Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Ein Gedicht. Urplötzlich sprang er auf mit freudigem Vertrauen:Er hatte Zeit gehabt, sich achtsam zu beschauen; Und nahm, noch mehr gereizt durch kühnen Widerstand, Halb scherzhaft, halb verliebt, Selinden bey der Hand. Wie ists nun? fieng er an; o Bluhme junger Schönen! Wird ihre Zärtlichkeit bald meine Treue krönen? Jch kann Sie nicht verstehn, nein! meine Königinn! Und wissen Sie, im Ernst, daß ich verdrüßlich bin? Mich dünkt, ich liebe Sie schon volle hundert Jahre: Verschieben Sie mein Glück auf meine grauen Haare? Sie lieben mich ja doch; das ist so offenbar, - - Wie? unterbrach sie ihn; Sie halten das für klar? Für klar? o für gewiß! Sie werden mir erlauben, Erwiedert Selimor; wie kann ich anders glauben? Man weiß sich liebenswerth, man liebt, man wird geliebt: Was ist hier wunderbars, das Recht zu zweifeln giebt? Jch ärgre mich zum Narrn bey Jhrem Widerstreben. Wie lange zögern Sie, sich rühmlich zu ergeben? Fort! machen Sie geschwind! beschwören sie den Bund; Und weil Jhr Herz mich liebt, so sage mirs Jhr Mund. Vor einem Selimor muß Trotz und Härte brechen: Jhm, der so dreiste hofft, kann jemand widersprechen? Wie glücklich wart ihr einst, ihr Schönen alter Zeit! Die Ehrfurcht eurer Welt war eure Sicherheit. Nur jähriger Bestand hieß ächter Liebe Zeichen: Man wollte seinen Sieg verdienen, nicht erschleichen. Da N 2
Ein Gedicht. Urploͤtzlich ſprang er auf mit freudigem Vertrauen:Er hatte Zeit gehabt, ſich achtſam zu beſchauen; Und nahm, noch mehr gereizt durch kuͤhnen Widerſtand, Halb ſcherzhaft, halb verliebt, Selinden bey der Hand. Wie iſts nun? fieng er an; o Bluhme junger Schoͤnen! Wird ihre Zaͤrtlichkeit bald meine Treue kroͤnen? Jch kann Sie nicht verſtehn, nein! meine Koͤniginn! Und wiſſen Sie, im Ernſt, daß ich verdruͤßlich bin? Mich duͤnkt, ich liebe Sie ſchon volle hundert Jahre: Verſchieben Sie mein Gluͤck auf meine grauen Haare? Sie lieben mich ja doch; das iſt ſo offenbar, ‒ ‒ Wie? unterbrach ſie ihn; Sie halten das fuͤr klar? Fuͤr klar? o fuͤr gewiß! Sie werden mir erlauben, Erwiedert Selimor; wie kann ich anders glauben? Man weiß ſich liebenswerth, man liebt, man wird geliebt: Was iſt hier wunderbars, das Recht zu zweifeln giebt? Jch aͤrgre mich zum Narrn bey Jhrem Widerſtreben. Wie lange zoͤgern Sie, ſich ruͤhmlich zu ergeben? Fort! machen Sie geſchwind! beſchwoͤren ſie den Bund; Und weil Jhr Herz mich liebt, ſo ſage mirs Jhr Mund. Vor einem Selimor muß Trotz und Haͤrte brechen: Jhm, der ſo dreiſte hofft, kann jemand widerſprechen? Wie gluͤcklich wart ihr einſt, ihr Schoͤnen alter Zeit! Die Ehrfurcht eurer Welt war eure Sicherheit. Nur jaͤhriger Beſtand hieß aͤchter Liebe Zeichen: Man wollte ſeinen Sieg verdienen, nicht erſchleichen. Da N 2
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Ein Gedicht.
Urploͤtzlich ſprang er auf mit freudigem Vertrauen:
Er hatte Zeit gehabt, ſich achtſam zu beſchauen;
Und nahm, noch mehr gereizt durch kuͤhnen Widerſtand,
Halb ſcherzhaft, halb verliebt, Selinden bey der Hand.
Wie iſts nun? fieng er an; o Bluhme junger Schoͤnen!
Wird ihre Zaͤrtlichkeit bald meine Treue kroͤnen?
Jch kann Sie nicht verſtehn, nein! meine Koͤniginn!
Und wiſſen Sie, im Ernſt, daß ich verdruͤßlich bin?
Mich duͤnkt, ich liebe Sie ſchon volle hundert Jahre:
Verſchieben Sie mein Gluͤck auf meine grauen Haare?
Sie lieben mich ja doch; das iſt ſo offenbar, ‒ ‒
Wie? unterbrach ſie ihn; Sie halten das fuͤr klar?
Fuͤr klar? o fuͤr gewiß! Sie werden mir erlauben,
Erwiedert Selimor; wie kann ich anders glauben?
Man weiß ſich liebenswerth, man liebt, man wird geliebt:
Was iſt hier wunderbars, das Recht zu zweifeln giebt?
Jch aͤrgre mich zum Narrn bey Jhrem Widerſtreben.
Wie lange zoͤgern Sie, ſich ruͤhmlich zu ergeben?
Fort! machen Sie geſchwind! beſchwoͤren ſie den Bund;
Und weil Jhr Herz mich liebt, ſo ſage mirs Jhr Mund.
Vor einem Selimor muß Trotz und Haͤrte brechen:
Jhm, der ſo dreiſte hofft, kann jemand widerſprechen?
Wie gluͤcklich wart ihr einſt, ihr Schoͤnen alter Zeit!
Die Ehrfurcht eurer Welt war eure Sicherheit.
Nur jaͤhriger Beſtand hieß aͤchter Liebe Zeichen:
Man wollte ſeinen Sieg verdienen, nicht erſchleichen.
Da
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Zitationshilfe: | Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/209>, abgerufen am 17.07.2024. |