Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Briefe. Und wenn ich noch so gerne wollte,Und als ein Weiser sollte. Denn wider ein geliebt Gesicht Und eine schöne Brust hilft alle Weisheit nicht. Doch schwör ich bey dem weisen Bart Des ersten Stoickers, des Mannes meiner Art: Jch schwör, und, o verzeiht, ihr Mädchen! daß ich schwöre; Mein Schwur gereichet euch zur Ehre: Nie will ich euch sehr nahe seyn; Nie will ich bey vergnügten Wein, Wie, leider! sonst geschehn, leichtsinnig euch besin- gen. Soll meine Leyer ja von eurem Reiz erklingen: So mach ich mich dazu mit Fasten erst bereit, Und singe fern von euch und voller Schüchternheit. Denn o! ich seh es und mit Schmerzen: Es läßt mit Mädchen sich nicht scherzen. Das müssen herrliche Lieder werden, die ich nach diesem Glü-
Briefe. Und wenn ich noch ſo gerne wollte,Und als ein Weiſer ſollte. Denn wider ein geliebt Geſicht Und eine ſchoͤne Bruſt hilft alle Weisheit nicht. Doch ſchwoͤr ich bey dem weiſen Bart Des erſten Stoickers, des Mannes meiner Art: Jch ſchwoͤr, und, o verzeiht, ihr Maͤdchen! daß ich ſchwoͤre; Mein Schwur gereichet euch zur Ehre: Nie will ich euch ſehr nahe ſeyn; Nie will ich bey vergnuͤgten Wein, Wie, leider! ſonſt geſchehn, leichtſinnig euch beſin- gen. Soll meine Leyer ja von eurem Reiz erklingen: So mach ich mich dazu mit Faſten erſt bereit, Und ſinge fern von euch und voller Schuͤchternheit. Denn o! ich ſeh es und mit Schmerzen: Es laͤßt mit Maͤdchen ſich nicht ſcherzen. Das muͤſſen herrliche Lieder werden, die ich nach dieſem Gluͤ-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0238" n="224"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Briefe.</hi> </fw><lb/> <l>Und wenn ich noch ſo gerne wollte,</l><lb/> <l>Und als ein Weiſer ſollte.</l><lb/> <l>Denn wider ein geliebt Geſicht</l><lb/> <l>Und eine ſchoͤne Bruſt hilft alle Weisheit nicht.</l><lb/> <l>Doch ſchwoͤr ich bey dem weiſen Bart</l><lb/> <l>Des erſten Stoickers, des Mannes meiner Art:</l><lb/> <l>Jch ſchwoͤr, und, o verzeiht, ihr Maͤdchen! daß ich</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ſchwoͤre;</hi> </l><lb/> <l>Mein Schwur gereichet euch zur Ehre:</l><lb/> <l>Nie will ich euch ſehr nahe ſeyn;</l><lb/> <l>Nie will ich bey vergnuͤgten Wein,</l><lb/> <l>Wie, leider! ſonſt geſchehn, leichtſinnig euch beſin-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">gen.</hi> </l><lb/> <l>Soll meine Leyer ja von eurem Reiz erklingen:</l><lb/> <l>So mach ich mich dazu mit Faſten erſt bereit,</l><lb/> <l>Und ſinge fern von euch und voller Schuͤchternheit.</l><lb/> <l>Denn o! ich ſeh es und mit Schmerzen:</l><lb/> <l>Es laͤßt mit Maͤdchen ſich nicht ſcherzen.</l> </lg><lb/> <p>Das muͤſſen herrliche Lieder werden, die ich nach dieſem<lb/> Plane ſinge. Ob ſie jemand leſen werde, das iſt eine<lb/> andere Frage. Sie werden eine ganz neue Gattung der<lb/> Lieder ausmachen, oder doch unmittelbar auf die feyerli-<lb/> chen Geſaͤnge der platoniſchen Liebhaber folgen, um die<lb/> es immer ſo finſter und melancholiſch ausſieht. Sie ha-<lb/> ben, wenn man ihren hohen Worten glaubt, kein groͤſ-<lb/> ſers Vergnuͤgen, als ihre Thraͤnen; und wuͤrden zeitle-<lb/> bens Thoren geblieben ſeyn, wenn ſie nicht zu gutem<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Gluͤ-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [224/0238]
Briefe.
Und wenn ich noch ſo gerne wollte,
Und als ein Weiſer ſollte.
Denn wider ein geliebt Geſicht
Und eine ſchoͤne Bruſt hilft alle Weisheit nicht.
Doch ſchwoͤr ich bey dem weiſen Bart
Des erſten Stoickers, des Mannes meiner Art:
Jch ſchwoͤr, und, o verzeiht, ihr Maͤdchen! daß ich
ſchwoͤre;
Mein Schwur gereichet euch zur Ehre:
Nie will ich euch ſehr nahe ſeyn;
Nie will ich bey vergnuͤgten Wein,
Wie, leider! ſonſt geſchehn, leichtſinnig euch beſin-
gen.
Soll meine Leyer ja von eurem Reiz erklingen:
So mach ich mich dazu mit Faſten erſt bereit,
Und ſinge fern von euch und voller Schuͤchternheit.
Denn o! ich ſeh es und mit Schmerzen:
Es laͤßt mit Maͤdchen ſich nicht ſcherzen.
Das muͤſſen herrliche Lieder werden, die ich nach dieſem
Plane ſinge. Ob ſie jemand leſen werde, das iſt eine
andere Frage. Sie werden eine ganz neue Gattung der
Lieder ausmachen, oder doch unmittelbar auf die feyerli-
chen Geſaͤnge der platoniſchen Liebhaber folgen, um die
es immer ſo finſter und melancholiſch ausſieht. Sie ha-
ben, wenn man ihren hohen Worten glaubt, kein groͤſ-
ſers Vergnuͤgen, als ihre Thraͤnen; und wuͤrden zeitle-
bens Thoren geblieben ſeyn, wenn ſie nicht zu gutem
Gluͤ-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung … [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |