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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.
schen Chorion und Amnion gelegenes Gebilde sey, an welchem
sich zwei Blutgefässe seiner Beschreibung nach finden. Böhmer
und Madai (bei Oken l. c. S. 67.) verfielen in den alten Fehler,
indem sie den Faden für den Urachus hielten. Dasselbe ist auch
mit Boerhave (institutiones medicae 684. bei Velpeau l. c. p.
35.) der Fall. Eben so scheint Haller (Elem. physiol. VIII. p.
208. 209.) noch nicht recht die Nabelblase von dem Harnsacke
zu unterscheiden im Stande zu seyn. Wrisberg (descriptio ana-
tom. embryonis
1764. 4. p. 19.) beschrieb nicht nur das Nabel-
bläschen aus menschlichen Eiern aus dem dritten Monate genau,
sondern lehrte auch zwei in den Nabelstrang und in die Bauch-
höhle eindringende Fäden kennen, die sich nach seinen späteren
Injectionen (Hallers Grundriss der Physiol. übers. v. Leveling S.
799.) als Gefässe charakterisirten. W. Hunter (anatomia uteri
gravidi
1777. fol. tab. XXXIII. Fig. 5. 6. und tab. XXXIV.
fig. 2.) bildete die Nabelblase aus 5- und 8wöchentlichen Eiern
ab und kannte ebenfalls die zu ihr aus dem Körper des Embryo
gehenden Gefässe. Zugleich bemerkte er (anat. Beschreib. d.
schwang. Uterus S. 69.), dass das Nabelbläschen bisweilen noch
in reifen Nachgeburten sichtbar sey, dass es dann auf der Innen-
fläche der Placenta oder in der Nähe derselben sich finde, einen
rundlichen, weissen Körper bilde und dann noch das Ansehen, wie
in einem Eie von zwei bis drei Monaten, habe. Sandifort und van
der Laar (s. Dzondi l. c. p. 21.) beschrieben ebenfalls unser Ge-
bilde, und der Erstere belegte dasselbe mit dem Namen des pro-
cessus infundibuliformis amnii
. Eben so stellten es Sömme-
ring (Icones embr. hum. 1799. fol. tab. 1. fig. 2.), Loder, Mayer
u. A. theils durch Zeichnung, theils in Beschreibungen dar. Blu-
menbach verglich es bestimmt mit dem Dotter der Vögel, und
gleichzeitig stellte auch Sömmering dieselbe Ansicht auf (S. un-
ten in der Abhandlung des Schleimblattes). Lobstein (über die
Ernährung des Fötus S. 60. 61.) beschrieb das Nabelbläschen nach
eigener Anschauung aus einem Eie aus dem Ende des zweiten
und einem Eie aus dem dritten bis vierten Monate, erklärte sich
aber gegen die von Manchen seiner Vorgänger gemachte Parallele
mit dem Dotter (S. 63.), weil er keine Gemeinschaft mit der
Darmhöhle, wie dieses bei dem Dotter der Vögel der Fall ist, gefun-
den habe, sondern kehrt vielmehr zu der alten Ansicht zurück, dass
die Nabelblase die Allantois des Menschen sey. Chaussier (bei Oken

III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.
schen Chorion und Amnion gelegenes Gebilde sey, an welchem
sich zwei Blutgefäſse seiner Beschreibung nach finden. Böhmer
und Madai (bei Oken l. c. S. 67.) verfielen in den alten Fehler,
indem sie den Faden für den Urachus hielten. Dasselbe ist auch
mit Boerhave (institutiones medicae 684. bei Velpeau l. c. p.
35.) der Fall. Eben so scheint Haller (Elem. physiol. VIII. p.
208. 209.) noch nicht recht die Nabelblase von dem Harnsacke
zu unterscheiden im Stande zu seyn. Wrisberg (descriptio ana-
tom. embryonis
1764. 4. p. 19.) beschrieb nicht nur das Nabel-
bläschen aus menschlichen Eiern aus dem dritten Monate genau,
sondern lehrte auch zwei in den Nabelstrang und in die Bauch-
höhle eindringende Fäden kennen, die sich nach seinen späteren
Injectionen (Hallers Grundriſs der Physiol. übers. v. Leveling S.
799.) als Gefäſse charakterisirten. W. Hunter (anatomia uteri
gravidi
1777. fol. tab. XXXIII. Fig. 5. 6. und tab. XXXIV.
fig. 2.) bildete die Nabelblase aus 5- und 8wöchentlichen Eiern
ab und kannte ebenfalls die zu ihr aus dem Körper des Embryo
gehenden Gefäſse. Zugleich bemerkte er (anat. Beschreib. d.
schwang. Uterus S. 69.), daſs das Nabelbläschen bisweilen noch
in reifen Nachgeburten sichtbar sey, daſs es dann auf der Innen-
fläche der Placenta oder in der Nähe derselben sich finde, einen
rundlichen, weiſsen Körper bilde und dann noch das Ansehen, wie
in einem Eie von zwei bis drei Monaten, habe. Sandifort und van
der Laar (s. Dzondi l. c. p. 21.) beschrieben ebenfalls unser Ge-
bilde, und der Erstere belegte dasselbe mit dem Namen des pro-
cessus infundibuliformis amnii
. Eben so stellten es Sömme-
ring (Icones embr. hum. 1799. fol. tab. 1. fig. 2.), Loder, Mayer
u. A. theils durch Zeichnung, theils in Beschreibungen dar. Blu-
menbach verglich es bestimmt mit dem Dotter der Vögel, und
gleichzeitig stellte auch Sömmering dieselbe Ansicht auf (S. un-
ten in der Abhandlung des Schleimblattes). Lobstein (über die
Ernährung des Fötus S. 60. 61.) beschrieb das Nabelbläschen nach
eigener Anschauung aus einem Eie aus dem Ende des zweiten
und einem Eie aus dem dritten bis vierten Monate, erklärte sich
aber gegen die von Manchen seiner Vorgänger gemachte Parallele
mit dem Dotter (S. 63.), weil er keine Gemeinschaft mit der
Darmhöhle, wie dieses bei dem Dotter der Vögel der Fall ist, gefun-
den habe, sondern kehrt vielmehr zu der alten Ansicht zurück, daſs
die Nabelblase die Allantois des Menschen sey. Chaussier (bei Oken

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[98/0126] III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. schen Chorion und Amnion gelegenes Gebilde sey, an welchem sich zwei Blutgefäſse seiner Beschreibung nach finden. Böhmer und Madai (bei Oken l. c. S. 67.) verfielen in den alten Fehler, indem sie den Faden für den Urachus hielten. Dasselbe ist auch mit Boerhave (institutiones medicae 684. bei Velpeau l. c. p. 35.) der Fall. Eben so scheint Haller (Elem. physiol. VIII. p. 208. 209.) noch nicht recht die Nabelblase von dem Harnsacke zu unterscheiden im Stande zu seyn. Wrisberg (descriptio ana- tom. embryonis 1764. 4. p. 19.) beschrieb nicht nur das Nabel- bläschen aus menschlichen Eiern aus dem dritten Monate genau, sondern lehrte auch zwei in den Nabelstrang und in die Bauch- höhle eindringende Fäden kennen, die sich nach seinen späteren Injectionen (Hallers Grundriſs der Physiol. übers. v. Leveling S. 799.) als Gefäſse charakterisirten. W. Hunter (anatomia uteri gravidi 1777. fol. tab. XXXIII. Fig. 5. 6. und tab. XXXIV. fig. 2.) bildete die Nabelblase aus 5- und 8wöchentlichen Eiern ab und kannte ebenfalls die zu ihr aus dem Körper des Embryo gehenden Gefäſse. Zugleich bemerkte er (anat. Beschreib. d. schwang. Uterus S. 69.), daſs das Nabelbläschen bisweilen noch in reifen Nachgeburten sichtbar sey, daſs es dann auf der Innen- fläche der Placenta oder in der Nähe derselben sich finde, einen rundlichen, weiſsen Körper bilde und dann noch das Ansehen, wie in einem Eie von zwei bis drei Monaten, habe. Sandifort und van der Laar (s. Dzondi l. c. p. 21.) beschrieben ebenfalls unser Ge- bilde, und der Erstere belegte dasselbe mit dem Namen des pro- cessus infundibuliformis amnii. Eben so stellten es Sömme- ring (Icones embr. hum. 1799. fol. tab. 1. fig. 2.), Loder, Mayer u. A. theils durch Zeichnung, theils in Beschreibungen dar. Blu- menbach verglich es bestimmt mit dem Dotter der Vögel, und gleichzeitig stellte auch Sömmering dieselbe Ansicht auf (S. un- ten in der Abhandlung des Schleimblattes). Lobstein (über die Ernährung des Fötus S. 60. 61.) beschrieb das Nabelbläschen nach eigener Anschauung aus einem Eie aus dem Ende des zweiten und einem Eie aus dem dritten bis vierten Monate, erklärte sich aber gegen die von Manchen seiner Vorgänger gemachte Parallele mit dem Dotter (S. 63.), weil er keine Gemeinschaft mit der Darmhöhle, wie dieses bei dem Dotter der Vögel der Fall ist, gefun- den habe, sondern kehrt vielmehr zu der alten Ansicht zurück, daſs die Nabelblase die Allantois des Menschen sey. Chaussier (bei Oken

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/126>, abgerufen am 27.04.2024.