das geringste beygetragen. Wiederum: wenn meine Sele die Vorstellung hat, daß sie ässe, so ist diese gantz allein durch die Kraft der Sele gewürckt worden, und der Genuß der Speisen beym Körper enthält gar keinen Grund dieser Vorstellung in sich. Wir wollen das letztre Exempel zuerst nehmen, und ich will darüber meine Gedancken eröfnen. Wenn man be- hauptet, die Sele müsse eben die Vorstellung, welche sie ietzo hat, gantz allein ihrer eignen Kraft dancken, und der Körper trage gar nichts darzu bey; so wird hoffentlich folgen; daß die Kraft der Sele allein hinreiche diese Vorstel- lung bey ihr hervorzubringen. Wenn dem also ist, so kan die Vorstellung in der Sele er- folgen, der Körper mag sich verändern wie er nur kan. Lasset uns sehen, was hieraus folge. Wenn wir etwas empfinden; so haben wir ei- ne Vorstellung eines uns gegenwärtigen Din- ges, das ist, eines Dinges, welches in uns würcket, und ausser uns befindlich ist. Zum Exempel, damit ich das vorige beybehalte; wenn wir essen; so hat die Sele eine Vor- stellung eines ihr gegenwärtigen Dinges, nem- lich des Essens, welches ausser ihr befindlich ist. Nach der Meinung, welche ich ietzo zu untersu- chen gedencke, wäre die Kraft der Sele selbst hinreichend diese Vorstellung in ihr zu würcken. Folglich wäre es möglich, daß die Sele die Vorstellung hätte, daß ein Körper, den sie sich unter allen am meisten vorstellt ein Stück Brod
zu
das geringſte beygetragen. Wiederum: wenn meine Sele die Vorſtellung hat, daß ſie aͤſſe, ſo iſt dieſe gantz allein durch die Kraft der Sele gewuͤrckt worden, und der Genuß der Speiſen beym Koͤrper enthaͤlt gar keinen Grund dieſer Vorſtellung in ſich. Wir wollen das letztre Exempel zuerſt nehmen, und ich will daruͤber meine Gedancken eroͤfnen. Wenn man be- hauptet, die Sele muͤſſe eben die Vorſtellung, welche ſie ietzo hat, gantz allein ihrer eignen Kraft dancken, und der Koͤrper trage gar nichts darzu bey; ſo wird hoffentlich folgen; daß die Kraft der Sele allein hinreiche dieſe Vorſtel- lung bey ihr hervorzubringen. Wenn dem alſo iſt, ſo kan die Vorſtellung in der Sele er- folgen, der Koͤrper mag ſich veraͤndern wie er nur kan. Laſſet uns ſehen, was hieraus folge. Wenn wir etwas empfinden; ſo haben wir ei- ne Vorſtellung eines uns gegenwaͤrtigen Din- ges, das iſt, eines Dinges, welches in uns wuͤrcket, und auſſer uns befindlich iſt. Zum Exempel, damit ich das vorige beybehalte; wenn wir eſſen; ſo hat die Sele eine Vor- ſtellung eines ihr gegenwaͤrtigen Dinges, nem- lich des Eſſens, welches auſſer ihr befindlich iſt. Nach der Meinung, welche ich ietzo zu unterſu- chen gedencke, waͤre die Kraft der Sele ſelbſt hinreichend dieſe Vorſtellung in ihr zu wuͤrcken. Folglich waͤre es moͤglich, daß die Sele die Vorſtellung haͤtte, daß ein Koͤrper, den ſie ſich unter allen am meiſten vorſtellt ein Stuͤck Brod
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das geringſte beygetragen. Wiederum: wenn
meine Sele die Vorſtellung hat, daß ſie aͤſſe,
ſo iſt dieſe gantz allein durch die Kraft der Sele
gewuͤrckt worden, und der Genuß der Speiſen
beym Koͤrper enthaͤlt gar keinen Grund dieſer
Vorſtellung in ſich. Wir wollen das letztre
Exempel zuerſt nehmen, und ich will daruͤber
meine Gedancken eroͤfnen. Wenn man be-
hauptet, die Sele muͤſſe eben die Vorſtellung,
welche ſie ietzo hat, gantz allein ihrer eignen
Kraft dancken, und der Koͤrper trage gar nichts
darzu bey; ſo wird hoffentlich folgen; daß die
Kraft der Sele allein hinreiche dieſe Vorſtel-
lung bey ihr hervorzubringen. Wenn dem
alſo iſt, ſo kan die Vorſtellung in der Sele er-
folgen, der Koͤrper mag ſich veraͤndern wie er
nur kan. Laſſet uns ſehen, was hieraus folge.
Wenn wir etwas empfinden; ſo haben wir ei-
ne Vorſtellung eines uns gegenwaͤrtigen Din-
ges, das iſt, eines Dinges, welches in uns
wuͤrcket, und auſſer uns befindlich iſt. Zum
Exempel, damit ich das vorige beybehalte;
wenn wir eſſen; ſo hat die Sele eine Vor-
ſtellung eines ihr gegenwaͤrtigen Dinges, nem-
lich des Eſſens, welches auſſer ihr befindlich iſt.
Nach der Meinung, welche ich ietzo zu unterſu-
chen gedencke, waͤre die Kraft der Sele ſelbſt
hinreichend dieſe Vorſtellung in ihr zu wuͤrcken.
Folglich waͤre es moͤglich, daß die Sele die
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unter allen am meiſten vorſtellt ein Stuͤck Brod
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/68>, abgerufen am 17.07.2024.
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