man sagt: die Sele stellt einen Hausvater vor. Jch habe alle diese Ausdrücke nicht hier- her gesetzt, um dieselben zu tadeln. Allein ich will damit nur so viel sagen, daß es erlaubt sey, uneigentlich von der Sele zu reden, ohne daß ein gescheidter Kopf Ursach finde, spöttisch dabey zu seyn. Ueberhaupt treffen alle diese Urtheile die Stahlianer selbst nicht, und dieie- nigen entdecken die Grösse ihres Geistes, wel- che über dergleichen Gespötte lachen und sich nicht weiter vertheidigen.
§. 51.
Es kommt bey der stahlianischen Lehre haupt- sächlich auf die Frage an: ob die Sele alle Veränderungen ihres Körpers würcken könne. Jm allerweitesten Verstande behauptet dieses kein Stahlianer. Das Abnehmen des Barts ist eine Veränderung des Körpers, allein ein Stahlianer leitet diese Veränderung nicht von der menschlichen Sele, sondern von der Schär- fe des Messers her. Jn den menschlichen Körper würcket zuweilen eine schwere, zuweilen eine leichte Luft. Und diese Veränderung des Körpers schreibet man auch nicht der Sele zu. Mit einem Wort: man untersuche die Sätze eines Stahlianers genau, so behauptet er nur, daß alle dieienigen Veränderungen des Kör- pers von der Sele herrühren, welche nicht von statten gehen, so bald der Mensch todt ist. Hier- her gehöret der Umlauf des Geblüts, die Ver- dauung der Speisen, die Ab- und Aussonde-
rungen
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man ſagt: die Sele ſtellt einen Hausvater vor. Jch habe alle dieſe Ausdruͤcke nicht hier- her geſetzt, um dieſelben zu tadeln. Allein ich will damit nur ſo viel ſagen, daß es erlaubt ſey, uneigentlich von der Sele zu reden, ohne daß ein geſcheidter Kopf Urſach finde, ſpoͤttiſch dabey zu ſeyn. Ueberhaupt treffen alle dieſe Urtheile die Stahlianer ſelbſt nicht, und dieie- nigen entdecken die Groͤſſe ihres Geiſtes, wel- che uͤber dergleichen Geſpoͤtte lachen und ſich nicht weiter vertheidigen.
§. 51.
Es kommt bey der ſtahlianiſchen Lehre haupt- ſaͤchlich auf die Frage an: ob die Sele alle Veraͤnderungen ihres Koͤrpers wuͤrcken koͤnne. Jm allerweiteſten Verſtande behauptet dieſes kein Stahlianer. Das Abnehmen des Barts iſt eine Veraͤnderung des Koͤrpers, allein ein Stahlianer leitet dieſe Veraͤnderung nicht von der menſchlichen Sele, ſondern von der Schaͤr- fe des Meſſers her. Jn den menſchlichen Koͤrper wuͤrcket zuweilen eine ſchwere, zuweilen eine leichte Luft. Und dieſe Veraͤnderung des Koͤrpers ſchreibet man auch nicht der Sele zu. Mit einem Wort: man unterſuche die Saͤtze eines Stahlianers genau, ſo behauptet er nur, daß alle dieienigen Veraͤnderungen des Koͤr- pers von der Sele herruͤhren, welche nicht von ſtatten gehen, ſo bald der Menſch todt iſt. Hier- her gehoͤret der Umlauf des Gebluͤts, die Ver- dauung der Speiſen, die Ab- und Ausſonde-
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man ſagt: die Sele ſtellt einen Hausvater
vor. Jch habe alle dieſe Ausdruͤcke nicht hier-
her geſetzt, um dieſelben zu tadeln. Allein ich
will damit nur ſo viel ſagen, daß es erlaubt ſey,
uneigentlich von der Sele zu reden, ohne daß
ein geſcheidter Kopf Urſach finde, ſpoͤttiſch
dabey zu ſeyn. Ueberhaupt treffen alle dieſe
Urtheile die Stahlianer ſelbſt nicht, und dieie-
nigen entdecken die Groͤſſe ihres Geiſtes, wel-
che uͤber dergleichen Geſpoͤtte lachen und ſich
nicht weiter vertheidigen.
§. 51.
Es kommt bey der ſtahlianiſchen Lehre haupt-
ſaͤchlich auf die Frage an: ob die Sele alle
Veraͤnderungen ihres Koͤrpers wuͤrcken koͤnne.
Jm allerweiteſten Verſtande behauptet dieſes
kein Stahlianer. Das Abnehmen des Barts
iſt eine Veraͤnderung des Koͤrpers, allein ein
Stahlianer leitet dieſe Veraͤnderung nicht von
der menſchlichen Sele, ſondern von der Schaͤr-
fe des Meſſers her. Jn den menſchlichen
Koͤrper wuͤrcket zuweilen eine ſchwere, zuweilen
eine leichte Luft. Und dieſe Veraͤnderung des
Koͤrpers ſchreibet man auch nicht der Sele zu.
Mit einem Wort: man unterſuche die Saͤtze
eines Stahlianers genau, ſo behauptet er nur,
daß alle dieienigen Veraͤnderungen des Koͤr-
pers von der Sele herruͤhren, welche nicht von
ſtatten gehen, ſo bald der Menſch todt iſt. Hier-
her gehoͤret der Umlauf des Gebluͤts, die Ver-
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/157>, abgerufen am 16.02.2025.
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