gen? Jst es denn hierdurch noch nicht offenbar genug, daß unsre Körper und die Sele in ein- ander würcken? Hat ein solcher Mensch etwan eine solche Sele bekommen, deren Verbin- dungszeit mit dem Körper ehe zu Ende lauffen müssen, als der Körper sterben kan? Jch ge- stehe, wenn man einem dieses mit einem finstern Gesicht, und dunckleren Worten sagte, der sich ein wenig leichter etwas einbilden kan als ich, was gantz und gar unnatürlich ist; so kan man ihn solchergestalt bald zum Beyfall bringen. Allein weil ich eine solche verderbte Einbil- dungskraft habe, daß sich dieser Gedancke in kein einziges Fach derselben schicken will; so kan ich nicht anders, als glauben, daß diese Artzney eine Kraft habe, in die Sele zu wür- cken. Jch verliere nichts dabey, daß ich nicht weiß wie dieses zugehe. Denn ich weiß gantz gewiß, daß die Grentzen der menschlichen Wis- senschaft gar nicht so weit entfernt sind, daß man sie erst mit guten Ferngläsern suchen mü- ste. Und darum bilde ich mir ein, dasienige könne noch wol möglich seyn, wovon ich und andre Leute nicht begreiffen wie es zugehe. Es bestätiget demnach auch diese merckwürdige Ob- servation meinen Hauptsatz, daß die Sele in ihren Körper würcke. Je mehrere Verände- rungen ich bey mir wahrnehme, desto mehr werde ich davon überzeugt, und darum kan ich meinen Lesern auch die noch folgenden nicht vorenthalten.
§. 38.
gen? Jſt es denn hierdurch noch nicht offenbar genug, daß unſre Koͤrper und die Sele in ein- ander wuͤrcken? Hat ein ſolcher Menſch etwan eine ſolche Sele bekommen, deren Verbin- dungszeit mit dem Koͤrper ehe zu Ende lauffen muͤſſen, als der Koͤrper ſterben kan? Jch ge- ſtehe, wenn man einem dieſes mit einem finſtern Geſicht, und dunckleren Worten ſagte, der ſich ein wenig leichter etwas einbilden kan als ich, was gantz und gar unnatuͤrlich iſt; ſo kan man ihn ſolchergeſtalt bald zum Beyfall bringen. Allein weil ich eine ſolche verderbte Einbil- dungskraft habe, daß ſich dieſer Gedancke in kein einziges Fach derſelben ſchicken will; ſo kan ich nicht anders, als glauben, daß dieſe Artzney eine Kraft habe, in die Sele zu wuͤr- cken. Jch verliere nichts dabey, daß ich nicht weiß wie dieſes zugehe. Denn ich weiß gantz gewiß, daß die Grentzen der menſchlichen Wiſ- ſenſchaft gar nicht ſo weit entfernt ſind, daß man ſie erſt mit guten Fernglaͤſern ſuchen muͤ- ſte. Und darum bilde ich mir ein, dasienige koͤnne noch wol moͤglich ſeyn, wovon ich und andre Leute nicht begreiffen wie es zugehe. Es beſtaͤtiget demnach auch dieſe merckwuͤrdige Ob- ſervation meinen Hauptſatz, daß die Sele in ihren Koͤrper wuͤrcke. Je mehrere Veraͤnde- rungen ich bey mir wahrnehme, deſto mehr werde ich davon uͤberzeugt, und darum kan ich meinen Leſern auch die noch folgenden nicht vorenthalten.
§. 38.
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gen? Jſt es denn hierdurch noch nicht offenbar
genug, daß unſre Koͤrper und die Sele in ein-
ander wuͤrcken? Hat ein ſolcher Menſch etwan
eine ſolche Sele bekommen, deren Verbin-
dungszeit mit dem Koͤrper ehe zu Ende lauffen
muͤſſen, als der Koͤrper ſterben kan? Jch ge-
ſtehe, wenn man einem dieſes mit einem finſtern
Geſicht, und dunckleren Worten ſagte, der ſich
ein wenig leichter etwas einbilden kan als ich,
was gantz und gar unnatuͤrlich iſt; ſo kan man
ihn ſolchergeſtalt bald zum Beyfall bringen.
Allein weil ich eine ſolche verderbte Einbil-
dungskraft habe, daß ſich dieſer Gedancke in
kein einziges Fach derſelben ſchicken will; ſo
kan ich nicht anders, als glauben, daß dieſe
Artzney eine Kraft habe, in die Sele zu wuͤr-
cken. Jch verliere nichts dabey, daß ich nicht
weiß wie dieſes zugehe. Denn ich weiß gantz
gewiß, daß die Grentzen der menſchlichen Wiſ-
ſenſchaft gar nicht ſo weit entfernt ſind, daß
man ſie erſt mit guten Fernglaͤſern ſuchen muͤ-
ſte. Und darum bilde ich mir ein, dasienige
koͤnne noch wol moͤglich ſeyn, wovon ich und
andre Leute nicht begreiffen wie es zugehe. Es
beſtaͤtiget demnach auch dieſe merckwuͤrdige Ob-
ſervation meinen Hauptſatz, daß die Sele in
ihren Koͤrper wuͤrcke. Je mehrere Veraͤnde-
rungen ich bey mir wahrnehme, deſto mehr
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meinen Leſern auch die noch folgenden nicht
vorenthalten.
§. 38.
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/124>, abgerufen am 22.07.2024.
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