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Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

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Sieg des Liebesgottes
Da hatte die Vernunft zur Ueberlegung Raum;
Nun wird sie überrascht; die Schöne faßt sich kaum.
Man buhlt nicht um ihr Herz; man schmeichelt ihren Sin-
nen:
Und kann was leichter seyn, als diese zu gewinnen?
Wie glänzt ein junger Herr! er ist voll Ungeduld:
Und wann die Spröde säumt, ertrotzt er ihre Huld.
Selinde wankte schon, wie unter starken Streichen,
Von scharfer Axt bestürmt, die schönste schöner Eichen
Auf alle Seiten droht und hin und wieder winkt,
Bis ihr bemooster Stamm mit Prasseln splitternd sinkt.
Doch fiel die Schöne nicht, für die ihr Schutzgeist kämpfte,
Der stets durch kalten Stolz der Liebe Regung dämpfte:
Als einer Kutsche Lärm, die durch die Strasse flog
Und vor dem Garten hielt, sie schnell ans Fenster zog.
Jhr Herze schlug sogleich von weiblichem Verlangen;
Jhr funkelnd Auge blieb an diesem Anblick hangen:
Entzückt vertheilte sich der Blicke schneller Blitz
Auf Wagen, Roß und Mann, bis auf den Kutschersitz.
Bewundernd rief sie aus: der allerliebste Wagen!
Wer ist der glückliche, den solche Rosse tragen?
Jch selbst, sprach Selimor mit ernster Majestät:
Die Unterkehle schien hochmüthig aufgebläht.
Wie aber? fuhr er fort, mein Kutscher, glaub ich, träumet,
Der nun zu zeitig kömmt, sonst immer sich versäumet.
Jch soll von Jhnen gehn? von Jhnen, göttlich Kind?
Und ehe, toller Streich! wir vollends richtig sind?

Nein!

Sieg des Liebesgottes
Da hatte die Vernunft zur Ueberlegung Raum;
Nun wird ſie uͤberraſcht; die Schoͤne faßt ſich kaum.
Man buhlt nicht um ihr Herz; man ſchmeichelt ihren Sin-
nen:
Und kann was leichter ſeyn, als dieſe zu gewinnen?
Wie glaͤnzt ein junger Herr! er iſt voll Ungeduld:
Und wann die Sproͤde ſaͤumt, ertrotzt er ihre Huld.
Selinde wankte ſchon, wie unter ſtarken Streichen,
Von ſcharfer Axt beſtuͤrmt, die ſchoͤnſte ſchoͤner Eichen
Auf alle Seiten droht und hin und wieder winkt,
Bis ihr bemooſter Stamm mit Praſſeln ſplitternd ſinkt.
Doch fiel die Schoͤne nicht, fuͤr die ihr Schutzgeiſt kaͤmpfte,
Der ſtets durch kalten Stolz der Liebe Regung daͤmpfte:
Als einer Kutſche Laͤrm, die durch die Straſſe flog
Und vor dem Garten hielt, ſie ſchnell ans Fenſter zog.
Jhr Herze ſchlug ſogleich von weiblichem Verlangen;
Jhr funkelnd Auge blieb an dieſem Anblick hangen:
Entzuͤckt vertheilte ſich der Blicke ſchneller Blitz
Auf Wagen, Roß und Mann, bis auf den Kutſcherſitz.
Bewundernd rief ſie aus: der allerliebſte Wagen!
Wer iſt der gluͤckliche, den ſolche Roſſe tragen?
Jch ſelbſt, ſprach Selimor mit ernſter Majeſtaͤt:
Die Unterkehle ſchien hochmuͤthig aufgeblaͤht.
Wie aber? fuhr er fort, mein Kutſcher, glaub ich, traͤumet,
Der nun zu zeitig koͤmmt, ſonſt immer ſich verſaͤumet.
Jch ſoll von Jhnen gehn? von Jhnen, goͤttlich Kind?
Und ehe, toller Streich! wir vollends richtig ſind?

Nein!
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[166[196]/0210] Sieg des Liebesgottes Da hatte die Vernunft zur Ueberlegung Raum; Nun wird ſie uͤberraſcht; die Schoͤne faßt ſich kaum. Man buhlt nicht um ihr Herz; man ſchmeichelt ihren Sin- nen: Und kann was leichter ſeyn, als dieſe zu gewinnen? Wie glaͤnzt ein junger Herr! er iſt voll Ungeduld: Und wann die Sproͤde ſaͤumt, ertrotzt er ihre Huld. Selinde wankte ſchon, wie unter ſtarken Streichen, Von ſcharfer Axt beſtuͤrmt, die ſchoͤnſte ſchoͤner Eichen Auf alle Seiten droht und hin und wieder winkt, Bis ihr bemooſter Stamm mit Praſſeln ſplitternd ſinkt. Doch fiel die Schoͤne nicht, fuͤr die ihr Schutzgeiſt kaͤmpfte, Der ſtets durch kalten Stolz der Liebe Regung daͤmpfte: Als einer Kutſche Laͤrm, die durch die Straſſe flog Und vor dem Garten hielt, ſie ſchnell ans Fenſter zog. Jhr Herze ſchlug ſogleich von weiblichem Verlangen; Jhr funkelnd Auge blieb an dieſem Anblick hangen: Entzuͤckt vertheilte ſich der Blicke ſchneller Blitz Auf Wagen, Roß und Mann, bis auf den Kutſcherſitz. Bewundernd rief ſie aus: der allerliebſte Wagen! Wer iſt der gluͤckliche, den ſolche Roſſe tragen? Jch ſelbſt, ſprach Selimor mit ernſter Majeſtaͤt: Die Unterkehle ſchien hochmuͤthig aufgeblaͤht. Wie aber? fuhr er fort, mein Kutſcher, glaub ich, traͤumet, Der nun zu zeitig koͤmmt, ſonſt immer ſich verſaͤumet. Jch ſoll von Jhnen gehn? von Jhnen, goͤttlich Kind? Und ehe, toller Streich! wir vollends richtig ſind? Nein!

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Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 166[196]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/210>, abgerufen am 25.11.2024.