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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.

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2 Millimeter Druck verdünnt ist. Beträgt der Druck des eingeschlossenen Gases jedoch
nur mehr Bruchtheile von Millimetern, dann treten Erscheinungen anderer Art auf,
welche Crookes veranlaßten, für die leuchtende Materie in diesen Röhren einen
vierten, gewissermaßen übergasigen Aggregatzustand anzunehmen, den er mit dem
Namen strahlende Materie belegte. Crookes begnügte sich jedoch nicht damit,
zur Erklärung der diesbezüglichen Experimente einen neuen Aggregatzustand an-
zunehmen, sondern glaubte überdies noch hierin den Uebergang von Stoff in Kraft
erblicken zu müssen. Obwohl die Experimente von Crookes nicht neue, sondern
blos in elegante Formen gebrachte, bereits bekannte (oder doch wenigstens in wissen-
schaftlichen Zeitschriften veröffentlichte) waren, erregten sie doch durch die neue, in
das "Schattenreich zwischen dem Bekannten und Unbekannten" hineinspielende Aus-
legung bedeutendes Aufsehen.

Es ist glücklicherweise mehreren Forschern in kurzer Zeit gelungen, durch
exact durchgeführte Experimente und in nüchterner Art daraus gezogene Schlüsse
den allzu kühnen Flug der Phantasie zu hemmen. Um daher fernerhin auch nicht
mehr durch den Namen, mit welchem diese Erscheinungen belegt wurden, irregeführt
zu werden, wollen wir künftighin die von J. Puluj vorgeschlagene Bezeichnung
strahlende Elektrodenmaterie*) annehmen.

Wir haben die Entwicklung der Lichterscheinungen in Geißler'schen Röhren
bis zu jenem Stadium verfolgt, in welchem das positive Büschellicht, beziehungs-
weise die Schichten und das negative Glimmlicht kräftig entwickelt sind. Diese
Erscheinung bietet eine Röhre noch dar, wenn der Druck des eingeschlossenen Gases
0·8 bis etwa 0·5 Millimeter (Quecksilbersäule) beträgt. Wird die Verdünnung
des Gases unter 1/2 Millimeter fortgesetzt, so vermindert sich im Büschellicht
die Zahl der Schichten immer mehr, sie gehen dann in einige wenige häufig un-
regelmäßig geformte Ballen über, die stabil auf ihrem Platze beharren und bei
immer weiter getriebener Verdünnung endlich ganz verschwinden. Das Glimmlicht
dehnt sich gleichzeitig immer weiter aus und die dunkle Hülle um die negative
Elektrode herum nimmt an Größe fortwährend zu. Sie erreicht endlich die Wand
der Glasröhre und nun erscheint das Glimmlicht durch einen dunklen Raum von
der Kathode förmlich getrennt und erfüllt den ganzen übrigen Raum der Röhre.
Das gesammte Licht in der Röhre ist bedeutend lichtschwächer geworden, wogegen
meist an den Glaswänden lebhaftes Phosphorescenzlicht entwickelt wird.

Dieser an der Kathode gebildete zweite dunkle Raum ist gewöhnlich scharf
abgegrenzt; er war schon Hittorf bekannt und wurde auch von diesem Forscher
bereits beschrieben.

Betrachtet man eine Röhre, durch die einige Zeit Inductionsströme hindurch-
gegangen sind, so bemerkt man an deren Innenwänden Metallspiegel, die nament-
lich in der unmittelbaren Umgebung der Kathode gut ausgebildet sind. Es be-
wirken dies von der Elektrode übergeführte Theilchen, die übrigens mehr oder
weniger deutlich so weit sichtbar sind, als sich das Glimmlicht erstreckte. Die
Metalltheilchen werden von der Elektrode abgerissen und mit sehr bedeutender
Geschwindigkeit von derselben in normalen Richtungen fortgeschleudert. Sie sind
mit statischer negativer Elektricität geladen und vermitteln durch dieses convective
Mitführen der Elektricität die Stromleitung. Da jede Röhre, auch wenn sie noch

*) Strahlende Elektrodenmaterie und der sogenannte vierte Aggregatzustand von Dr.
J. Puluj, Wien, Gerold's Sohn, 1883. Dieser höchst interessanten Publication sind auch nach-
stehende Mittheilungen zum Theile entnommen.

2 Millimeter Druck verdünnt iſt. Beträgt der Druck des eingeſchloſſenen Gaſes jedoch
nur mehr Bruchtheile von Millimetern, dann treten Erſcheinungen anderer Art auf,
welche Crookes veranlaßten, für die leuchtende Materie in dieſen Röhren einen
vierten, gewiſſermaßen übergaſigen Aggregatzuſtand anzunehmen, den er mit dem
Namen ſtrahlende Materie belegte. Crookes begnügte ſich jedoch nicht damit,
zur Erklärung der diesbezüglichen Experimente einen neuen Aggregatzuſtand an-
zunehmen, ſondern glaubte überdies noch hierin den Uebergang von Stoff in Kraft
erblicken zu müſſen. Obwohl die Experimente von Crookes nicht neue, ſondern
blos in elegante Formen gebrachte, bereits bekannte (oder doch wenigſtens in wiſſen-
ſchaftlichen Zeitſchriften veröffentlichte) waren, erregten ſie doch durch die neue, in
das „Schattenreich zwiſchen dem Bekannten und Unbekannten“ hineinſpielende Aus-
legung bedeutendes Aufſehen.

Es iſt glücklicherweiſe mehreren Forſchern in kurzer Zeit gelungen, durch
exact durchgeführte Experimente und in nüchterner Art daraus gezogene Schlüſſe
den allzu kühnen Flug der Phantaſie zu hemmen. Um daher fernerhin auch nicht
mehr durch den Namen, mit welchem dieſe Erſcheinungen belegt wurden, irregeführt
zu werden, wollen wir künftighin die von J. Puluj vorgeſchlagene Bezeichnung
ſtrahlende Elektrodenmaterie*) annehmen.

Wir haben die Entwicklung der Lichterſcheinungen in Geißler’ſchen Röhren
bis zu jenem Stadium verfolgt, in welchem das poſitive Büſchellicht, beziehungs-
weiſe die Schichten und das negative Glimmlicht kräftig entwickelt ſind. Dieſe
Erſcheinung bietet eine Röhre noch dar, wenn der Druck des eingeſchloſſenen Gaſes
0·8 bis etwa 0·5 Millimeter (Queckſilberſäule) beträgt. Wird die Verdünnung
des Gaſes unter ½ Millimeter fortgeſetzt, ſo vermindert ſich im Büſchellicht
die Zahl der Schichten immer mehr, ſie gehen dann in einige wenige häufig un-
regelmäßig geformte Ballen über, die ſtabil auf ihrem Platze beharren und bei
immer weiter getriebener Verdünnung endlich ganz verſchwinden. Das Glimmlicht
dehnt ſich gleichzeitig immer weiter aus und die dunkle Hülle um die negative
Elektrode herum nimmt an Größe fortwährend zu. Sie erreicht endlich die Wand
der Glasröhre und nun erſcheint das Glimmlicht durch einen dunklen Raum von
der Kathode förmlich getrennt und erfüllt den ganzen übrigen Raum der Röhre.
Das geſammte Licht in der Röhre iſt bedeutend lichtſchwächer geworden, wogegen
meiſt an den Glaswänden lebhaftes Phosphoreſcenzlicht entwickelt wird.

Dieſer an der Kathode gebildete zweite dunkle Raum iſt gewöhnlich ſcharf
abgegrenzt; er war ſchon Hittorf bekannt und wurde auch von dieſem Forſcher
bereits beſchrieben.

Betrachtet man eine Röhre, durch die einige Zeit Inductionsſtröme hindurch-
gegangen ſind, ſo bemerkt man an deren Innenwänden Metallſpiegel, die nament-
lich in der unmittelbaren Umgebung der Kathode gut ausgebildet ſind. Es be-
wirken dies von der Elektrode übergeführte Theilchen, die übrigens mehr oder
weniger deutlich ſo weit ſichtbar ſind, als ſich das Glimmlicht erſtreckte. Die
Metalltheilchen werden von der Elektrode abgeriſſen und mit ſehr bedeutender
Geſchwindigkeit von derſelben in normalen Richtungen fortgeſchleudert. Sie ſind
mit ſtatiſcher negativer Elektricität geladen und vermitteln durch dieſes convective
Mitführen der Elektricität die Stromleitung. Da jede Röhre, auch wenn ſie noch

*) Strahlende Elektrodenmaterie und der ſogenannte vierte Aggregatzuſtand von Dr.
J. Puluj, Wien, Gerold’s Sohn, 1883. Dieſer höchſt intereſſanten Publication ſind auch nach-
ſtehende Mittheilungen zum Theile entnommen.
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[317/0331] 2 Millimeter Druck verdünnt iſt. Beträgt der Druck des eingeſchloſſenen Gaſes jedoch nur mehr Bruchtheile von Millimetern, dann treten Erſcheinungen anderer Art auf, welche Crookes veranlaßten, für die leuchtende Materie in dieſen Röhren einen vierten, gewiſſermaßen übergaſigen Aggregatzuſtand anzunehmen, den er mit dem Namen ſtrahlende Materie belegte. Crookes begnügte ſich jedoch nicht damit, zur Erklärung der diesbezüglichen Experimente einen neuen Aggregatzuſtand an- zunehmen, ſondern glaubte überdies noch hierin den Uebergang von Stoff in Kraft erblicken zu müſſen. Obwohl die Experimente von Crookes nicht neue, ſondern blos in elegante Formen gebrachte, bereits bekannte (oder doch wenigſtens in wiſſen- ſchaftlichen Zeitſchriften veröffentlichte) waren, erregten ſie doch durch die neue, in das „Schattenreich zwiſchen dem Bekannten und Unbekannten“ hineinſpielende Aus- legung bedeutendes Aufſehen. Es iſt glücklicherweiſe mehreren Forſchern in kurzer Zeit gelungen, durch exact durchgeführte Experimente und in nüchterner Art daraus gezogene Schlüſſe den allzu kühnen Flug der Phantaſie zu hemmen. Um daher fernerhin auch nicht mehr durch den Namen, mit welchem dieſe Erſcheinungen belegt wurden, irregeführt zu werden, wollen wir künftighin die von J. Puluj vorgeſchlagene Bezeichnung ſtrahlende Elektrodenmaterie *) annehmen. Wir haben die Entwicklung der Lichterſcheinungen in Geißler’ſchen Röhren bis zu jenem Stadium verfolgt, in welchem das poſitive Büſchellicht, beziehungs- weiſe die Schichten und das negative Glimmlicht kräftig entwickelt ſind. Dieſe Erſcheinung bietet eine Röhre noch dar, wenn der Druck des eingeſchloſſenen Gaſes 0·8 bis etwa 0·5 Millimeter (Queckſilberſäule) beträgt. Wird die Verdünnung des Gaſes unter ½ Millimeter fortgeſetzt, ſo vermindert ſich im Büſchellicht die Zahl der Schichten immer mehr, ſie gehen dann in einige wenige häufig un- regelmäßig geformte Ballen über, die ſtabil auf ihrem Platze beharren und bei immer weiter getriebener Verdünnung endlich ganz verſchwinden. Das Glimmlicht dehnt ſich gleichzeitig immer weiter aus und die dunkle Hülle um die negative Elektrode herum nimmt an Größe fortwährend zu. Sie erreicht endlich die Wand der Glasröhre und nun erſcheint das Glimmlicht durch einen dunklen Raum von der Kathode förmlich getrennt und erfüllt den ganzen übrigen Raum der Röhre. Das geſammte Licht in der Röhre iſt bedeutend lichtſchwächer geworden, wogegen meiſt an den Glaswänden lebhaftes Phosphoreſcenzlicht entwickelt wird. Dieſer an der Kathode gebildete zweite dunkle Raum iſt gewöhnlich ſcharf abgegrenzt; er war ſchon Hittorf bekannt und wurde auch von dieſem Forſcher bereits beſchrieben. Betrachtet man eine Röhre, durch die einige Zeit Inductionsſtröme hindurch- gegangen ſind, ſo bemerkt man an deren Innenwänden Metallſpiegel, die nament- lich in der unmittelbaren Umgebung der Kathode gut ausgebildet ſind. Es be- wirken dies von der Elektrode übergeführte Theilchen, die übrigens mehr oder weniger deutlich ſo weit ſichtbar ſind, als ſich das Glimmlicht erſtreckte. Die Metalltheilchen werden von der Elektrode abgeriſſen und mit ſehr bedeutender Geſchwindigkeit von derſelben in normalen Richtungen fortgeſchleudert. Sie ſind mit ſtatiſcher negativer Elektricität geladen und vermitteln durch dieſes convective Mitführen der Elektricität die Stromleitung. Da jede Röhre, auch wenn ſie noch *) Strahlende Elektrodenmaterie und der ſogenannte vierte Aggregatzuſtand von Dr. J. Puluj, Wien, Gerold’s Sohn, 1883. Dieſer höchſt intereſſanten Publication ſind auch nach- ſtehende Mittheilungen zum Theile entnommen.

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Zitationshilfe: Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/331>, abgerufen am 24.11.2024.