Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Briefe. Wie Hymen, der die Kunst geerbet,Die Proteus aufgebracht, Das beste Mädchen ach! verderbet, Und oft in einer Nacht Ein sanftes Lamm zum Tieger macht; Wie viel Vulcane sich bey ihrer Venus härmen, Bey ihrem Feuer oft auch Sklaven sich erwärmen, Bey ihrer Schmach die Welt nur lacht: Jndeß die arme Treu, altväterisch gekleidet, Stets hinder ihnen drein und stets vergeblich läuft; Jndem sie niemand hört, so sehr sie klagt und keift; Wie, wann ein seltnes Paar nicht Höllen-Qualen leidet, Doch Langeweil und Ueberdruß Vom ehelichen Kuß Ach! allzuselten scheidet: So zittert mit gerechter Pein Ein Schauer mir durch Mark und Bein; So denk ich nur an Hymens Wehe, So graut mir vor der Ehe. Wen müssen solche Betrachtungen nicht furchtsam ma- Mut-
Briefe. Wie Hymen, der die Kunſt geerbet,Die Proteus aufgebracht, Das beſte Maͤdchen ach! verderbet, Und oft in einer Nacht Ein ſanftes Lamm zum Tieger macht; Wie viel Vulcane ſich bey ihrer Venus haͤrmen, Bey ihrem Feuer oft auch Sklaven ſich erwaͤrmen, Bey ihrer Schmach die Welt nur lacht: Jndeß die arme Treu, altvaͤteriſch gekleidet, Stets hinder ihnen drein und ſtets vergeblich laͤuft; Jndem ſie niemand hoͤrt, ſo ſehr ſie klagt und keift; Wie, wann ein ſeltnes Paar nicht Hoͤllen-Qualen leidet, Doch Langeweil und Ueberdruß Vom ehelichen Kuß Ach! allzuſelten ſcheidet: So zittert mit gerechter Pein Ein Schauer mir durch Mark und Bein; So denk ich nur an Hymens Wehe, So graut mir vor der Ehe. Wen muͤſſen ſolche Betrachtungen nicht furchtſam ma- Mut-
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Briefe.
Wie Hymen, der die Kunſt geerbet,
Die Proteus aufgebracht,
Das beſte Maͤdchen ach! verderbet,
Und oft in einer Nacht
Ein ſanftes Lamm zum Tieger macht;
Wie viel Vulcane ſich bey ihrer Venus haͤrmen,
Bey ihrem Feuer oft auch Sklaven ſich erwaͤrmen,
Bey ihrer Schmach die Welt nur lacht:
Jndeß die arme Treu, altvaͤteriſch gekleidet,
Stets hinder ihnen drein und ſtets vergeblich laͤuft;
Jndem ſie niemand hoͤrt, ſo ſehr ſie klagt und keift;
Wie, wann ein ſeltnes Paar nicht Hoͤllen-Qualen leidet,
Doch Langeweil und Ueberdruß
Vom ehelichen Kuß
Ach! allzuſelten ſcheidet:
So zittert mit gerechter Pein
Ein Schauer mir durch Mark und Bein;
So denk ich nur an Hymens Wehe,
So graut mir vor der Ehe.
Wen muͤſſen ſolche Betrachtungen nicht furchtſam ma-
chen? Und wie ſehr muß dieſe Beſorgniß durch die Nach-
richt wachſen, die Sie mir, mein liebſter Freund, von
Jhrem eigenen mislungenen Verſuch ertheilen? Gewiß,
Jhre Begebenheit iſt ſonderbar und einem Roman nicht
unaͤhnlich. Nichts kommt mit dabey wunderlicher fuͤr
als die abentheuerliche Vaterliebe des Vaters Jhrer Schoͤ-
nen, der nicht wiſſen will, daß die Frau Vater und
Mut-
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