah er (Heusinger’s Zeitschrift II. S. 75.) das Amnion 1½ Linie von dem Embryo getrennt, sich über den Nabelstrang schlagen und in die Epidermis des Embryo sich fortsetzen. Spätere Untersuchungen dagegen (l. c. S. 76.) lieſsen ihn sich für die Ansicht von Pockels bestimmen. In sei- ner neuesten Schrift (Embryologie p. 27.) spricht er die Ueber- zeugung aus, daſs Amnion und Epidermis sich vor dem er- sten Monate des Fruchtlebens nicht verbinden. Er glaubt auch gefunden zu haben, daſs während der ersten 14 Tage das Amnion nur mit dem Embryonaltheile des Nabelstranges, um den es sich scheidenförmig einstülpt, in unmittelbarer Verbindung stehe, daſs dieses Verhältniſs bis zur vollständigen Entwickelung der Bauch- platten
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III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.
len fast für eine durchsichtige, weiche und structurlose Haut ge-
halten. Nur Manche, wie z. B. Burns, geben sie für ein Gewebe
von Fasern aus und manche ältere Beobachter, wie Harvey, Graaf
und selbst Haller (Elem. physiol. VIII. p. 191.), glaubten ein-
mal Gefäſse in ihm wahrgenommen zu haben. So beschreibt auch
Bischoff (l. c. S. 88. 89.) an der inneren Fläche des Amnion eine
dichte Schicht von kleinen Kügelchen, welche in dichten mehr
oder minder isolirten Haufen beisammen stehen und sich leicht
abschaben lassen sollen. Geschieht dieses letztere, so verbreiten
diese Stellen ein mattes Ansehen und das Amnion selbst wird
hierdurch an diesen Punkten glatter und durchsichtiger (Vgl.
l. c. tab. II. fig. 5. 6.). — Eine Trennung in verschiedene Lamellen
wird nur von einigen älteren Schriftstellern z. B. Harvey und
ohne genügende Erfahrung angenommen. Dagegen sind von Au-
toren, welche mehr nach einzelnen, zum Theil ungenügenden Beo-
bachtungen an Säugethieren und dem Menschen, als nach einer
allgemeineren Ansicht Schlüsse machten, eigenthümliche Meinun-
gen aufgestellt worden. So glaubte z. B. Pockels (Isis 1825. S.
1342.) durch Beobachtung gefunden zu haben, daſs das Amnion
zuerst eine völlig geschlossene Blase wäre, in welche sich der
Embryo hineinsenkt. Allein abgesehen davon, daſs, wie Seiler
und Velpeau mit Recht bemerken, Pockels Eier krank waren und
daſs eine solche Entstehung des Amnion gegen alle Analogie mit
den Säugethieren und Vögeln streitet, sieht man auch nicht recht
ein, was aus dem innern, von dem Körper der Frucht unmittel-
bar eingedrückten Theile des Embryo werden solle. Velpeau hat
seine Ansicht über Genese des Amnion vielfach geändert. An
einem etwa zwanzigtägigen Eie sah er (Heusinger’s Zeitschrift II.
S. 75.) das Amnion 1½ Linie von dem Embryo getrennt, sich
über den Nabelstrang schlagen und in die Epidermis des Embryo
sich fortsetzen. Spätere Untersuchungen dagegen (l. c. S. 76.)
lieſsen ihn sich für die Ansicht von Pockels bestimmen. In sei-
ner neuesten Schrift (Embryologie p. 27.) spricht er die Ueber-
zeugung aus, daſs Amnion und Epidermis sich vor dem er-
sten Monate des Fruchtlebens nicht verbinden. Er glaubt auch
gefunden zu haben, daſs während der ersten 14 Tage das Amnion
nur mit dem Embryonaltheile des Nabelstranges, um den es sich
scheidenförmig einstülpt, in unmittelbarer Verbindung stehe, daſs
dieses Verhältniſs bis zur vollständigen Entwickelung der Bauch-
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