drer, daß öfters ein kleiner mehr anziehe, als ein grosser; daß er mehr Kraft Körper an sich zu ziehen, andern Körpern mittheile, als er selbst besitzt, und daß er dem ohngeachtet nichts von seiner Kraft verliere? Sind wir denn etwan alle zusammengenommen so klug, daß wir die- ses begreiffen. Warum giebt man denn zu, daß ein durch Reiben erhiztes Glas, Funcken von sich gebe, andre Körper electrisch mache, und diese Kraft so vielen Körpern mittheile, daß man darüber erstaunen möchte? Warum glaubet man, daß es Thiere gebe, welche durch die Zerschneidung ihres eigenen Körpers, ihr Geschlecht fortpflantzen? Kan man denn wol begreiffen, was es mit der Electricität vor eine Beschaffenheit habe, und wie es zugehe, daß aus einem zerschnittenen Polypus wiederum zwey Polypen erwachsen, welchen nicht das ge- ringste an ihrer gehörigen Strucktur abgehet? Jst es nicht wahr? Wir glauben alles dieses deshalben, weil es die Erfahrung auf tausend- fältige Art bestätiget, nicht aber, weil wir es aus dem Wesen der Sachen begreiffen können. Nur der Sele will man dieses Recht nicht wiederfahren lassen. Aber warum nicht? Es ist noch ein ander Mittel vorhanden, wodurch wir gewiß werden können, daß unsre Sele in unsern Körper würcke, ohnerachtet wir dieses aus dem Wesen der Sele und aus der eigent- lichen Beschaffenheit derer Bewegungen nicht ausmachen können.
§. 29.
G
drer, daß oͤfters ein kleiner mehr anziehe, als ein groſſer; daß er mehr Kraft Koͤrper an ſich zu ziehen, andern Koͤrpern mittheile, als er ſelbſt beſitzt, und daß er dem ohngeachtet nichts von ſeiner Kraft verliere? Sind wir denn etwan alle zuſammengenommen ſo klug, daß wir die- ſes begreiffen. Warum giebt man denn zu, daß ein durch Reiben erhiztes Glas, Funcken von ſich gebe, andre Koͤrper electriſch mache, und dieſe Kraft ſo vielen Koͤrpern mittheile, daß man daruͤber erſtaunen moͤchte? Warum glaubet man, daß es Thiere gebe, welche durch die Zerſchneidung ihres eigenen Koͤrpers, ihr Geſchlecht fortpflantzen? Kan man denn wol begreiffen, was es mit der Electricitaͤt vor eine Beſchaffenheit habe, und wie es zugehe, daß aus einem zerſchnittenen Polypus wiederum zwey Polypen erwachſen, welchen nicht das ge- ringſte an ihrer gehoͤrigen Strucktur abgehet? Jſt es nicht wahr? Wir glauben alles dieſes deshalben, weil es die Erfahrung auf tauſend- faͤltige Art beſtaͤtiget, nicht aber, weil wir es aus dem Weſen der Sachen begreiffen koͤnnen. Nur der Sele will man dieſes Recht nicht wiederfahren laſſen. Aber warum nicht? Es iſt noch ein ander Mittel vorhanden, wodurch wir gewiß werden koͤnnen, daß unſre Sele in unſern Koͤrper wuͤrcke, ohnerachtet wir dieſes aus dem Weſen der Sele und aus der eigent- lichen Beſchaffenheit derer Bewegungen nicht ausmachen koͤnnen.
§. 29.
G
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drer, daß oͤfters ein kleiner mehr anziehe, als
ein groſſer; daß er mehr Kraft Koͤrper an ſich
zu ziehen, andern Koͤrpern mittheile, als er ſelbſt
beſitzt, und daß er dem ohngeachtet nichts von
ſeiner Kraft verliere? Sind wir denn etwan
alle zuſammengenommen ſo klug, daß wir die-
ſes begreiffen. Warum giebt man denn zu,
daß ein durch Reiben erhiztes Glas, Funcken
von ſich gebe, andre Koͤrper electriſch mache,
und dieſe Kraft ſo vielen Koͤrpern mittheile,
daß man daruͤber erſtaunen moͤchte? Warum
glaubet man, daß es Thiere gebe, welche durch
die Zerſchneidung ihres eigenen Koͤrpers, ihr
Geſchlecht fortpflantzen? Kan man denn wol
begreiffen, was es mit der Electricitaͤt vor eine
Beſchaffenheit habe, und wie es zugehe, daß
aus einem zerſchnittenen Polypus wiederum
zwey Polypen erwachſen, welchen nicht das ge-
ringſte an ihrer gehoͤrigen Strucktur abgehet?
Jſt es nicht wahr? Wir glauben alles dieſes
deshalben, weil es die Erfahrung auf tauſend-
faͤltige Art beſtaͤtiget, nicht aber, weil wir es
aus dem Weſen der Sachen begreiffen koͤnnen.
Nur der Sele will man dieſes Recht nicht
wiederfahren laſſen. Aber warum nicht? Es
iſt noch ein ander Mittel vorhanden, wodurch
wir gewiß werden koͤnnen, daß unſre Sele in
unſern Koͤrper wuͤrcke, ohnerachtet wir dieſes
aus dem Weſen der Sele und aus der eigent-
lichen Beſchaffenheit derer Bewegungen nicht
ausmachen koͤnnen.
§. 29.
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/101>, abgerufen am 22.07.2024.
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