Zufriedenheit, Hoffnung und Gemüthsruhe eigen sind. Jn so fern unterhält also die Freude das Leben, indem sie die Gesundheit befördert: nur muß sie nicht zu heftig seyn, weil alles übertriebene Natürliche widernatürlich wird. §. 259. Daher vermehret eine zu große und schnelle Freude die Lebensbewegungen so sehr, daß die Ausdünstung über- trieben, und der Mensch ohnmächtig, oder daß das Herz übermäßig angestrenget, oder mit Blute überhäufet, und dadurch entweder ein Schlagfluß im Gehirne erzeuget, oder auch seine Bewegung schnell anfgehoben wird, wovon ein augenblicklicher Tod erfolgen muß. Es sind also nicht so- wohl die Triebe und Leidenschaften zum Vergnügen, Wol- lüste, Fröhlichkeit und andre heftige Ausbrüche eines freudi- gen Gemüths, die uns gesund erhalten, und ein hohes Al- ter befördern; sondern es ist eine anhaltende Heiterkeit und Zufriedenheit des Gemüths, ein sanftes, sich gleiches Ver- gnügen, wie man in der Ausübung stiller Tugenden ge- nießt. §. 252. Jnzwischen können mancherley Krankhei- ten des Körpers, in so fern sie von widernatürlich verän- derten, oder zu schwachen natürlichen Lebensbewegungen herrühren, wenigstens um ihrentwillen nicht vergehen, durch eine fröhliche Leidenschaft curiret werden, wovon die Geschichte viel Beyspiele liefert.
Die Seelenwirkungen freudiger Leidenschaften, die von der Vorhersehung ihres Gegenstandes herrühren, und den Zustand ihrer Befriedigung unvollkommen ausdrücken, §. 257. sind mehrentheils sinnlich willkührliche Bewegungen, Tanzen, Springen, Lachen, Singen, Reden, und lau- ter solche Handlungen, die den wirklichen Genuß eines leb- haften sinnlichen Vergnügens, und die dadurch erregten Nebenvorstellungen und Nebenbegierden begleiten. Diese willkührlichen Bewegungen werden von den Leidenschaften und Trieben auf ähnliche Weise gewirket, §. 257. und man kann darüber §. 283 -- 285. vergleichen. Alles, was in der Seele eine lebhafte sinnliche Lust erreget, kann freudige Leidenschaften veranlassen, z. E. Wein, Musik,
Gesell-
der Leidenſchaften.
Zufriedenheit, Hoffnung und Gemuͤthsruhe eigen ſind. Jn ſo fern unterhaͤlt alſo die Freude das Leben, indem ſie die Geſundheit befoͤrdert: nur muß ſie nicht zu heftig ſeyn, weil alles uͤbertriebene Natuͤrliche widernatuͤrlich wird. §. 259. Daher vermehret eine zu große und ſchnelle Freude die Lebensbewegungen ſo ſehr, daß die Ausduͤnſtung uͤber- trieben, und der Menſch ohnmaͤchtig, oder daß das Herz uͤbermaͤßig angeſtrenget, oder mit Blute uͤberhaͤufet, und dadurch entweder ein Schlagfluß im Gehirne erzeuget, oder auch ſeine Bewegung ſchnell anfgehoben wird, wovon ein augenblicklicher Tod erfolgen muß. Es ſind alſo nicht ſo- wohl die Triebe und Leidenſchaften zum Vergnuͤgen, Wol- luͤſte, Froͤhlichkeit und andre heftige Ausbruͤche eines freudi- gen Gemuͤths, die uns geſund erhalten, und ein hohes Al- ter befoͤrdern; ſondern es iſt eine anhaltende Heiterkeit und Zufriedenheit des Gemuͤths, ein ſanftes, ſich gleiches Ver- gnuͤgen, wie man in der Ausuͤbung ſtiller Tugenden ge- nießt. §. 252. Jnzwiſchen koͤnnen mancherley Krankhei- ten des Koͤrpers, in ſo fern ſie von widernatuͤrlich veraͤn- derten, oder zu ſchwachen natuͤrlichen Lebensbewegungen herruͤhren, wenigſtens um ihrentwillen nicht vergehen, durch eine froͤhliche Leidenſchaft curiret werden, wovon die Geſchichte viel Beyſpiele liefert.
Die Seelenwirkungen freudiger Leidenſchaften, die von der Vorherſehung ihres Gegenſtandes herruͤhren, und den Zuſtand ihrer Befriedigung unvollkommen ausdruͤcken, §. 257. ſind mehrentheils ſinnlich willkuͤhrliche Bewegungen, Tanzen, Springen, Lachen, Singen, Reden, und lau- ter ſolche Handlungen, die den wirklichen Genuß eines leb- haften ſinnlichen Vergnuͤgens, und die dadurch erregten Nebenvorſtellungen und Nebenbegierden begleiten. Dieſe willkuͤhrlichen Bewegungen werden von den Leidenſchaften und Trieben auf aͤhnliche Weiſe gewirket, §. 257. und man kann daruͤber §. 283 — 285. vergleichen. Alles, was in der Seele eine lebhafte ſinnliche Luſt erreget, kann freudige Leidenſchaften veranlaſſen, z. E. Wein, Muſik,
Geſell-
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der Leidenſchaften.
Zufriedenheit, Hoffnung und Gemuͤthsruhe eigen ſind.
Jn ſo fern unterhaͤlt alſo die Freude das Leben, indem ſie
die Geſundheit befoͤrdert: nur muß ſie nicht zu heftig ſeyn,
weil alles uͤbertriebene Natuͤrliche widernatuͤrlich wird. §.
259. Daher vermehret eine zu große und ſchnelle Freude
die Lebensbewegungen ſo ſehr, daß die Ausduͤnſtung uͤber-
trieben, und der Menſch ohnmaͤchtig, oder daß das Herz
uͤbermaͤßig angeſtrenget, oder mit Blute uͤberhaͤufet, und
dadurch entweder ein Schlagfluß im Gehirne erzeuget, oder
auch ſeine Bewegung ſchnell anfgehoben wird, wovon ein
augenblicklicher Tod erfolgen muß. Es ſind alſo nicht ſo-
wohl die Triebe und Leidenſchaften zum Vergnuͤgen, Wol-
luͤſte, Froͤhlichkeit und andre heftige Ausbruͤche eines freudi-
gen Gemuͤths, die uns geſund erhalten, und ein hohes Al-
ter befoͤrdern; ſondern es iſt eine anhaltende Heiterkeit und
Zufriedenheit des Gemuͤths, ein ſanftes, ſich gleiches Ver-
gnuͤgen, wie man in der Ausuͤbung ſtiller Tugenden ge-
nießt. §. 252. Jnzwiſchen koͤnnen mancherley Krankhei-
ten des Koͤrpers, in ſo fern ſie von widernatuͤrlich veraͤn-
derten, oder zu ſchwachen natuͤrlichen Lebensbewegungen
herruͤhren, wenigſtens um ihrentwillen nicht vergehen,
durch eine froͤhliche Leidenſchaft curiret werden, wovon die
Geſchichte viel Beyſpiele liefert.
Die Seelenwirkungen freudiger Leidenſchaften, die von
der Vorherſehung ihres Gegenſtandes herruͤhren, und den
Zuſtand ihrer Befriedigung unvollkommen ausdruͤcken, §.
257. ſind mehrentheils ſinnlich willkuͤhrliche Bewegungen,
Tanzen, Springen, Lachen, Singen, Reden, und lau-
ter ſolche Handlungen, die den wirklichen Genuß eines leb-
haften ſinnlichen Vergnuͤgens, und die dadurch erregten
Nebenvorſtellungen und Nebenbegierden begleiten. Dieſe
willkuͤhrlichen Bewegungen werden von den Leidenſchaften
und Trieben auf aͤhnliche Weiſe gewirket, §. 257. und
man kann daruͤber §. 283 — 285. vergleichen. Alles,
was in der Seele eine lebhafte ſinnliche Luſt erreget, kann
freudige Leidenſchaften veranlaſſen, z. E. Wein, Muſik,
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/327>, abgerufen am 16.02.2025.
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