Gesellschaft, Scherze, die Befriedigung andrer Begier- den, reizende Empfindungen, Einbildungen, Vorherse- hungen, u. s. w.
§. 308.
Alle Arten der Leidenschaft der Liebe, die Gunst, Ge- wogenheit, Dankbarkeit, Barmherzigkeit, und die wohl- thätigen Tugenden, sind Arten sanfter Freude über Voll- kommenheiten andrer, §. 306. und haben die Seelenwir- kungen freudiger Leidenschaften in gemäßigten Graden. Da nun diese zur Gesundheit und Verlängerung des Lebens viel beytragen, §. 307. so saget man mit Recht und nach Er- fahrung, daß ein Menschenfeind und Lasterhafter sich selbst hasse, und daß Liebe, Freundschaft, Großmuth und Wohl- thätigkeit wesentliche Antheile des Lebens und der Gesund- heit sind. Man muß dieses edle Geschlecht von Leidenschaf- ten nicht mit dem Triebe, §. 289. auch nicht mit dem Af- fektentriebe der Verliebten, §. 302. verwechseln: denn die Leidenschaften, wovon hier die Rede ist, gründen sich allezeit ursprünglich auf klare Erkenntnisse, §. 91. sind al- so nie weder Triebe, §. 262. noch Affektentriebe, §. 206. 298. haben auch ganz andre sinnliche Reizungen und Be- friedigungen, als der Trieb und Affektentrieb der Liebe. Jede Art der Vollkommenheit, die wir an andern wahr- nehmen, kann uns zur Leidenschaft der Liebe bewegen: die sinnliche Reizung des Affektentriebes der Liebe ist einzig. §. 302. (Vergl. d. A. 2 B. 80 St.)
§. 309.
Jede unangenehme Leidenschaft, (Betrübniß, §. 259.) ist eine starke Verabscheuung aus verworrenen sinnlichen Triebfedern, §. 91. die sich nach den allgemeinen Gesetzen der Leidenschaften entwickelt, §. 94. 108. mithin weder durch den natürlichen Zwang der Triebe, §. 263. 265. noch der Affektentriebe, §. 296. 298. gewirket und befrie- diget wird. Jhre Seelenwirkungen sind aus denen von
einer
I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
Geſellſchaft, Scherze, die Befriedigung andrer Begier- den, reizende Empfindungen, Einbildungen, Vorherſe- hungen, u. ſ. w.
§. 308.
Alle Arten der Leidenſchaft der Liebe, die Gunſt, Ge- wogenheit, Dankbarkeit, Barmherzigkeit, und die wohl- thaͤtigen Tugenden, ſind Arten ſanfter Freude uͤber Voll- kommenheiten andrer, §. 306. und haben die Seelenwir- kungen freudiger Leidenſchaften in gemaͤßigten Graden. Da nun dieſe zur Geſundheit und Verlaͤngerung des Lebens viel beytragen, §. 307. ſo ſaget man mit Recht und nach Er- fahrung, daß ein Menſchenfeind und Laſterhafter ſich ſelbſt haſſe, und daß Liebe, Freundſchaft, Großmuth und Wohl- thaͤtigkeit weſentliche Antheile des Lebens und der Geſund- heit ſind. Man muß dieſes edle Geſchlecht von Leidenſchaf- ten nicht mit dem Triebe, §. 289. auch nicht mit dem Af- fektentriebe der Verliebten, §. 302. verwechſeln: denn die Leidenſchaften, wovon hier die Rede iſt, gruͤnden ſich allezeit urſpruͤnglich auf klare Erkenntniſſe, §. 91. ſind al- ſo nie weder Triebe, §. 262. noch Affektentriebe, §. 206. 298. haben auch ganz andre ſinnliche Reizungen und Be- friedigungen, als der Trieb und Affektentrieb der Liebe. Jede Art der Vollkommenheit, die wir an andern wahr- nehmen, kann uns zur Leidenſchaft der Liebe bewegen: die ſinnliche Reizung des Affektentriebes der Liebe iſt einzig. §. 302. (Vergl. d. A. 2 B. 80 St.)
§. 309.
Jede unangenehme Leidenſchaft, (Betruͤbniß, §. 259.) iſt eine ſtarke Verabſcheuung aus verworrenen ſinnlichen Triebfedern, §. 91. die ſich nach den allgemeinen Geſetzen der Leidenſchaften entwickelt, §. 94. 108. mithin weder durch den natuͤrlichen Zwang der Triebe, §. 263. 265. noch der Affektentriebe, §. 296. 298. gewirket und befrie- diget wird. Jhre Seelenwirkungen ſind aus denen von
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[304/0328]
I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
Geſellſchaft, Scherze, die Befriedigung andrer Begier-
den, reizende Empfindungen, Einbildungen, Vorherſe-
hungen, u. ſ. w.
§. 308.
Alle Arten der Leidenſchaft der Liebe, die Gunſt, Ge-
wogenheit, Dankbarkeit, Barmherzigkeit, und die wohl-
thaͤtigen Tugenden, ſind Arten ſanfter Freude uͤber Voll-
kommenheiten andrer, §. 306. und haben die Seelenwir-
kungen freudiger Leidenſchaften in gemaͤßigten Graden. Da
nun dieſe zur Geſundheit und Verlaͤngerung des Lebens viel
beytragen, §. 307. ſo ſaget man mit Recht und nach Er-
fahrung, daß ein Menſchenfeind und Laſterhafter ſich ſelbſt
haſſe, und daß Liebe, Freundſchaft, Großmuth und Wohl-
thaͤtigkeit weſentliche Antheile des Lebens und der Geſund-
heit ſind. Man muß dieſes edle Geſchlecht von Leidenſchaf-
ten nicht mit dem Triebe, §. 289. auch nicht mit dem Af-
fektentriebe der Verliebten, §. 302. verwechſeln: denn
die Leidenſchaften, wovon hier die Rede iſt, gruͤnden ſich
allezeit urſpruͤnglich auf klare Erkenntniſſe, §. 91. ſind al-
ſo nie weder Triebe, §. 262. noch Affektentriebe, §. 206.
298. haben auch ganz andre ſinnliche Reizungen und Be-
friedigungen, als der Trieb und Affektentrieb der Liebe.
Jede Art der Vollkommenheit, die wir an andern wahr-
nehmen, kann uns zur Leidenſchaft der Liebe bewegen: die
ſinnliche Reizung des Affektentriebes der Liebe iſt einzig.
§. 302. (Vergl. d. A. 2 B. 80 St.)
§. 309.
Jede unangenehme Leidenſchaft, (Betruͤbniß, §. 259.)
iſt eine ſtarke Verabſcheuung aus verworrenen ſinnlichen
Triebfedern, §. 91. die ſich nach den allgemeinen Geſetzen
der Leidenſchaften entwickelt, §. 94. 108. mithin weder
durch den natuͤrlichen Zwang der Triebe, §. 263. 265.
noch der Affektentriebe, §. 296. 298. gewirket und befrie-
diget wird. Jhre Seelenwirkungen ſind aus denen von
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/328>, abgerufen am 21.11.2024.
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