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Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

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Sieg des Liebesgottes


Drittes Buch.
Nun kühlte sich die Luft bey Titans niederm Lichte,
Der zur bestrahlten See mit rothem Angesichte
Jn güldnen Wolken sank, indeß der Pflanzen Grün
Und Flora glänzender und alles lachend schien.
Es weht' ein frischer West und blies auf allen Wegen
Der Bluhmen Ambraduft mit süssem Hauch entgegen.
Die Ferne schwärzte sich durch manchen Lindengang,
Wo nie der volle Tag durch grüne Wände drang.
Dort war ein Ueberfluß an dunkeln Cabinetten
Und Schatten, hohem Gras und sanften Rasenbetten,
An allem, was mit Fleiß die Wollust ausgedacht,
Was ihren Gartendienst bequem und reizend macht.
Dahin vertheilte sich die schnell zerstreute Menge.
Ein Paar ums andre schmilzt in die verschwiegnen Gänge
Vom großen Haufen weg, wie wann ein Frühlingswind
Die lauen Flügel regt und sein Geschäft beginnt:
Alsdann der lockre Schnee von schimmerreichen Höhen
Jn Thäler murmelnd schleicht, die Berge fleckigt stehen,
Bis aller weisser Glanz allmählig sich verliert,
Und nur ein seltnes Grün die nackten Gipfel ziert.
Die weise Dorilis, die lauter Seele scheinet,
Oft auf die Weltlust schmählt und oft beym Cubach weinet,
Vertrug den Ganymed, der manchmal klüglich schwur,
Daß ein Geheimniß nie dem treuen Mund entfuhr.
Sie
Sieg des Liebesgottes


Drittes Buch.
Nun kuͤhlte ſich die Luft bey Titans niederm Lichte,
Der zur beſtrahlten See mit rothem Angeſichte
Jn guͤldnen Wolken ſank, indeß der Pflanzen Gruͤn
Und Flora glaͤnzender und alles lachend ſchien.
Es weht’ ein friſcher Weſt und blies auf allen Wegen
Der Bluhmen Ambraduft mit ſuͤſſem Hauch entgegen.
Die Ferne ſchwaͤrzte ſich durch manchen Lindengang,
Wo nie der volle Tag durch gruͤne Waͤnde drang.
Dort war ein Ueberfluß an dunkeln Cabinetten
Und Schatten, hohem Gras und ſanften Raſenbetten,
An allem, was mit Fleiß die Wolluſt ausgedacht,
Was ihren Gartendienſt bequem und reizend macht.
Dahin vertheilte ſich die ſchnell zerſtreute Menge.
Ein Paar ums andre ſchmilzt in die verſchwiegnen Gaͤnge
Vom großen Haufen weg, wie wann ein Fruͤhlingswind
Die lauen Fluͤgel regt und ſein Geſchaͤft beginnt:
Alsdann der lockre Schnee von ſchimmerreichen Hoͤhen
Jn Thaͤler murmelnd ſchleicht, die Berge fleckigt ſtehen,
Bis aller weiſſer Glanz allmaͤhlig ſich verliert,
Und nur ein ſeltnes Gruͤn die nackten Gipfel ziert.
Die weiſe Dorilis, die lauter Seele ſcheinet,
Oft auf die Weltluſt ſchmaͤhlt und oft beym Cubach weinet,
Vertrug den Ganymed, der manchmal kluͤglich ſchwur,
Daß ein Geheimniß nie dem treuen Mund entfuhr.
Sie
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[182/0196] Sieg des Liebesgottes Drittes Buch. Nun kuͤhlte ſich die Luft bey Titans niederm Lichte, Der zur beſtrahlten See mit rothem Angeſichte Jn guͤldnen Wolken ſank, indeß der Pflanzen Gruͤn Und Flora glaͤnzender und alles lachend ſchien. Es weht’ ein friſcher Weſt und blies auf allen Wegen Der Bluhmen Ambraduft mit ſuͤſſem Hauch entgegen. Die Ferne ſchwaͤrzte ſich durch manchen Lindengang, Wo nie der volle Tag durch gruͤne Waͤnde drang. Dort war ein Ueberfluß an dunkeln Cabinetten Und Schatten, hohem Gras und ſanften Raſenbetten, An allem, was mit Fleiß die Wolluſt ausgedacht, Was ihren Gartendienſt bequem und reizend macht. Dahin vertheilte ſich die ſchnell zerſtreute Menge. Ein Paar ums andre ſchmilzt in die verſchwiegnen Gaͤnge Vom großen Haufen weg, wie wann ein Fruͤhlingswind Die lauen Fluͤgel regt und ſein Geſchaͤft beginnt: Alsdann der lockre Schnee von ſchimmerreichen Hoͤhen Jn Thaͤler murmelnd ſchleicht, die Berge fleckigt ſtehen, Bis aller weiſſer Glanz allmaͤhlig ſich verliert, Und nur ein ſeltnes Gruͤn die nackten Gipfel ziert. Die weiſe Dorilis, die lauter Seele ſcheinet, Oft auf die Weltluſt ſchmaͤhlt und oft beym Cubach weinet, Vertrug den Ganymed, der manchmal kluͤglich ſchwur, Daß ein Geheimniß nie dem treuen Mund entfuhr. Sie

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Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/196>, abgerufen am 24.11.2024.