ohne Bewustseyn ihrer nicht entstehen kan, ent- stünde, ohne daß man sich ihrer bewust wäre. Das ist eben so viel, als: es ist unmöglich, daß dieses so seyn könne. Oder ich kan auch fol- gendergestalt schliessen: nach der gegenseitigen Meinung kan eine willkührliche Bewegung ent- stehen, ohne sich derselben bewust zu seyn. Ei- ne Bewegung welche entstehen kan, ohne daß man sich ihrer bewust ist, ist entweder eine na- türliche oder eine nothwendige Bewegung: al- so wäre es möglich, daß eine willkührliche Be- wegung eine natürliche oder nothwendige wä- re. Hieraus siehet man, daß aus dieser Mei- nung folge, es habe zwischen denen nothwen- digen und freywilligen Handlungen des Kör- pers kein Unterschied statt. Jch weiß nicht, ob iemand an diesen Schlüssen etwas auszusetzen haben solte. So lange sie aber richtig sind; so lange giebt man mir auch zu, die Sele wür- cke in ihren Körper. Jch werde unten zeigen, daß diese Würckung physicalisch sey, und da sehe ich nicht, ob es allzugut vor die Harmo- nisten stehen möchte. Man wird es mir zu gute halten, daß ich solche üble Folgen aus der Meinung dererienigen Harmonisten ziehe, von denen ich oben zuletzt geredet, und deren Meinung ich durch gegenwärtigen Beweis, daß die Sele in ihren Körper würcke, zu wie- derlegen gedencke. Jch habe noch lange nicht erwiesen, daß ihre Meinung spinozischtisch sey, und es wird auch von mir nicht geschehen.
Uebri-
ohne Bewuſtſeyn ihrer nicht entſtehen kan, ent- ſtuͤnde, ohne daß man ſich ihrer bewuſt waͤre. Das iſt eben ſo viel, als: es iſt unmoͤglich, daß dieſes ſo ſeyn koͤnne. Oder ich kan auch fol- gendergeſtalt ſchlieſſen: nach der gegenſeitigen Meinung kan eine willkuͤhrliche Bewegung ent- ſtehen, ohne ſich derſelben bewuſt zu ſeyn. Ei- ne Bewegung welche entſtehen kan, ohne daß man ſich ihrer bewuſt iſt, iſt entweder eine na- tuͤrliche oder eine nothwendige Bewegung: al- ſo waͤre es moͤglich, daß eine willkuͤhrliche Be- wegung eine natuͤrliche oder nothwendige waͤ- re. Hieraus ſiehet man, daß aus dieſer Mei- nung folge, es habe zwiſchen denen nothwen- digen und freywilligen Handlungen des Koͤr- pers kein Unterſchied ſtatt. Jch weiß nicht, ob iemand an dieſen Schluͤſſen etwas auszuſetzen haben ſolte. So lange ſie aber richtig ſind; ſo lange giebt man mir auch zu, die Sele wuͤr- cke in ihren Koͤrper. Jch werde unten zeigen, daß dieſe Wuͤrckung phyſicaliſch ſey, und da ſehe ich nicht, ob es allzugut vor die Harmo- niſten ſtehen moͤchte. Man wird es mir zu gute halten, daß ich ſolche uͤble Folgen aus der Meinung dererienigen Harmoniſten ziehe, von denen ich oben zuletzt geredet, und deren Meinung ich durch gegenwaͤrtigen Beweis, daß die Sele in ihren Koͤrper wuͤrcke, zu wie- derlegen gedencke. Jch habe noch lange nicht erwieſen, daß ihre Meinung ſpinoziſchtiſch ſey, und es wird auch von mir nicht geſchehen.
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ohne Bewuſtſeyn ihrer nicht entſtehen kan, ent-
ſtuͤnde, ohne daß man ſich ihrer bewuſt waͤre.
Das iſt eben ſo viel, als: es iſt unmoͤglich, daß
dieſes ſo ſeyn koͤnne. Oder ich kan auch fol-
gendergeſtalt ſchlieſſen: nach der gegenſeitigen
Meinung kan eine willkuͤhrliche Bewegung ent-
ſtehen, ohne ſich derſelben bewuſt zu ſeyn. Ei-
ne Bewegung welche entſtehen kan, ohne daß
man ſich ihrer bewuſt iſt, iſt entweder eine na-
tuͤrliche oder eine nothwendige Bewegung: al-
ſo waͤre es moͤglich, daß eine willkuͤhrliche Be-
wegung eine natuͤrliche oder nothwendige waͤ-
re. Hieraus ſiehet man, daß aus dieſer Mei-
nung folge, es habe zwiſchen denen nothwen-
digen und freywilligen Handlungen des Koͤr-
pers kein Unterſchied ſtatt. Jch weiß nicht, ob
iemand an dieſen Schluͤſſen etwas auszuſetzen
haben ſolte. So lange ſie aber richtig ſind;
ſo lange giebt man mir auch zu, die Sele wuͤr-
cke in ihren Koͤrper. Jch werde unten zeigen,
daß dieſe Wuͤrckung phyſicaliſch ſey, und da
ſehe ich nicht, ob es allzugut vor die Harmo-
niſten ſtehen moͤchte. Man wird es mir zu
gute halten, daß ich ſolche uͤble Folgen aus
der Meinung dererienigen Harmoniſten ziehe,
von denen ich oben zuletzt geredet, und deren
Meinung ich durch gegenwaͤrtigen Beweis,
daß die Sele in ihren Koͤrper wuͤrcke, zu wie-
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und es wird auch von mir nicht geſchehen.
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/128>, abgerufen am 22.07.2024.
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