diese zugeben. Sollen denn aber deshalben alle meine gemachten Anstalten wieder dahin fahren? Man kan es ia beweisen, daß die Se- le ihren Körper baue. Freylich ist diese Sa- che nicht so leicht, daß man sie mit einem paar Schlüssen abfertigen könte. Es ist bey diesem Beweise grosse Behutsamkeit nöthig, damit man nicht vom seyn können, auf das Seyn selbst einen Sprung thue. Jch gebe daher zu, daß dieienigen Beweise nichts beweisen, wo man schließt: weil die menschliche Sele ihren Kör- per bauen kan, weil es möglich ist, daß sie ihn baue; siehe so hat sie eine Kraft darzu. Bey weitem nicht. Wenn sie eine Kraft hat ihren Körper zu bauen; so bauet sie ihn auch würck- lich: denn eine Kraft kan durch nichts verhin- dert werden ihre Würckungen hervorzubringen, ohne daß sie nicht auch zugleich selbst vertrie- ben würde. Die Möglichkeit Veränderun- gen hervorzubringen ist das Vermögen. Wenn man demnach erwiesen hat, die Sele habe die Möglichkeit ihren Körper zu bauen, so muß man sich dem Gelächter derer Philosophen nicht so sehr aussetzen, daß man ihr nun so gleich statt des Vermögens eine Kraft darzu zuschrie- be. Jst es nicht eben so, als wenn ich sagen wolte: ein Mensch der unter das Wasser ge- fallen ist, hat noch die Möglichkeit Othem zu holen. Also besitzt er eine Kraft; das ist er hat noch an sich den zureichenden Grund das Athem- holen zur Würcklichkeit zu bringen. Weil
nun
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dieſe zugeben. Sollen denn aber deshalben alle meine gemachten Anſtalten wieder dahin fahren? Man kan es ia beweiſen, daß die Se- le ihren Koͤrper baue. Freylich iſt dieſe Sa- che nicht ſo leicht, daß man ſie mit einem paar Schluͤſſen abfertigen koͤnte. Es iſt bey dieſem Beweiſe groſſe Behutſamkeit noͤthig, damit man nicht vom ſeyn koͤnnen, auf das Seyn ſelbſt einen Sprung thue. Jch gebe daher zu, daß dieienigen Beweiſe nichts beweiſen, wo man ſchließt: weil die menſchliche Sele ihren Koͤr- per bauen kan, weil es moͤglich iſt, daß ſie ihn baue; ſiehe ſo hat ſie eine Kraft darzu. Bey weitem nicht. Wenn ſie eine Kraft hat ihren Koͤrper zu bauen; ſo bauet ſie ihn auch wuͤrck- lich: denn eine Kraft kan durch nichts verhin- dert werden ihre Wuͤrckungen hervorzubringen, ohne daß ſie nicht auch zugleich ſelbſt vertrie- ben wuͤrde. Die Moͤglichkeit Veraͤnderun- gen hervorzubringen iſt das Vermoͤgen. Wenn man demnach erwieſen hat, die Sele habe die Moͤglichkeit ihren Koͤrper zu bauen, ſo muß man ſich dem Gelaͤchter derer Philoſophen nicht ſo ſehr ausſetzen, daß man ihr nun ſo gleich ſtatt des Vermoͤgens eine Kraft darzu zuſchrie- be. Jſt es nicht eben ſo, als wenn ich ſagen wolte: ein Menſch der unter das Waſſer ge- fallen iſt, hat noch die Moͤglichkeit Othem zu holen. Alſo beſitzt er eine Kraft; das iſt er hat noch an ſich den zureichenden Grund das Athem- holen zur Wuͤrcklichkeit zu bringen. Weil
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dieſe zugeben. Sollen denn aber deshalben
alle meine gemachten Anſtalten wieder dahin
fahren? Man kan es ia beweiſen, daß die Se-
le ihren Koͤrper baue. Freylich iſt dieſe Sa-
che nicht ſo leicht, daß man ſie mit einem paar
Schluͤſſen abfertigen koͤnte. Es iſt bey dieſem
Beweiſe groſſe Behutſamkeit noͤthig, damit man
nicht vom ſeyn koͤnnen, auf das Seyn ſelbſt
einen Sprung thue. Jch gebe daher zu, daß
dieienigen Beweiſe nichts beweiſen, wo man
ſchließt: weil die menſchliche Sele ihren Koͤr-
per bauen kan, weil es moͤglich iſt, daß ſie ihn
baue; ſiehe ſo hat ſie eine Kraft darzu. Bey
weitem nicht. Wenn ſie eine Kraft hat ihren
Koͤrper zu bauen; ſo bauet ſie ihn auch wuͤrck-
lich: denn eine Kraft kan durch nichts verhin-
dert werden ihre Wuͤrckungen hervorzubringen,
ohne daß ſie nicht auch zugleich ſelbſt vertrie-
ben wuͤrde. Die Moͤglichkeit Veraͤnderun-
gen hervorzubringen iſt das Vermoͤgen. Wenn
man demnach erwieſen hat, die Sele habe die
Moͤglichkeit ihren Koͤrper zu bauen, ſo muß
man ſich dem Gelaͤchter derer Philoſophen nicht
ſo ſehr ausſetzen, daß man ihr nun ſo gleich
ſtatt des Vermoͤgens eine Kraft darzu zuſchrie-
be. Jſt es nicht eben ſo, als wenn ich ſagen
wolte: ein Menſch der unter das Waſſer ge-
fallen iſt, hat noch die Moͤglichkeit Othem zu
holen. Alſo beſitzt er eine Kraft; das iſt er hat
noch an ſich den zureichenden Grund das Athem-
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/173>, abgerufen am 22.07.2024.
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