Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.seyn! Wie viele sind mir aus dem Gedächtniß im
ſeyn! Wie viele ſind mir aus dem Gedaͤchtniß im
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0142" n="112"/> ſeyn! Wie viele ſind mir aus dem Gedaͤchtniß<lb/> entfallen! und o! wie groß muß nicht die An-<lb/> zahl dererienigen ſey, von welchen ich gar noch<lb/> nichts weiß. Und dennoch ſind dieſes alles nur<lb/> ſonderbare Faͤlle. Wolten wir nun vollends<lb/> dasienige in Erwegung ziehen, was taͤglich zu<lb/> Befeſtigung dieſer Grundwahrheit in der Er-<lb/> fahrung vorfaͤllt, ſo zweifle ich, daß ich in mei-<lb/> ner gantzen Lebenszeit, und wenn ſie auch tau-<lb/> ſend Jahre daurete, mit dieſer Sache zu Stan-<lb/> de kaͤme. Wie vielerley Bewegungen haͤngen<lb/> offenbar von dem Willen unſrer Sele ab?<lb/> Wie viele Veraͤnderungen gehen augenblicklich<lb/> in und an uns vor, von welchen es unmoͤglich<lb/> iſt, daß ſie mechaniſch geſchehen ſolten. Und<lb/> alles dieſes iſt noch vor gar nichts zu rechnen,<lb/> gegen die Veraͤnderungen, welche in Kranck-<lb/> heiten vorfallen. Jedoch ich glaube, daß das-<lb/> ienige, was ich von dieſer Sache geſchrieben,<lb/> hinreichen wird, einen ſolchen in ſeiner Mei-<lb/> nung zu befeſtigen, welcher der Kraft der Sele<lb/> nicht ſo enge Grentzen ſetzt, daß ſie nicht einmal<lb/> in einen Koͤrper wuͤrcken koͤnne. Was aber<lb/> dieienigen betrift, welche dieſer Meinung nicht<lb/> ſind; ſo habe ich gar keine Hofnung ſie durch<lb/> alle meine Beweiſe eines beſſern zu fuͤhren.<lb/> Jch muͤſte meinen Beweis viel tiefſinniger ein-<lb/> gerichtet haben, und die Wahrheiten muͤſten<lb/> darin gantz tief liegen, wenn ich dieſes hoffen<lb/> ſolte. Allein, da ich mich bloß auf die Erfah-<lb/> rung verlaſſe; ſo weiß ich mein Schickſal ſchon<lb/> <fw place="bottom" type="catch">im</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0142]
ſeyn! Wie viele ſind mir aus dem Gedaͤchtniß
entfallen! und o! wie groß muß nicht die An-
zahl dererienigen ſey, von welchen ich gar noch
nichts weiß. Und dennoch ſind dieſes alles nur
ſonderbare Faͤlle. Wolten wir nun vollends
dasienige in Erwegung ziehen, was taͤglich zu
Befeſtigung dieſer Grundwahrheit in der Er-
fahrung vorfaͤllt, ſo zweifle ich, daß ich in mei-
ner gantzen Lebenszeit, und wenn ſie auch tau-
ſend Jahre daurete, mit dieſer Sache zu Stan-
de kaͤme. Wie vielerley Bewegungen haͤngen
offenbar von dem Willen unſrer Sele ab?
Wie viele Veraͤnderungen gehen augenblicklich
in und an uns vor, von welchen es unmoͤglich
iſt, daß ſie mechaniſch geſchehen ſolten. Und
alles dieſes iſt noch vor gar nichts zu rechnen,
gegen die Veraͤnderungen, welche in Kranck-
heiten vorfallen. Jedoch ich glaube, daß das-
ienige, was ich von dieſer Sache geſchrieben,
hinreichen wird, einen ſolchen in ſeiner Mei-
nung zu befeſtigen, welcher der Kraft der Sele
nicht ſo enge Grentzen ſetzt, daß ſie nicht einmal
in einen Koͤrper wuͤrcken koͤnne. Was aber
dieienigen betrift, welche dieſer Meinung nicht
ſind; ſo habe ich gar keine Hofnung ſie durch
alle meine Beweiſe eines beſſern zu fuͤhren.
Jch muͤſte meinen Beweis viel tiefſinniger ein-
gerichtet haben, und die Wahrheiten muͤſten
darin gantz tief liegen, wenn ich dieſes hoffen
ſolte. Allein, da ich mich bloß auf die Erfah-
rung verlaſſe; ſo weiß ich mein Schickſal ſchon
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