gen und Begierden, die abstraktesten Begriffe des Ver- standes und die edelsten Bewegungsgründe, Leidenschaften und Entschlüsse des Willens. Es können aber die äußern sinnlichen Eindrücke, welche die sinnlichen Vorstellungen, Lüste, Triebe und Leidenschaften in die Seele bringen, wenn sie dieß Letzte auch nicht thun, dennoch diejenigen thieri- schen Bewegungen im Körper, durch ihre bloße Nerven- kraft, auch sogar in eben der Ordnung und Folge hervor- bringen, die sie als Seelenwirkungen im Körper veran- lassen, wenn sie es thun. Jn solchem Falle spielet der Körper die Rolle der sinnlichen Handlungen der Lüste, der Triebe, der Leidenschaften, ohne daß diese doch wirklich in der Seele sind. Wie kann man aber wohl hieraus den Schluß machen, daß sie im Körper vorhanden wären? Es ist eine Kraft da, die ihre Wirkungen nachschaffet, sie mö- gen nun mitwirken, oder nicht: aber die rohe Materie kann nicht gelüsten, nicht Eckel haben, nicht begehren, nicht verabscheuen.
Zweyter Abschnitt. Von der Ersetzung der Nervenwirkungen durch Seelenwirkungen.
§. 580.
Wir haben im vorigen Abschnitte untersuchet, welche Seelenwirkungen in den mechanischen Maschinen des thierischen Körpers durch Nervenwirkungen ersetzet wer- den können, und der Erfahrung zu Folge wirklich ersetzet werden. Nunmehr müssen wir auch sehen, welche Ner- venwirkungen vermöge der Erfahrung durch Seelenwir- kungen ersetzet werden können.
Es giebt drey Hauptarten von Nervenwirkungen in den mechanischen Maschinen: erstlich die, von ursprünglichen innern sinnlichen Eindrücken ohne Vorstellungen, §. 490.
zum
2 Abſchn. Erſetz. der Nervenw. durch Seelenw.
gen und Begierden, die abſtrakteſten Begriffe des Ver- ſtandes und die edelſten Bewegungsgruͤnde, Leidenſchaften und Entſchluͤſſe des Willens. Es koͤnnen aber die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, welche die ſinnlichen Vorſtellungen, Luͤſte, Triebe und Leidenſchaften in die Seele bringen, wenn ſie dieß Letzte auch nicht thun, dennoch diejenigen thieri- ſchen Bewegungen im Koͤrper, durch ihre bloße Nerven- kraft, auch ſogar in eben der Ordnung und Folge hervor- bringen, die ſie als Seelenwirkungen im Koͤrper veran- laſſen, wenn ſie es thun. Jn ſolchem Falle ſpielet der Koͤrper die Rolle der ſinnlichen Handlungen der Luͤſte, der Triebe, der Leidenſchaften, ohne daß dieſe doch wirklich in der Seele ſind. Wie kann man aber wohl hieraus den Schluß machen, daß ſie im Koͤrper vorhanden waͤren? Es iſt eine Kraft da, die ihre Wirkungen nachſchaffet, ſie moͤ- gen nun mitwirken, oder nicht: aber die rohe Materie kann nicht geluͤſten, nicht Eckel haben, nicht begehren, nicht verabſcheuen.
Zweyter Abſchnitt. Von der Erſetzung der Nervenwirkungen durch Seelenwirkungen.
§. 580.
Wir haben im vorigen Abſchnitte unterſuchet, welche Seelenwirkungen in den mechaniſchen Maſchinen des thieriſchen Koͤrpers durch Nervenwirkungen erſetzet wer- den koͤnnen, und der Erfahrung zu Folge wirklich erſetzet werden. Nunmehr muͤſſen wir auch ſehen, welche Ner- venwirkungen vermoͤge der Erfahrung durch Seelenwir- kungen erſetzet werden koͤnnen.
Es giebt drey Hauptarten von Nervenwirkungen in den mechaniſchen Maſchinen: erſtlich die, von urſpruͤnglichen innern ſinnlichen Eindruͤcken ohne Vorſtellungen, §. 490.
zum
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0611"n="587"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">2 Abſchn. Erſetz. der Nervenw. durch Seelenw.</hi></fw><lb/>
gen und Begierden, die abſtrakteſten Begriffe des Ver-<lb/>ſtandes und die edelſten Bewegungsgruͤnde, Leidenſchaften<lb/>
und Entſchluͤſſe des Willens. Es koͤnnen aber die aͤußern<lb/>ſinnlichen Eindruͤcke, welche die ſinnlichen Vorſtellungen,<lb/>
Luͤſte, Triebe und Leidenſchaften in die Seele bringen, wenn<lb/>ſie dieß Letzte auch nicht thun, dennoch diejenigen thieri-<lb/>ſchen Bewegungen im Koͤrper, durch ihre bloße Nerven-<lb/>
kraft, auch ſogar in eben der Ordnung und Folge hervor-<lb/>
bringen, die ſie als Seelenwirkungen im Koͤrper veran-<lb/>
laſſen, wenn ſie es thun. Jn ſolchem Falle ſpielet der<lb/>
Koͤrper die Rolle der ſinnlichen Handlungen der Luͤſte, der<lb/>
Triebe, der Leidenſchaften, ohne daß dieſe doch wirklich in<lb/>
der Seele ſind. Wie kann man aber wohl hieraus den<lb/>
Schluß machen, daß ſie im Koͤrper vorhanden waͤren? Es<lb/>
iſt eine Kraft da, die ihre Wirkungen nachſchaffet, ſie moͤ-<lb/>
gen nun mitwirken, oder nicht: aber die rohe Materie<lb/>
kann nicht geluͤſten, nicht Eckel haben, nicht begehren, nicht<lb/>
verabſcheuen.</p></div></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Zweyter Abſchnitt.</hi><lb/>
Von der Erſetzung der Nervenwirkungen durch<lb/>
Seelenwirkungen.</hi></head><lb/><divn="4"><head>§. 580.</head><lb/><p><hirendition="#in">W</hi>ir haben im vorigen Abſchnitte unterſuchet, welche<lb/>
Seelenwirkungen in den mechaniſchen Maſchinen<lb/>
des thieriſchen Koͤrpers durch Nervenwirkungen erſetzet wer-<lb/>
den koͤnnen, und der Erfahrung zu Folge wirklich erſetzet<lb/>
werden. Nunmehr muͤſſen wir auch ſehen, welche Ner-<lb/>
venwirkungen vermoͤge der Erfahrung durch Seelenwir-<lb/>
kungen erſetzet werden koͤnnen.</p><lb/><p>Es giebt drey Hauptarten von Nervenwirkungen in den<lb/>
mechaniſchen Maſchinen: erſtlich die, von urſpruͤnglichen<lb/>
innern ſinnlichen Eindruͤcken ohne Vorſtellungen, §. 490.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zum</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[587/0611]
2 Abſchn. Erſetz. der Nervenw. durch Seelenw.
gen und Begierden, die abſtrakteſten Begriffe des Ver-
ſtandes und die edelſten Bewegungsgruͤnde, Leidenſchaften
und Entſchluͤſſe des Willens. Es koͤnnen aber die aͤußern
ſinnlichen Eindruͤcke, welche die ſinnlichen Vorſtellungen,
Luͤſte, Triebe und Leidenſchaften in die Seele bringen, wenn
ſie dieß Letzte auch nicht thun, dennoch diejenigen thieri-
ſchen Bewegungen im Koͤrper, durch ihre bloße Nerven-
kraft, auch ſogar in eben der Ordnung und Folge hervor-
bringen, die ſie als Seelenwirkungen im Koͤrper veran-
laſſen, wenn ſie es thun. Jn ſolchem Falle ſpielet der
Koͤrper die Rolle der ſinnlichen Handlungen der Luͤſte, der
Triebe, der Leidenſchaften, ohne daß dieſe doch wirklich in
der Seele ſind. Wie kann man aber wohl hieraus den
Schluß machen, daß ſie im Koͤrper vorhanden waͤren? Es
iſt eine Kraft da, die ihre Wirkungen nachſchaffet, ſie moͤ-
gen nun mitwirken, oder nicht: aber die rohe Materie
kann nicht geluͤſten, nicht Eckel haben, nicht begehren, nicht
verabſcheuen.
Zweyter Abſchnitt.
Von der Erſetzung der Nervenwirkungen durch
Seelenwirkungen.
§. 580.
Wir haben im vorigen Abſchnitte unterſuchet, welche
Seelenwirkungen in den mechaniſchen Maſchinen
des thieriſchen Koͤrpers durch Nervenwirkungen erſetzet wer-
den koͤnnen, und der Erfahrung zu Folge wirklich erſetzet
werden. Nunmehr muͤſſen wir auch ſehen, welche Ner-
venwirkungen vermoͤge der Erfahrung durch Seelenwir-
kungen erſetzet werden koͤnnen.
Es giebt drey Hauptarten von Nervenwirkungen in den
mechaniſchen Maſchinen: erſtlich die, von urſpruͤnglichen
innern ſinnlichen Eindruͤcken ohne Vorſtellungen, §. 490.
zum
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/611>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.