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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.

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besuchen wollen, ich Ihnen zeigen will, daß man im Stande ist,
allerdings auch Worte zu verstehen
."

Reis war sich aber auch der Bedeutung seiner Erfindung, die damals als
"Spielzeug" bezeichnet wurde, bewußt, wie aus einer Aeußerung erhellt, die er
Garnier gegenüber machte: "Daß er der Welt den Weg zu einer großen Erfin-
dung gezeigt habe, nun aber Anderen überlassen müsse, denselben zu verfolgen."
Im Jahre 1862 wies sogar Poggendorff eine ihm eingesandte Beschreibung
des Apparates für die Annalen zurück, da er die Uebertragung von Sprachlauten
durch Elektricität für eine "Mythe" hielt. Im Jahre 1864, nachdem das Telephon
bereits mehrfach in verschiedenen Versammlungen gezeigt worden war, ersuchte
Poggendorf um einen Bericht. Da antwortete aber der enttäuschte arme Schul-
lehrer: "Ich danke Ihnen recht sehr, Herr Professor, es ist zu spät. Jetzt will
ich ihn nicht mehr schicken. Mein Apparat wird auch ohne Beschreibung in den
Annalen bekannt werden."

Seiner Zeit weit vorausgeeilt, unverstanden und ungenügend unterstützt, voll-
endete ein Lungenleiden, was Kränkung und Entmuthigung begonnen hatten: im
Jahre 1873 warf sein Leiden den bedauernswerthen Erfinder auf das Kranken-
lager, nachdem er schon im Jahre 1871 die Sprache verloren hatte, sich aber
wieder scheinbar erholte und neuerdings seine Lehrthätigkeit aufnahm. Er starb am
14. Januar 1874 und ruht am Kirchhofe zu Friedrichsdorf, wo ihm vom physi-
kalischen Vereine in Frankfurt a. M. ein Denkmal gesetzt wurde.

Obgleich die Priorität des deutschen Erfinders Ph. Reis nicht bestritten
werden kann, darf doch keineswegs übersehen werden, daß das Reis'sche Telephon
noch mannigfache und sehr bedeutende Wandlungen durchmachen mußte, bis es
unter den Händen Graham Bell's jene Gestalt und Leistungsfähigkeit erhielt,
die seine ausgedehnte praktische Anwendung ermöglichten. An der Vervollkommnung
des Telephones arbeiteten S. Yeates (1865), Wright (1865), C. Varley (1877),
C
. und L. Wray (1876), E. Gray (1874), van der Weyde (1868), Pollard
und Garnier. So hat z. B. Yeates neben anderen Abänderungen des Reis'schen
Telephones auch die angegeben, zwischen dem Platinplättchen auf der Membrane
und dem Contactstifte einen Tropfen angesäuerten Wassers zu bringen. Hierdurch
wurden an Stelle der Stromöffnungen und Schließungen Stromschwankungen
gesetzt, weil jetzt bei Entfernung des Stiftes von dem Plättchen das angesäuerte
Wasser die Stromleitung übernimmt; statt der Unterbrechung erfolgt also nur die
Einschaltung eines größeren oder geringeren Widerstandes in den Stromkreis. Es
soll zwar Yeates gelungen sein, Worte ziemlich deutlich zu übertragen, doch wurden
die Versuche nicht weiter verfolgt. Van der Weyde änderte das Reis'sche Tele-
phon in nachstehender Weise ab. Der Eisenstab mit seiner Drahtspule wurde
gewissermaßen in der Mitte entzweigeschnitten, so daß also zwei gerade Elektro-
magnete entstanden, deren Axen in eine Linie fielen. Der Tonsender erhielt statt
der kubischen Form die eines Doppel-Schreibpultes; die eine geneigte Fläche ent-
hielt in einem kreisförmigen Ausschnitte die Membrane mit der Contactvorrichtung,
die zweite schiefe Fläche blieb unbedeckt. Hingegen war von der Zusammenstoßkante
der beiden geneigten Flächen gegen den Boden des Pultes eine Kautschukmembrane
gespannt. Wright und Varley construirten Telephone, welche auf dem elektrischen
Condensator beruhten.

Der singende Condensator, durch Pollard & Garnier in einfachere Form gebracht,
machte unter dem Namen "Das singende Buch" seinerzeit ziemlich großes Aufsehen.

56*

beſuchen wollen, ich Ihnen zeigen will, daß man im Stande iſt,
allerdings auch Worte zu verſtehen
.“

Reis war ſich aber auch der Bedeutung ſeiner Erfindung, die damals als
„Spielzeug“ bezeichnet wurde, bewußt, wie aus einer Aeußerung erhellt, die er
Garnier gegenüber machte: „Daß er der Welt den Weg zu einer großen Erfin-
dung gezeigt habe, nun aber Anderen überlaſſen müſſe, denſelben zu verfolgen.“
Im Jahre 1862 wies ſogar Poggendorff eine ihm eingeſandte Beſchreibung
des Apparates für die Annalen zurück, da er die Uebertragung von Sprachlauten
durch Elektricität für eine „Mythe“ hielt. Im Jahre 1864, nachdem das Telephon
bereits mehrfach in verſchiedenen Verſammlungen gezeigt worden war, erſuchte
Poggendorf um einen Bericht. Da antwortete aber der enttäuſchte arme Schul-
lehrer: „Ich danke Ihnen recht ſehr, Herr Profeſſor, es iſt zu ſpät. Jetzt will
ich ihn nicht mehr ſchicken. Mein Apparat wird auch ohne Beſchreibung in den
Annalen bekannt werden.“

Seiner Zeit weit vorausgeeilt, unverſtanden und ungenügend unterſtützt, voll-
endete ein Lungenleiden, was Kränkung und Entmuthigung begonnen hatten: im
Jahre 1873 warf ſein Leiden den bedauernswerthen Erfinder auf das Kranken-
lager, nachdem er ſchon im Jahre 1871 die Sprache verloren hatte, ſich aber
wieder ſcheinbar erholte und neuerdings ſeine Lehrthätigkeit aufnahm. Er ſtarb am
14. Januar 1874 und ruht am Kirchhofe zu Friedrichsdorf, wo ihm vom phyſi-
kaliſchen Vereine in Frankfurt a. M. ein Denkmal geſetzt wurde.

Obgleich die Priorität des deutſchen Erfinders Ph. Reis nicht beſtritten
werden kann, darf doch keineswegs überſehen werden, daß das Reis’ſche Telephon
noch mannigfache und ſehr bedeutende Wandlungen durchmachen mußte, bis es
unter den Händen Graham Bell’s jene Geſtalt und Leiſtungsfähigkeit erhielt,
die ſeine ausgedehnte praktiſche Anwendung ermöglichten. An der Vervollkommnung
des Telephones arbeiteten S. Yeates (1865), Wright (1865), C. Varley (1877),
C
. und L. Wray (1876), E. Gray (1874), van der Weyde (1868), Pollard
und Garnier. So hat z. B. Yeates neben anderen Abänderungen des Reis’ſchen
Telephones auch die angegeben, zwiſchen dem Platinplättchen auf der Membrane
und dem Contactſtifte einen Tropfen angeſäuerten Waſſers zu bringen. Hierdurch
wurden an Stelle der Stromöffnungen und Schließungen Stromſchwankungen
geſetzt, weil jetzt bei Entfernung des Stiftes von dem Plättchen das angeſäuerte
Waſſer die Stromleitung übernimmt; ſtatt der Unterbrechung erfolgt alſo nur die
Einſchaltung eines größeren oder geringeren Widerſtandes in den Stromkreis. Es
ſoll zwar Yeates gelungen ſein, Worte ziemlich deutlich zu übertragen, doch wurden
die Verſuche nicht weiter verfolgt. Van der Weyde änderte das Reis’ſche Tele-
phon in nachſtehender Weiſe ab. Der Eiſenſtab mit ſeiner Drahtſpule wurde
gewiſſermaßen in der Mitte entzweigeſchnitten, ſo daß alſo zwei gerade Elektro-
magnete entſtanden, deren Axen in eine Linie fielen. Der Tonſender erhielt ſtatt
der kubiſchen Form die eines Doppel-Schreibpultes; die eine geneigte Fläche ent-
hielt in einem kreisförmigen Ausſchnitte die Membrane mit der Contactvorrichtung,
die zweite ſchiefe Fläche blieb unbedeckt. Hingegen war von der Zuſammenſtoßkante
der beiden geneigten Flächen gegen den Boden des Pultes eine Kautſchukmembrane
geſpannt. Wright und Varley conſtruirten Telephone, welche auf dem elektriſchen
Condenſator beruhten.

Der ſingende Condenſator, durch Pollard & Garnier in einfachere Form gebracht,
machte unter dem Namen „Das ſingende Buch“ ſeinerzeit ziemlich großes Aufſehen.

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[883/0897] beſuchen wollen, ich Ihnen zeigen will, daß man im Stande iſt, allerdings auch Worte zu verſtehen.“ Reis war ſich aber auch der Bedeutung ſeiner Erfindung, die damals als „Spielzeug“ bezeichnet wurde, bewußt, wie aus einer Aeußerung erhellt, die er Garnier gegenüber machte: „Daß er der Welt den Weg zu einer großen Erfin- dung gezeigt habe, nun aber Anderen überlaſſen müſſe, denſelben zu verfolgen.“ Im Jahre 1862 wies ſogar Poggendorff eine ihm eingeſandte Beſchreibung des Apparates für die Annalen zurück, da er die Uebertragung von Sprachlauten durch Elektricität für eine „Mythe“ hielt. Im Jahre 1864, nachdem das Telephon bereits mehrfach in verſchiedenen Verſammlungen gezeigt worden war, erſuchte Poggendorf um einen Bericht. Da antwortete aber der enttäuſchte arme Schul- lehrer: „Ich danke Ihnen recht ſehr, Herr Profeſſor, es iſt zu ſpät. Jetzt will ich ihn nicht mehr ſchicken. Mein Apparat wird auch ohne Beſchreibung in den Annalen bekannt werden.“ Seiner Zeit weit vorausgeeilt, unverſtanden und ungenügend unterſtützt, voll- endete ein Lungenleiden, was Kränkung und Entmuthigung begonnen hatten: im Jahre 1873 warf ſein Leiden den bedauernswerthen Erfinder auf das Kranken- lager, nachdem er ſchon im Jahre 1871 die Sprache verloren hatte, ſich aber wieder ſcheinbar erholte und neuerdings ſeine Lehrthätigkeit aufnahm. Er ſtarb am 14. Januar 1874 und ruht am Kirchhofe zu Friedrichsdorf, wo ihm vom phyſi- kaliſchen Vereine in Frankfurt a. M. ein Denkmal geſetzt wurde. Obgleich die Priorität des deutſchen Erfinders Ph. Reis nicht beſtritten werden kann, darf doch keineswegs überſehen werden, daß das Reis’ſche Telephon noch mannigfache und ſehr bedeutende Wandlungen durchmachen mußte, bis es unter den Händen Graham Bell’s jene Geſtalt und Leiſtungsfähigkeit erhielt, die ſeine ausgedehnte praktiſche Anwendung ermöglichten. An der Vervollkommnung des Telephones arbeiteten S. Yeates (1865), Wright (1865), C. Varley (1877), C. und L. Wray (1876), E. Gray (1874), van der Weyde (1868), Pollard und Garnier. So hat z. B. Yeates neben anderen Abänderungen des Reis’ſchen Telephones auch die angegeben, zwiſchen dem Platinplättchen auf der Membrane und dem Contactſtifte einen Tropfen angeſäuerten Waſſers zu bringen. Hierdurch wurden an Stelle der Stromöffnungen und Schließungen Stromſchwankungen geſetzt, weil jetzt bei Entfernung des Stiftes von dem Plättchen das angeſäuerte Waſſer die Stromleitung übernimmt; ſtatt der Unterbrechung erfolgt alſo nur die Einſchaltung eines größeren oder geringeren Widerſtandes in den Stromkreis. Es ſoll zwar Yeates gelungen ſein, Worte ziemlich deutlich zu übertragen, doch wurden die Verſuche nicht weiter verfolgt. Van der Weyde änderte das Reis’ſche Tele- phon in nachſtehender Weiſe ab. Der Eiſenſtab mit ſeiner Drahtſpule wurde gewiſſermaßen in der Mitte entzweigeſchnitten, ſo daß alſo zwei gerade Elektro- magnete entſtanden, deren Axen in eine Linie fielen. Der Tonſender erhielt ſtatt der kubiſchen Form die eines Doppel-Schreibpultes; die eine geneigte Fläche ent- hielt in einem kreisförmigen Ausſchnitte die Membrane mit der Contactvorrichtung, die zweite ſchiefe Fläche blieb unbedeckt. Hingegen war von der Zuſammenſtoßkante der beiden geneigten Flächen gegen den Boden des Pultes eine Kautſchukmembrane geſpannt. Wright und Varley conſtruirten Telephone, welche auf dem elektriſchen Condenſator beruhten. Der ſingende Condenſator, durch Pollard & Garnier in einfachere Form gebracht, machte unter dem Namen „Das ſingende Buch“ ſeinerzeit ziemlich großes Aufſehen. 56*

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Zitationshilfe: Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 883. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/897>, abgerufen am 23.11.2024.