müssen, weil sie so unzertrennlich mit einander verbunden sind. Lassen sie es aber wol hier- bey bewenden? Keinesweges. Sie führen sich als wahre Philosophen auf, welche von allen Sachen den Grund zu wissen verlangen. Zu dem Ende untersuchen sie die eigentliche Beschaffenheit des Lichts, und nach diesem wen- den sie sich zur Sonne. Sie sehen ein, daß es aus der Natur der Sonne wol zu begreiffen sey, daß sie das Licht würcken könne. Sie bemercken, daß das Licht so beschaffen sey, daß es dem Wesen der Sonne zukommen könne. Sie verbinden dieses mit dem Schlusse: wenn A ist und B ist auch, wenn A nicht ist und B auch nicht, und dieses allemal; so ist höchst wahrscheinlich, daß eins die Ursach von dem andern sey. Nun gilt alles dieses von der Sonne und dem Lichte: also ist die Sache oh- nedem wahrscheinlich. Durch die Verbindung dieser Observationen und Schlüsse unter einan- der, verwandelt sich ihre Muthmassung in Ge- wißheit und Ueberzeugung. Sie glauben so gewiß, daß die Sonne das Licht würcke; so gewiß sie glauben, daß sie selbst sind. Hinge- gen warum kan sich kein Mensch überreden, daß die Nachtzeit in Halle die Ursach von der Dunckelheit in Leipzig sey? Hier hat man ia doch eben den Grad der Wahrscheinlichkeit, als bey der Sonne und dem Lichte? Wir be- trachten die Beschaffenheit von Halle und die Beschaffenheit von Leipzig. Wir befragen
uns
muͤſſen, weil ſie ſo unzertrennlich mit einander verbunden ſind. Laſſen ſie es aber wol hier- bey bewenden? Keinesweges. Sie fuͤhren ſich als wahre Philoſophen auf, welche von allen Sachen den Grund zu wiſſen verlangen. Zu dem Ende unterſuchen ſie die eigentliche Beſchaffenheit des Lichts, und nach dieſem wen- den ſie ſich zur Sonne. Sie ſehen ein, daß es aus der Natur der Sonne wol zu begreiffen ſey, daß ſie das Licht wuͤrcken koͤnne. Sie bemercken, daß das Licht ſo beſchaffen ſey, daß es dem Weſen der Sonne zukommen koͤnne. Sie verbinden dieſes mit dem Schluſſe: wenn A iſt und B iſt auch, wenn A nicht iſt und B auch nicht, und dieſes allemal; ſo iſt hoͤchſt wahrſcheinlich, daß eins die Urſach von dem andern ſey. Nun gilt alles dieſes von der Sonne und dem Lichte: alſo iſt die Sache oh- nedem wahrſcheinlich. Durch die Verbindung dieſer Obſervationen und Schluͤſſe unter einan- der, verwandelt ſich ihre Muthmaſſung in Ge- wißheit und Ueberzeugung. Sie glauben ſo gewiß, daß die Sonne das Licht wuͤrcke; ſo gewiß ſie glauben, daß ſie ſelbſt ſind. Hinge- gen warum kan ſich kein Menſch uͤberreden, daß die Nachtzeit in Halle die Urſach von der Dunckelheit in Leipzig ſey? Hier hat man ia doch eben den Grad der Wahrſcheinlichkeit, als bey der Sonne und dem Lichte? Wir be- trachten die Beſchaffenheit von Halle und die Beſchaffenheit von Leipzig. Wir befragen
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[52/0082]
muͤſſen, weil ſie ſo unzertrennlich mit einander
verbunden ſind. Laſſen ſie es aber wol hier-
bey bewenden? Keinesweges. Sie fuͤhren
ſich als wahre Philoſophen auf, welche von
allen Sachen den Grund zu wiſſen verlangen.
Zu dem Ende unterſuchen ſie die eigentliche
Beſchaffenheit des Lichts, und nach dieſem wen-
den ſie ſich zur Sonne. Sie ſehen ein, daß
es aus der Natur der Sonne wol zu begreiffen
ſey, daß ſie das Licht wuͤrcken koͤnne. Sie
bemercken, daß das Licht ſo beſchaffen ſey, daß
es dem Weſen der Sonne zukommen koͤnne.
Sie verbinden dieſes mit dem Schluſſe: wenn
A iſt und B iſt auch, wenn A nicht iſt und B
auch nicht, und dieſes allemal; ſo iſt hoͤchſt
wahrſcheinlich, daß eins die Urſach von dem
andern ſey. Nun gilt alles dieſes von der
Sonne und dem Lichte: alſo iſt die Sache oh-
nedem wahrſcheinlich. Durch die Verbindung
dieſer Obſervationen und Schluͤſſe unter einan-
der, verwandelt ſich ihre Muthmaſſung in Ge-
wißheit und Ueberzeugung. Sie glauben ſo
gewiß, daß die Sonne das Licht wuͤrcke; ſo
gewiß ſie glauben, daß ſie ſelbſt ſind. Hinge-
gen warum kan ſich kein Menſch uͤberreden,
daß die Nachtzeit in Halle die Urſach von der
Dunckelheit in Leipzig ſey? Hier hat man ia
doch eben den Grad der Wahrſcheinlichkeit,
als bey der Sonne und dem Lichte? Wir be-
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/82>, abgerufen am 03.07.2024.
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