zu sich nähme, ohnerachtet der Körper dieses nicht würcklich thäte. Jch hoffe man werde hiewieder nichts einzuwenden haben, wenn man bedencket, was diese Meinung zum Vor- aus setze. Gesetzt, der Körper ässe würcklich: so hätte meine Sele eine Vorstellung eines ihr gegenwärtigen Dinges, ausser ihr, das ist, sie hätte eine Empfindung. Wie ich gleich ietzo gesagt habe, wäre es möglich, daß die Sele eben diese Vorstellung auch haben könte, wenn der Körper auch nichts genösse. Also wäre es nach dieser Meinung auch möglich, daß die Sele eine Empfindung hätte, ohne daß etwas ausser ihr vorhanden wäre, das ihr gegenwär- tig ist. Das ist, es wäre möglich daß unsre Sele eine Empfindung hätte, ohnerachtet sie nichts empfände. Mir deucht dieser Satz klingt eben nicht philosophisch. Allein nach meiner Schlußkunst glaube ich doch eben keinen solchen Fehler hierbey gemacht zu haben, der die gantze Sache umstossen solte. Wer kan mir es also verdencken, daß ich dieser Meinung bis auf die Auflösung dieses Zweifels meinen Bey- fall versage? Es würde aus dieser Meinung noch ein Satz folgen, welcher eben so wenig philosophisch ist, als der vorige. Wenn sich unsre Sele von denen Dingen, die sich ausser ihr befinden, durch ihre eigene Kraft eine so leb- hafte Vorstellung machen könte, wenn sie auch nicht würcklich wären, als sie davon hat, indem sie würcklich sind; so schiene es als hätte GOtt
etwas
E
zu ſich naͤhme, ohnerachtet der Koͤrper dieſes nicht wuͤrcklich thaͤte. Jch hoffe man werde hiewieder nichts einzuwenden haben, wenn man bedencket, was dieſe Meinung zum Vor- aus ſetze. Geſetzt, der Koͤrper aͤſſe wuͤrcklich: ſo haͤtte meine Sele eine Vorſtellung eines ihr gegenwaͤrtigen Dinges, auſſer ihr, das iſt, ſie haͤtte eine Empfindung. Wie ich gleich ietzo geſagt habe, waͤre es moͤglich, daß die Sele eben dieſe Vorſtellung auch haben koͤnte, wenn der Koͤrper auch nichts genoͤſſe. Alſo waͤre es nach dieſer Meinung auch moͤglich, daß die Sele eine Empfindung haͤtte, ohne daß etwas auſſer ihr vorhanden waͤre, das ihr gegenwaͤr- tig iſt. Das iſt, es waͤre moͤglich daß unſre Sele eine Empfindung haͤtte, ohnerachtet ſie nichts empfaͤnde. Mir deucht dieſer Satz klingt eben nicht philoſophiſch. Allein nach meiner Schlußkunſt glaube ich doch eben keinen ſolchen Fehler hierbey gemacht zu haben, der die gantze Sache umſtoſſen ſolte. Wer kan mir es alſo verdencken, daß ich dieſer Meinung bis auf die Aufloͤſung dieſes Zweifels meinen Bey- fall verſage? Es wuͤrde aus dieſer Meinung noch ein Satz folgen, welcher eben ſo wenig philoſophiſch iſt, als der vorige. Wenn ſich unſre Sele von denen Dingen, die ſich auſſer ihr befinden, durch ihre eigene Kraft eine ſo leb- hafte Vorſtellung machen koͤnte, wenn ſie auch nicht wuͤrcklich waͤren, als ſie davon hat, indem ſie wuͤrcklich ſind; ſo ſchiene es als haͤtte GOtt
etwas
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zu ſich naͤhme, ohnerachtet der Koͤrper dieſes
nicht wuͤrcklich thaͤte. Jch hoffe man werde
hiewieder nichts einzuwenden haben, wenn
man bedencket, was dieſe Meinung zum Vor-
aus ſetze. Geſetzt, der Koͤrper aͤſſe wuͤrcklich:
ſo haͤtte meine Sele eine Vorſtellung eines ihr
gegenwaͤrtigen Dinges, auſſer ihr, das iſt, ſie
haͤtte eine Empfindung. Wie ich gleich ietzo
geſagt habe, waͤre es moͤglich, daß die Sele
eben dieſe Vorſtellung auch haben koͤnte, wenn
der Koͤrper auch nichts genoͤſſe. Alſo waͤre es
nach dieſer Meinung auch moͤglich, daß die
Sele eine Empfindung haͤtte, ohne daß etwas
auſſer ihr vorhanden waͤre, das ihr gegenwaͤr-
tig iſt. Das iſt, es waͤre moͤglich daß unſre
Sele eine Empfindung haͤtte, ohnerachtet ſie
nichts empfaͤnde. Mir deucht dieſer Satz
klingt eben nicht philoſophiſch. Allein nach
meiner Schlußkunſt glaube ich doch eben keinen
ſolchen Fehler hierbey gemacht zu haben, der die
gantze Sache umſtoſſen ſolte. Wer kan mir
es alſo verdencken, daß ich dieſer Meinung bis
auf die Aufloͤſung dieſes Zweifels meinen Bey-
fall verſage? Es wuͤrde aus dieſer Meinung
noch ein Satz folgen, welcher eben ſo wenig
philoſophiſch iſt, als der vorige. Wenn ſich
unſre Sele von denen Dingen, die ſich auſſer
ihr befinden, durch ihre eigene Kraft eine ſo leb-
hafte Vorſtellung machen koͤnte, wenn ſie auch
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/69>, abgerufen am 17.07.2024.
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