Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

dencke, so solte ich fast glauben, daß viele
Streitigkeiten dieser beyden Partheyen ohne
Schimpffen und Blutvergiessen beygeleget
werden könten, wenn sie nur Lust hätten, ein-
ander etwas nachzugeben. Die Saltze, wel-
che die Nerven beissen, die scharffen und stumpf-
fen Säfte und die hundert tausend Selen in
einem menschlichen Körper, nebst andern lusti-
gen Erfindungen sind heut zu Tage unter de-
nen Artzeneygelehrten gantz aus der Mode ge-
kommen. Die allermeisten derer heutigen
Mechanisten erklären die Veränderung des
Körpers entweder nach den Gesetzen der Bewe-
gung oder aus der Empfindlichkeit der Ner-
ven. Denen erstern habe ich den Beweiß
eigentlich entgegen gesetzt, daß die Sele in ih-
ren Körper würcke. Die andern nehmen die-
ses schon an, indem sie glauben, daß durch
Empfindungen Bewegungen hervorgebracht
werden. Diese unterscheiden sich demnach nur
von denen Stahlianern darinnen, daß sie sich
nicht getrauen zu behaupten, es kämen alle
Bewegungen von der Sele her, und hierinne
habe ich mich mit ihnen verglichen. Wem es
scheinen solte, als gäbe ich mir bey Verglei-
chung dieser beyden Meinungen etwas zu viel
nach, oder ich gäbe denen Mechanisten mehr
schuld, als sie behaupteten; Der kan sich an
folgendem Zeugnisse eines mechanischen Artztes
selbst eines bessern überführen. Der berühmte
Herr Hofrath Haller saget in des grossen

Bur-

dencke, ſo ſolte ich faſt glauben, daß viele
Streitigkeiten dieſer beyden Partheyen ohne
Schimpffen und Blutvergieſſen beygeleget
werden koͤnten, wenn ſie nur Luſt haͤtten, ein-
ander etwas nachzugeben. Die Saltze, wel-
che die Nerven beiſſen, die ſcharffen und ſtumpf-
fen Saͤfte und die hundert tauſend Selen in
einem menſchlichen Koͤrper, nebſt andern luſti-
gen Erfindungen ſind heut zu Tage unter de-
nen Artzeneygelehrten gantz aus der Mode ge-
kommen. Die allermeiſten derer heutigen
Mechaniſten erklaͤren die Veraͤnderung des
Koͤrpers entweder nach den Geſetzen der Bewe-
gung oder aus der Empfindlichkeit der Ner-
ven. Denen erſtern habe ich den Beweiß
eigentlich entgegen geſetzt, daß die Sele in ih-
ren Koͤrper wuͤrcke. Die andern nehmen die-
ſes ſchon an, indem ſie glauben, daß durch
Empfindungen Bewegungen hervorgebracht
werden. Dieſe unterſcheiden ſich demnach nur
von denen Stahlianern darinnen, daß ſie ſich
nicht getrauen zu behaupten, es kaͤmen alle
Bewegungen von der Sele her, und hierinne
habe ich mich mit ihnen verglichen. Wem es
ſcheinen ſolte, als gaͤbe ich mir bey Verglei-
chung dieſer beyden Meinungen etwas zu viel
nach, oder ich gaͤbe denen Mechaniſten mehr
ſchuld, als ſie behaupteten; Der kan ſich an
folgendem Zeugniſſe eines mechaniſchen Artztes
ſelbſt eines beſſern uͤberfuͤhren. Der beruͤhmte
Herr Hofrath Haller ſaget in des groſſen

Bur-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0166" n="136"/>
dencke, &#x017F;o &#x017F;olte ich fa&#x017F;t glauben, daß viele<lb/>
Streitigkeiten die&#x017F;er beyden Partheyen ohne<lb/>
Schimpffen und Blutvergie&#x017F;&#x017F;en beygeleget<lb/>
werden ko&#x0364;nten, wenn &#x017F;ie nur Lu&#x017F;t ha&#x0364;tten, ein-<lb/>
ander etwas nachzugeben. Die Saltze, wel-<lb/>
che die Nerven bei&#x017F;&#x017F;en, die &#x017F;charffen und &#x017F;tumpf-<lb/>
fen Sa&#x0364;fte und die hundert tau&#x017F;end Selen in<lb/>
einem men&#x017F;chlichen Ko&#x0364;rper, neb&#x017F;t andern lu&#x017F;ti-<lb/>
gen Erfindungen &#x017F;ind heut zu Tage unter de-<lb/>
nen Artzeneygelehrten gantz aus der Mode ge-<lb/>
kommen. Die allermei&#x017F;ten derer heutigen<lb/>
Mechani&#x017F;ten erkla&#x0364;ren die Vera&#x0364;nderung des<lb/>
Ko&#x0364;rpers entweder nach den Ge&#x017F;etzen der Bewe-<lb/>
gung oder aus der Empfindlichkeit der Ner-<lb/>
ven. Denen er&#x017F;tern habe ich den Beweiß<lb/>
eigentlich entgegen ge&#x017F;etzt, daß die Sele in ih-<lb/>
ren Ko&#x0364;rper wu&#x0364;rcke. Die andern nehmen die-<lb/>
&#x017F;es &#x017F;chon an, indem &#x017F;ie glauben, daß durch<lb/>
Empfindungen Bewegungen hervorgebracht<lb/>
werden. Die&#x017F;e unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich demnach nur<lb/>
von denen Stahlianern darinnen, daß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
nicht getrauen zu behaupten, es ka&#x0364;men alle<lb/>
Bewegungen von der Sele her, und hierinne<lb/>
habe ich mich mit ihnen verglichen. Wem es<lb/>
&#x017F;cheinen &#x017F;olte, als ga&#x0364;be ich mir bey Verglei-<lb/>
chung die&#x017F;er beyden Meinungen etwas zu viel<lb/>
nach, oder ich ga&#x0364;be denen Mechani&#x017F;ten mehr<lb/>
&#x017F;chuld, als &#x017F;ie behaupteten; Der kan &#x017F;ich an<lb/>
folgendem Zeugni&#x017F;&#x017F;e eines mechani&#x017F;chen Artztes<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t eines be&#x017F;&#x017F;ern u&#x0364;berfu&#x0364;hren. Der beru&#x0364;hmte<lb/><hi rendition="#fr">Herr Hofrath Haller</hi> &#x017F;aget in des gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Bur-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0166] dencke, ſo ſolte ich faſt glauben, daß viele Streitigkeiten dieſer beyden Partheyen ohne Schimpffen und Blutvergieſſen beygeleget werden koͤnten, wenn ſie nur Luſt haͤtten, ein- ander etwas nachzugeben. Die Saltze, wel- che die Nerven beiſſen, die ſcharffen und ſtumpf- fen Saͤfte und die hundert tauſend Selen in einem menſchlichen Koͤrper, nebſt andern luſti- gen Erfindungen ſind heut zu Tage unter de- nen Artzeneygelehrten gantz aus der Mode ge- kommen. Die allermeiſten derer heutigen Mechaniſten erklaͤren die Veraͤnderung des Koͤrpers entweder nach den Geſetzen der Bewe- gung oder aus der Empfindlichkeit der Ner- ven. Denen erſtern habe ich den Beweiß eigentlich entgegen geſetzt, daß die Sele in ih- ren Koͤrper wuͤrcke. Die andern nehmen die- ſes ſchon an, indem ſie glauben, daß durch Empfindungen Bewegungen hervorgebracht werden. Dieſe unterſcheiden ſich demnach nur von denen Stahlianern darinnen, daß ſie ſich nicht getrauen zu behaupten, es kaͤmen alle Bewegungen von der Sele her, und hierinne habe ich mich mit ihnen verglichen. Wem es ſcheinen ſolte, als gaͤbe ich mir bey Verglei- chung dieſer beyden Meinungen etwas zu viel nach, oder ich gaͤbe denen Mechaniſten mehr ſchuld, als ſie behaupteten; Der kan ſich an folgendem Zeugniſſe eines mechaniſchen Artztes ſelbſt eines beſſern uͤberfuͤhren. Der beruͤhmte Herr Hofrath Haller ſaget in des groſſen Bur-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/166
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/166>, abgerufen am 05.12.2024.