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Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

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Lyrische Gedichte
Jndeß die halbe Welt, vom sanften Schlaf umflogen,
Jn bleicher Dämmrung Stille träumt;
Hat jener, ungesäumt,
Schon Gelder angelegt, schon Zinsen abgezogen.
Wir leben niemals heut! wir schieben auf, zu le-
ben,
Bis einst ein günstiges Geschick
Uns ein geträumtes Glück
Nach Vorschrift unsers Plans und Eigensinns gegeben.
So stark herrscht überall der Thorheit alter Glaube,
Als könnten wir uns nicht erfreun,
Nicht weis' und glücklich seyn
Jn einem ieden Stand, im Purpur und im Staube!
Auf Bluhmen seh ich hier den armen Landmann lie-
gen,
Den ein gepachtet karges Feld
Nur kümmerlich erhält:
Um seine braune Stirn lacht ruhiges Vergnügen.
Er lebt, wann sein Tyrann, der ieden Tag bethränet,
Sich um das Leben selbst betrügt,
Und, immer unvergnügt,
Reich, aber hungrig stets, nach grösserm Reichthum gäh-
net.
Doch
Lyriſche Gedichte
Jndeß die halbe Welt, vom ſanften Schlaf umflogen,
Jn bleicher Daͤmmrung Stille traͤumt;
Hat jener, ungeſaͤumt,
Schon Gelder angelegt, ſchon Zinſen abgezogen.
Wir leben niemals heut! wir ſchieben auf, zu le-
ben,
Bis einſt ein guͤnſtiges Geſchick
Uns ein getraͤumtes Gluͤck
Nach Vorſchrift unſers Plans und Eigenſinns gegeben.
So ſtark herrſcht uͤberall der Thorheit alter Glaube,
Als koͤnnten wir uns nicht erfreun,
Nicht weiſ’ und gluͤcklich ſeyn
Jn einem ieden Stand, im Purpur und im Staube!
Auf Bluhmen ſeh ich hier den armen Landmann lie-
gen,
Den ein gepachtet karges Feld
Nur kuͤmmerlich erhaͤlt:
Um ſeine braune Stirn lacht ruhiges Vergnuͤgen.
Er lebt, wann ſein Tyrann, der ieden Tag bethraͤnet,
Sich um das Leben ſelbſt betruͤgt,
Und, immer unvergnuͤgt,
Reich, aber hungrig ſtets, nach groͤſſerm Reichthum gaͤh-
net.
Doch
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[90/0104] Lyriſche Gedichte Jndeß die halbe Welt, vom ſanften Schlaf umflogen, Jn bleicher Daͤmmrung Stille traͤumt; Hat jener, ungeſaͤumt, Schon Gelder angelegt, ſchon Zinſen abgezogen. Wir leben niemals heut! wir ſchieben auf, zu le- ben, Bis einſt ein guͤnſtiges Geſchick Uns ein getraͤumtes Gluͤck Nach Vorſchrift unſers Plans und Eigenſinns gegeben. So ſtark herrſcht uͤberall der Thorheit alter Glaube, Als koͤnnten wir uns nicht erfreun, Nicht weiſ’ und gluͤcklich ſeyn Jn einem ieden Stand, im Purpur und im Staube! Auf Bluhmen ſeh ich hier den armen Landmann lie- gen, Den ein gepachtet karges Feld Nur kuͤmmerlich erhaͤlt: Um ſeine braune Stirn lacht ruhiges Vergnuͤgen. Er lebt, wann ſein Tyrann, der ieden Tag bethraͤnet, Sich um das Leben ſelbſt betruͤgt, Und, immer unvergnuͤgt, Reich, aber hungrig ſtets, nach groͤſſerm Reichthum gaͤh- net. Doch

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Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/104>, abgerufen am 28.11.2024.