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Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Nun denn, Scholastika! rief der Greis.

O dieser süße, heilige Name! seufzte mit verklärtem Lächeln die schöne, junge Frau, und ihre Blicke und Hände wandten sich dem Himmel zu. Dann plötzlich gingen die Schatten des Todes über ihr Antlitz, und sie sagte dumpf: Ich bin verstoßen, mein Vater! das Urtheil ist über mein Haupt gesprochen! Ich bin verloren, ich bin verdammt!

Um Gotteswillen, mein theures Kind! hüten Sie sich, so schlimme Worte auszustoßen, während die Geister des Friedens, der Liebe und des Erbarmens an dem Sterbebette eines alten Mannes stehen und Sie hören. Warum immer nur dieser jammervolle Rückfall in Trübsinn und Mißmuth? Kann der blühende Geist der Kunst, dieses süße, frische Herz der Schönheit Sie nicht muthvoll und wacker erhalten? Haben wir nicht Beide an dem Altare gestanden, auf den Himmelsflammen zum Opfer niederwehen, und sah ich Sie, meine Tochter, nicht vor allen Priesterinnen begnadigt und auserlesen? O, was kommen Sie jetzt, die letzten Stunden eines armen Alten, der Sie liebt, mit Bitterkeit zu füllen!

Wenn ich's verhindern könnte! rief Scholastika mit einem Schmerzensschrei; wie viel lieber vergösse ich mein Blut. Aber es ist aus mit mir! Ich bin besiegt und getödtet.

Hat man Sie angefeindet? Hat man Ihre Werke getadelt und herabgesetzt?

Nein, o nein! Dies wäre Balsam für mein Herz! rief die Weinende. Je mehr diese falsche Welt bewundert,

Nun denn, Scholastika! rief der Greis.

O dieser süße, heilige Name! seufzte mit verklärtem Lächeln die schöne, junge Frau, und ihre Blicke und Hände wandten sich dem Himmel zu. Dann plötzlich gingen die Schatten des Todes über ihr Antlitz, und sie sagte dumpf: Ich bin verstoßen, mein Vater! das Urtheil ist über mein Haupt gesprochen! Ich bin verloren, ich bin verdammt!

Um Gotteswillen, mein theures Kind! hüten Sie sich, so schlimme Worte auszustoßen, während die Geister des Friedens, der Liebe und des Erbarmens an dem Sterbebette eines alten Mannes stehen und Sie hören. Warum immer nur dieser jammervolle Rückfall in Trübsinn und Mißmuth? Kann der blühende Geist der Kunst, dieses süße, frische Herz der Schönheit Sie nicht muthvoll und wacker erhalten? Haben wir nicht Beide an dem Altare gestanden, auf den Himmelsflammen zum Opfer niederwehen, und sah ich Sie, meine Tochter, nicht vor allen Priesterinnen begnadigt und auserlesen? O, was kommen Sie jetzt, die letzten Stunden eines armen Alten, der Sie liebt, mit Bitterkeit zu füllen!

Wenn ich's verhindern könnte! rief Scholastika mit einem Schmerzensschrei; wie viel lieber vergösse ich mein Blut. Aber es ist aus mit mir! Ich bin besiegt und getödtet.

Hat man Sie angefeindet? Hat man Ihre Werke getadelt und herabgesetzt?

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[0093] Nun denn, Scholastika! rief der Greis. O dieser süße, heilige Name! seufzte mit verklärtem Lächeln die schöne, junge Frau, und ihre Blicke und Hände wandten sich dem Himmel zu. Dann plötzlich gingen die Schatten des Todes über ihr Antlitz, und sie sagte dumpf: Ich bin verstoßen, mein Vater! das Urtheil ist über mein Haupt gesprochen! Ich bin verloren, ich bin verdammt! Um Gotteswillen, mein theures Kind! hüten Sie sich, so schlimme Worte auszustoßen, während die Geister des Friedens, der Liebe und des Erbarmens an dem Sterbebette eines alten Mannes stehen und Sie hören. Warum immer nur dieser jammervolle Rückfall in Trübsinn und Mißmuth? Kann der blühende Geist der Kunst, dieses süße, frische Herz der Schönheit Sie nicht muthvoll und wacker erhalten? Haben wir nicht Beide an dem Altare gestanden, auf den Himmelsflammen zum Opfer niederwehen, und sah ich Sie, meine Tochter, nicht vor allen Priesterinnen begnadigt und auserlesen? O, was kommen Sie jetzt, die letzten Stunden eines armen Alten, der Sie liebt, mit Bitterkeit zu füllen! Wenn ich's verhindern könnte! rief Scholastika mit einem Schmerzensschrei; wie viel lieber vergösse ich mein Blut. Aber es ist aus mit mir! Ich bin besiegt und getödtet. Hat man Sie angefeindet? Hat man Ihre Werke getadelt und herabgesetzt? Nein, o nein! Dies wäre Balsam für mein Herz! rief die Weinende. Je mehr diese falsche Welt bewundert,

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:43:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/93>, abgerufen am 05.05.2024.