Breiten in der Art, daß ihr unteres Ende Nordmagnetismus, ihr oberes Ende Südmagnetismus zeigt. Der Südmagnetismus der nördlichen Erdhälfte zieht eben den Nordmagnetismus in der Eisenstange an und führt ihn in ihr unteres Ende, während er den Südmagnetismus der Stange in deren oberes Ende treibt. Wir sagten "der Südmagnetismus der nördlichen Erdhälfte"; die nördliche Erd- hälfte muß als südmagnetisch bezeichnet werden, da wir jenen Pol der Decli- nationsnadel Nordpol genannt haben, der nach Norden zeigt. Richtiger wäre es allerdings gewesen, vom Magnetismus der Erde auszugehen und jenen Magnetismus, welcher an der nördlichen Erdhälfte herrscht, nördlichen Magnetis- mus zu nennen und in Folge dessen den nach Norden zeigenden Pol der Decli- nationsnadel als Südpol zu bezeichnen. Da nun aber einmal das Umgekehrte gebräuchlich ist, so wollen wir auch fernerhin diese Bezeichnung beibehalten.
Es ist noch die Frage zu beantworten, ob bei Annäherung eines Magnetes an ein Eisenstück die vertheilende Einwirkung auf dessen Magnetismen immer
[Abbildung]
Fig. 20.
Magnetische Curven.
in derselben Art erfolgt, gleich- viel von welcher Beschaffenheit das Eisen auch sei. Hierüber ertheilen uns entsprechend an- gestellte Experimente folgenden Aufschluß: Im weichen Schmiede- eisen gelingt die Trennung beider in ihm vorhandenen Magnetis- men leicht und schnell; es wird durch Einwirkung eines Magnetes rasch selbst ein Magnet, verliert aber ebenso schnell und vollstän- dig wieder seinen Magnetismus, wenn der die Vertheilung bewir- kende Magnet entfernt wird; die getrennt gewesenen Magnetismen vereinigen sich eben rasch wieder miteinander. Man sagt, im Schmiedeeisen entsteht temporärer Magnetismus. Härteres Eisen oder Stahl wird schwieriger und langsamer zum Magnete. Sind aber einmal die beiden Magnetismen eines Stahlstückes voneinander getrennt, so werden sie sich nach Entfernung des ursprünglich wirkenden Magnetes nicht mehr so leicht wieder vereinigen, d. h. das Stahlstück bleibt auch nachher magnetisch oder ist permanent magnetisch. In früherer Zeit war man der Ansicht, daß jener Einwirkung eines Magnetes auf das Eisen, durch welche letzteres selbst magnetisch wird, eine besondere dem Eisen innewohnende Kraft entgegenwirke, und nannte diese Coercitivkraft. Man sagte deshalb, das Schmiedeeisen besitze eine geringe und der Stahl eine große Coercitivkraft.
Constitution der Magnete.
Während die magnetische Anziehung und Abstoßung durch Annahme zweier Fluida noch ganz gut erklärt werden konnten, ergab sich uns schon bei der In- fluenz die Unmöglichkeit dieser Annahme. Nun aber werden wir eine Thatsache
Breiten in der Art, daß ihr unteres Ende Nordmagnetismus, ihr oberes Ende Südmagnetismus zeigt. Der Südmagnetismus der nördlichen Erdhälfte zieht eben den Nordmagnetismus in der Eiſenſtange an und führt ihn in ihr unteres Ende, während er den Südmagnetismus der Stange in deren oberes Ende treibt. Wir ſagten „der Südmagnetismus der nördlichen Erdhälfte“; die nördliche Erd- hälfte muß als ſüdmagnetiſch bezeichnet werden, da wir jenen Pol der Decli- nationsnadel Nordpol genannt haben, der nach Norden zeigt. Richtiger wäre es allerdings geweſen, vom Magnetismus der Erde auszugehen und jenen Magnetismus, welcher an der nördlichen Erdhälfte herrſcht, nördlichen Magnetis- mus zu nennen und in Folge deſſen den nach Norden zeigenden Pol der Decli- nationsnadel als Südpol zu bezeichnen. Da nun aber einmal das Umgekehrte gebräuchlich iſt, ſo wollen wir auch fernerhin dieſe Bezeichnung beibehalten.
Es iſt noch die Frage zu beantworten, ob bei Annäherung eines Magnetes an ein Eiſenſtück die vertheilende Einwirkung auf deſſen Magnetismen immer
[Abbildung]
Fig. 20.
Magnetiſche Curven.
in derſelben Art erfolgt, gleich- viel von welcher Beſchaffenheit das Eiſen auch ſei. Hierüber ertheilen uns entſprechend an- geſtellte Experimente folgenden Aufſchluß: Im weichen Schmiede- eiſen gelingt die Trennung beider in ihm vorhandenen Magnetis- men leicht und ſchnell; es wird durch Einwirkung eines Magnetes raſch ſelbſt ein Magnet, verliert aber ebenſo ſchnell und vollſtän- dig wieder ſeinen Magnetismus, wenn der die Vertheilung bewir- kende Magnet entfernt wird; die getrennt geweſenen Magnetismen vereinigen ſich eben raſch wieder miteinander. Man ſagt, im Schmiedeeiſen entſteht temporärer Magnetismus. Härteres Eiſen oder Stahl wird ſchwieriger und langſamer zum Magnete. Sind aber einmal die beiden Magnetismen eines Stahlſtückes voneinander getrennt, ſo werden ſie ſich nach Entfernung des urſprünglich wirkenden Magnetes nicht mehr ſo leicht wieder vereinigen, d. h. das Stahlſtück bleibt auch nachher magnetiſch oder iſt permanent magnetiſch. In früherer Zeit war man der Anſicht, daß jener Einwirkung eines Magnetes auf das Eiſen, durch welche letzteres ſelbſt magnetiſch wird, eine beſondere dem Eiſen innewohnende Kraft entgegenwirke, und nannte dieſe Coërcitivkraft. Man ſagte deshalb, das Schmiedeeiſen beſitze eine geringe und der Stahl eine große Coërcitivkraft.
Conſtitution der Magnete.
Während die magnetiſche Anziehung und Abſtoßung durch Annahme zweier Fluida noch ganz gut erklärt werden konnten, ergab ſich uns ſchon bei der In- fluenz die Unmöglichkeit dieſer Annahme. Nun aber werden wir eine Thatſache
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Breiten in der Art, daß ihr unteres Ende Nordmagnetismus, ihr oberes Ende
Südmagnetismus zeigt. Der Südmagnetismus der nördlichen Erdhälfte zieht eben
den Nordmagnetismus in der Eiſenſtange an und führt ihn in ihr unteres Ende,
während er den Südmagnetismus der Stange in deren oberes Ende treibt. Wir
ſagten „der Südmagnetismus der nördlichen Erdhälfte“; die nördliche Erd-
hälfte muß als ſüdmagnetiſch bezeichnet werden, da wir jenen Pol der Decli-
nationsnadel Nordpol genannt haben, der nach Norden zeigt. Richtiger wäre
es allerdings geweſen, vom Magnetismus der Erde auszugehen und jenen
Magnetismus, welcher an der nördlichen Erdhälfte herrſcht, nördlichen Magnetis-
mus zu nennen und in Folge deſſen den nach Norden zeigenden Pol der Decli-
nationsnadel als Südpol zu bezeichnen. Da nun aber einmal das Umgekehrte
gebräuchlich iſt, ſo wollen wir auch fernerhin dieſe Bezeichnung beibehalten.
Es iſt noch die Frage zu beantworten, ob bei Annäherung eines Magnetes
an ein Eiſenſtück die vertheilende Einwirkung auf deſſen Magnetismen immer
[Abbildung Fig. 20.
Magnetiſche Curven.]
in derſelben Art erfolgt, gleich-
viel von welcher Beſchaffenheit
das Eiſen auch ſei. Hierüber
ertheilen uns entſprechend an-
geſtellte Experimente folgenden
Aufſchluß: Im weichen Schmiede-
eiſen gelingt die Trennung beider
in ihm vorhandenen Magnetis-
men leicht und ſchnell; es wird
durch Einwirkung eines Magnetes
raſch ſelbſt ein Magnet, verliert
aber ebenſo ſchnell und vollſtän-
dig wieder ſeinen Magnetismus,
wenn der die Vertheilung bewir-
kende Magnet entfernt wird; die
getrennt geweſenen Magnetismen
vereinigen ſich eben raſch wieder
miteinander. Man ſagt, im Schmiedeeiſen entſteht temporärer Magnetismus.
Härteres Eiſen oder Stahl wird ſchwieriger und langſamer zum Magnete. Sind
aber einmal die beiden Magnetismen eines Stahlſtückes voneinander getrennt, ſo
werden ſie ſich nach Entfernung des urſprünglich wirkenden Magnetes nicht mehr
ſo leicht wieder vereinigen, d. h. das Stahlſtück bleibt auch nachher magnetiſch
oder iſt permanent magnetiſch. In früherer Zeit war man der Anſicht, daß
jener Einwirkung eines Magnetes auf das Eiſen, durch welche letzteres ſelbſt
magnetiſch wird, eine beſondere dem Eiſen innewohnende Kraft entgegenwirke, und
nannte dieſe Coërcitivkraft. Man ſagte deshalb, das Schmiedeeiſen beſitze eine
geringe und der Stahl eine große Coërcitivkraft.
Conſtitution der Magnete.
Während die magnetiſche Anziehung und Abſtoßung durch Annahme zweier
Fluida noch ganz gut erklärt werden konnten, ergab ſich uns ſchon bei der In-
fluenz die Unmöglichkeit dieſer Annahme. Nun aber werden wir eine Thatſache
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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/58>, abgerufen am 23.11.2024.
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