Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite
Lyrische Gedichte


Die fröhliche Dichtkunst.
Oschattigter Parnaß! ihr heiligen Gesträuche,
Wo oft um Mitternacht ich einsam wachend schlei-
che!
Nie hab ich klagend euch entweiht.
Nur Scherz mit heitrem Angesichte,
Nur Wein und freye Zärtlichkeit
Begeistern mich, gefällig, wenn ich dichte.
Wann mich ein Kummer drückt, so mag die Mu-
se schweigen,
Den Nachtigallen gleich, die auf begrünten Zweigen
Nur singen, wenn sie sich erfreun.
Welch ächter Priester froher Musen
Vermischt mit Thränen seinen Wein,
Und ächzet stets, auch an der Daphne Busen?
Einst lag ich sorgenvoll im Schatten finstrer Buchen,
Wo sich ein träger Bach, den Faunen bloß besuchen,
Durch einsames Gefilde wand.
Mein Saitenspiel vergaß der Schönen,
Und meine scherzgewohnte Hand
Verirrte sich zu trauervollen Tönen.
Bereits
Lyriſche Gedichte


Die froͤhliche Dichtkunſt.
Oſchattigter Parnaß! ihr heiligen Geſtraͤuche,
Wo oft um Mitternacht ich einſam wachend ſchlei-
che!
Nie hab ich klagend euch entweiht.
Nur Scherz mit heitrem Angeſichte,
Nur Wein und freye Zaͤrtlichkeit
Begeiſtern mich, gefaͤllig, wenn ich dichte.
Wann mich ein Kummer druͤckt, ſo mag die Mu-
ſe ſchweigen,
Den Nachtigallen gleich, die auf begruͤnten Zweigen
Nur ſingen, wenn ſie ſich erfreun.
Welch aͤchter Prieſter froher Muſen
Vermiſcht mit Thraͤnen ſeinen Wein,
Und aͤchzet ſtets, auch an der Daphne Buſen?
Einſt lag ich ſorgenvoll im Schatten finſtrer Buchen,
Wo ſich ein traͤger Bach, den Faunen bloß beſuchen,
Durch einſames Gefilde wand.
Mein Saitenſpiel vergaß der Schoͤnen,
Und meine ſcherzgewohnte Hand
Verirrte ſich zu trauervollen Toͤnen.
Bereits
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0126" n="112"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Lyri&#x017F;che Gedichte</hi> </fw><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Die fro&#x0364;hliche Dichtkun&#x017F;t.</hi> </head><lb/>
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">O</hi>&#x017F;chattigter Parnaß! ihr heiligen Ge&#x017F;tra&#x0364;uche,</l><lb/>
              <l>Wo oft um Mitternacht ich ein&#x017F;am wachend &#x017F;chlei-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">che!</hi> </l><lb/>
              <l>Nie hab ich klagend euch entweiht.</l><lb/>
              <l>Nur Scherz mit heitrem Ange&#x017F;ichte,</l><lb/>
              <l>Nur Wein und freye Za&#x0364;rtlichkeit</l><lb/>
              <l>Begei&#x017F;tern mich, gefa&#x0364;llig, wenn ich dichte.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l><hi rendition="#in">W</hi>ann mich ein Kummer dru&#x0364;ckt, &#x017F;o mag die Mu-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">&#x017F;e &#x017F;chweigen,</hi> </l><lb/>
              <l>Den Nachtigallen gleich, die auf begru&#x0364;nten Zweigen</l><lb/>
              <l>Nur &#x017F;ingen, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich erfreun.</l><lb/>
              <l>Welch a&#x0364;chter Prie&#x017F;ter froher Mu&#x017F;en</l><lb/>
              <l>Vermi&#x017F;cht mit Thra&#x0364;nen &#x017F;einen Wein,</l><lb/>
              <l>Und a&#x0364;chzet &#x017F;tets, auch an der Daphne Bu&#x017F;en?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l><hi rendition="#in">E</hi>in&#x017F;t lag ich &#x017F;orgenvoll im Schatten fin&#x017F;trer Buchen,</l><lb/>
              <l>Wo &#x017F;ich ein tra&#x0364;ger Bach, den Faunen bloß be&#x017F;uchen,</l><lb/>
              <l>Durch ein&#x017F;ames Gefilde wand.</l><lb/>
              <l>Mein Saiten&#x017F;piel vergaß der Scho&#x0364;nen,</l><lb/>
              <l>Und meine &#x017F;cherzgewohnte Hand</l><lb/>
              <l>Verirrte &#x017F;ich zu trauervollen To&#x0364;nen.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Bereits</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0126] Lyriſche Gedichte Die froͤhliche Dichtkunſt. Oſchattigter Parnaß! ihr heiligen Geſtraͤuche, Wo oft um Mitternacht ich einſam wachend ſchlei- che! Nie hab ich klagend euch entweiht. Nur Scherz mit heitrem Angeſichte, Nur Wein und freye Zaͤrtlichkeit Begeiſtern mich, gefaͤllig, wenn ich dichte. Wann mich ein Kummer druͤckt, ſo mag die Mu- ſe ſchweigen, Den Nachtigallen gleich, die auf begruͤnten Zweigen Nur ſingen, wenn ſie ſich erfreun. Welch aͤchter Prieſter froher Muſen Vermiſcht mit Thraͤnen ſeinen Wein, Und aͤchzet ſtets, auch an der Daphne Buſen? Einſt lag ich ſorgenvoll im Schatten finſtrer Buchen, Wo ſich ein traͤger Bach, den Faunen bloß beſuchen, Durch einſames Gefilde wand. Mein Saitenſpiel vergaß der Schoͤnen, Und meine ſcherzgewohnte Hand Verirrte ſich zu trauervollen Toͤnen. Bereits

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/126
Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/126>, abgerufen am 23.11.2024.