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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
nischen Maschinen nach und nach aufhebt, indem es die
thierischen Seelenkräfte des Gehirns zu ihren natürlichen
Verrichtungen ungeschickt machet, §. 287. N. 1. so daß
sich, wie im Zustande jeder Schläfrigkeit, auch nicht ein-
mal von den äußern sinnlichen Eindrücken in die Nerven
materielle Empfindungen im Gehirne erzeugen; thut diese
seine thierische Wirkung nicht blos im Gehirne, sondern in
jedem Theile eines Nerven mit gleichen Erfolgen, indem
es eben sowohl die Nervenkräfte der Nerven als die thieri-
schen Seelenkräfte des Gehirns unwirksam machet. Wenn
man es an die Nerven eines enthaupteten Thieres appliciret;
so verändert und zerstöret es die Bewegung des Herzens
nur etwas langsamer, und so vernichtet es nicht nur die
Nervenkraft der Nerven zu unmittelbaren Nervenwirkun-
gen: denn ein Muskel verliert, nach Whytts Bemerkun-
gen, seine Reizbarkeit selbst plötzlich, wenn Opium an sei-
nen Nerven gebracht wird; sondern auch die, zu den mit-
talbaren Nervenwirkungen: denn es machet nicht nur die
Nerven, die es berühret, sondern alle im ganzen Körper zu-
gleich mit unempfindlich, mithin der äußern sinnlichen Ein-
drücke selbst und der Fortpflanzung und Reflexion derselben
in ihnen unfähig, welches, da es auch bey enthaupteten
Thieren erfolget, unmöglich auf dem Wege über das Ge-
hirn, sondern in den Nerven selbst geschehen muß. Es
hebt also die Seelenwirkungen in den mechanischen Ma-
schinen nicht blos dadurch auf, daß es durch seine Wirkung
ins Gehirn den Trieb zur Ruhe erreget, sondern auch in-
dem es blos den Nerven theils die Kraft nimmt, äußere
Eindrücke sinnlich anzunehmen, in sich fortzupflanzen, sie
auf ihrem Wege zum Gehirn zu reflektiren und sie ins Ge-
hirn zu senden, daß sie empfunden werden könnten, theils
indem es sie unvermögend machet, innere Eindrücke, sie
mögen von Vorstellungen oder andern Reizen herrühren,
sinnlich zu empfangen, sie abwärts bis in die mechanischen
Maschinen fortzupflanzen und dieselben dadurch zu den ih-
nen natürlichen thierischen Bewegungen zu reizen. Es ist

dieß

II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
niſchen Maſchinen nach und nach aufhebt, indem es die
thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns zu ihren natuͤrlichen
Verrichtungen ungeſchickt machet, §. 287. N. 1. ſo daß
ſich, wie im Zuſtande jeder Schlaͤfrigkeit, auch nicht ein-
mal von den aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken in die Nerven
materielle Empfindungen im Gehirne erzeugen; thut dieſe
ſeine thieriſche Wirkung nicht blos im Gehirne, ſondern in
jedem Theile eines Nerven mit gleichen Erfolgen, indem
es eben ſowohl die Nervenkraͤfte der Nerven als die thieri-
ſchen Seelenkraͤfte des Gehirns unwirkſam machet. Wenn
man es an die Nerven eines enthaupteten Thieres appliciret;
ſo veraͤndert und zerſtoͤret es die Bewegung des Herzens
nur etwas langſamer, und ſo vernichtet es nicht nur die
Nervenkraft der Nerven zu unmittelbaren Nervenwirkun-
gen: denn ein Muskel verliert, nach Whytts Bemerkun-
gen, ſeine Reizbarkeit ſelbſt ploͤtzlich, wenn Opium an ſei-
nen Nerven gebracht wird; ſondern auch die, zu den mit-
talbaren Nervenwirkungen: denn es machet nicht nur die
Nerven, die es beruͤhret, ſondern alle im ganzen Koͤrper zu-
gleich mit unempfindlich, mithin der aͤußern ſinnlichen Ein-
druͤcke ſelbſt und der Fortpflanzung und Reflexion derſelben
in ihnen unfaͤhig, welches, da es auch bey enthaupteten
Thieren erfolget, unmoͤglich auf dem Wege uͤber das Ge-
hirn, ſondern in den Nerven ſelbſt geſchehen muß. Es
hebt alſo die Seelenwirkungen in den mechaniſchen Ma-
ſchinen nicht blos dadurch auf, daß es durch ſeine Wirkung
ins Gehirn den Trieb zur Ruhe erreget, ſondern auch in-
dem es blos den Nerven theils die Kraft nimmt, aͤußere
Eindruͤcke ſinnlich anzunehmen, in ſich fortzupflanzen, ſie
auf ihrem Wege zum Gehirn zu reflektiren und ſie ins Ge-
hirn zu ſenden, daß ſie empfunden werden koͤnnten, theils
indem es ſie unvermoͤgend machet, innere Eindruͤcke, ſie
moͤgen von Vorſtellungen oder andern Reizen herruͤhren,
ſinnlich zu empfangen, ſie abwaͤrts bis in die mechaniſchen
Maſchinen fortzupflanzen und dieſelben dadurch zu den ih-
nen natuͤrlichen thieriſchen Bewegungen zu reizen. Es iſt

dieß
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[558/0582] II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr. niſchen Maſchinen nach und nach aufhebt, indem es die thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns zu ihren natuͤrlichen Verrichtungen ungeſchickt machet, §. 287. N. 1. ſo daß ſich, wie im Zuſtande jeder Schlaͤfrigkeit, auch nicht ein- mal von den aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken in die Nerven materielle Empfindungen im Gehirne erzeugen; thut dieſe ſeine thieriſche Wirkung nicht blos im Gehirne, ſondern in jedem Theile eines Nerven mit gleichen Erfolgen, indem es eben ſowohl die Nervenkraͤfte der Nerven als die thieri- ſchen Seelenkraͤfte des Gehirns unwirkſam machet. Wenn man es an die Nerven eines enthaupteten Thieres appliciret; ſo veraͤndert und zerſtoͤret es die Bewegung des Herzens nur etwas langſamer, und ſo vernichtet es nicht nur die Nervenkraft der Nerven zu unmittelbaren Nervenwirkun- gen: denn ein Muskel verliert, nach Whytts Bemerkun- gen, ſeine Reizbarkeit ſelbſt ploͤtzlich, wenn Opium an ſei- nen Nerven gebracht wird; ſondern auch die, zu den mit- talbaren Nervenwirkungen: denn es machet nicht nur die Nerven, die es beruͤhret, ſondern alle im ganzen Koͤrper zu- gleich mit unempfindlich, mithin der aͤußern ſinnlichen Ein- druͤcke ſelbſt und der Fortpflanzung und Reflexion derſelben in ihnen unfaͤhig, welches, da es auch bey enthaupteten Thieren erfolget, unmoͤglich auf dem Wege uͤber das Ge- hirn, ſondern in den Nerven ſelbſt geſchehen muß. Es hebt alſo die Seelenwirkungen in den mechaniſchen Ma- ſchinen nicht blos dadurch auf, daß es durch ſeine Wirkung ins Gehirn den Trieb zur Ruhe erreget, ſondern auch in- dem es blos den Nerven theils die Kraft nimmt, aͤußere Eindruͤcke ſinnlich anzunehmen, in ſich fortzupflanzen, ſie auf ihrem Wege zum Gehirn zu reflektiren und ſie ins Ge- hirn zu ſenden, daß ſie empfunden werden koͤnnten, theils indem es ſie unvermoͤgend machet, innere Eindruͤcke, ſie moͤgen von Vorſtellungen oder andern Reizen herruͤhren, ſinnlich zu empfangen, ſie abwaͤrts bis in die mechaniſchen Maſchinen fortzupflanzen und dieſelben dadurch zu den ih- nen natuͤrlichen thieriſchen Bewegungen zu reizen. Es iſt dieß

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/582>, abgerufen am 27.07.2024.