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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

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ander umgegangen? So aber bekommt sie die-
se Kranckheit da sie nur von der Ankunft ih-
rer Schwester höret. Damals muß die, durch
diese gebrachte Botschaft in Bewegung gesetz-
te Luft, eine gar besondere Würckung gehabt
haben, daß sie indem sie in dem Ohre eine
Veränderung verursachet, auch den weissen Fluß
hat würcken können. Oder hat sie etwan die
Botschaft durch einen Brief bekommen, so
wird wol derselbe die Effluvia von der kran-
cken Schwester mitgebracht haben. Man kan
diese Begebenheit nicht anders erklären, wenn
man durchaus nicht zugeben will, daß eine
Empfindung eine Veränderung im Körper wür-
cken könne. Dieses aber giebt man vermuth-
lich darum nicht zu, damit man nicht von der
gemeinen Regel abgehen möge, nach welcher
die Wahrheit nicht eher erhalten wird, als
bis man alle Masken worinn sich die Un-
wahrheit zu verstecken gewohnt ist, nach der
Reihe durchgenommen und endlich verworfen
hat. Eben darum solte mich es wundern, ob
sich nicht iemand finden würde, welcher den
andern obigen Fall, aus der Aerometrie oder
Catoptrick auflösen könte. Denn es kan nicht
fehlen, die verstorbenen Brüder mahlen sich
entweder im Gehirn ab, und dieses Bild
rückt alsdenn hinunter in den Magen, und
macht daselbst ein Erbrechen, oder die Luft wel-
che durch die Sterbelieder in Bewegung ge-
setzt wird, schlägt so unglücklich an die Ohren-

nerven

ander umgegangen? So aber bekommt ſie die-
ſe Kranckheit da ſie nur von der Ankunft ih-
rer Schweſter hoͤret. Damals muß die, durch
dieſe gebrachte Botſchaft in Bewegung geſetz-
te Luft, eine gar beſondere Wuͤrckung gehabt
haben, daß ſie indem ſie in dem Ohre eine
Veraͤnderung verurſachet, auch den weiſſen Fluß
hat wuͤrcken koͤnnen. Oder hat ſie etwan die
Botſchaft durch einen Brief bekommen, ſo
wird wol derſelbe die Effluvia von der kran-
cken Schweſter mitgebracht haben. Man kan
dieſe Begebenheit nicht anders erklaͤren, wenn
man durchaus nicht zugeben will, daß eine
Empfindung eine Veraͤnderung im Koͤrper wuͤr-
cken koͤnne. Dieſes aber giebt man vermuth-
lich darum nicht zu, damit man nicht von der
gemeinen Regel abgehen moͤge, nach welcher
die Wahrheit nicht eher erhalten wird, als
bis man alle Masken worinn ſich die Un-
wahrheit zu verſtecken gewohnt iſt, nach der
Reihe durchgenommen und endlich verworfen
hat. Eben darum ſolte mich es wundern, ob
ſich nicht iemand finden wuͤrde, welcher den
andern obigen Fall, aus der Aerometrie oder
Catoptrick aufloͤſen koͤnte. Denn es kan nicht
fehlen, die verſtorbenen Bruͤder mahlen ſich
entweder im Gehirn ab, und dieſes Bild
ruͤckt alsdenn hinunter in den Magen, und
macht daſelbſt ein Erbrechen, oder die Luft wel-
che durch die Sterbelieder in Bewegung ge-
ſetzt wird, ſchlaͤgt ſo ungluͤcklich an die Ohren-

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[102/0132] ander umgegangen? So aber bekommt ſie die- ſe Kranckheit da ſie nur von der Ankunft ih- rer Schweſter hoͤret. Damals muß die, durch dieſe gebrachte Botſchaft in Bewegung geſetz- te Luft, eine gar beſondere Wuͤrckung gehabt haben, daß ſie indem ſie in dem Ohre eine Veraͤnderung verurſachet, auch den weiſſen Fluß hat wuͤrcken koͤnnen. Oder hat ſie etwan die Botſchaft durch einen Brief bekommen, ſo wird wol derſelbe die Effluvia von der kran- cken Schweſter mitgebracht haben. Man kan dieſe Begebenheit nicht anders erklaͤren, wenn man durchaus nicht zugeben will, daß eine Empfindung eine Veraͤnderung im Koͤrper wuͤr- cken koͤnne. Dieſes aber giebt man vermuth- lich darum nicht zu, damit man nicht von der gemeinen Regel abgehen moͤge, nach welcher die Wahrheit nicht eher erhalten wird, als bis man alle Masken worinn ſich die Un- wahrheit zu verſtecken gewohnt iſt, nach der Reihe durchgenommen und endlich verworfen hat. Eben darum ſolte mich es wundern, ob ſich nicht iemand finden wuͤrde, welcher den andern obigen Fall, aus der Aerometrie oder Catoptrick aufloͤſen koͤnte. Denn es kan nicht fehlen, die verſtorbenen Bruͤder mahlen ſich entweder im Gehirn ab, und dieſes Bild ruͤckt alsdenn hinunter in den Magen, und macht daſelbſt ein Erbrechen, oder die Luft wel- che durch die Sterbelieder in Bewegung ge- ſetzt wird, ſchlaͤgt ſo ungluͤcklich an die Ohren- nerven

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/132>, abgerufen am 08.05.2024.