Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.säuerte und verschimmelte Geschichten erzählen lassen, zum Bewundern gut kenne ich die schlechten Späßchen, mit denen die Elegants beim Regiment zur Zeit Catharinens sich die Zeit vertrieben, ich gehe sogar noch weiter hinauf und lasse mir antediluvianische Schwänke erzählen, die ich weiß nicht in welche fabelhafte Periode der Regierungsepoche der Kaiserin Anna oder Elisabeth fallen. Kurz, ich leiste das Unmögliche, und im Vertrauen gesagt, es ist jetzt genug. Was mich betrifft, entgegnete Dimitri, so langweile ich mich durchaus nicht. Ich will's glauben, rief der Blonde lachend. Wenn man Abälard und Heloise spielt, so hat man fürs Erste schon eine Beschäftigung. Aber gesteh mir offen, wie lange willst du diesen Roman ausspinnen? Soll ich darüber zum Teufel gehen? Sprich ein wenig gesitteter, sagte Dimitri. O warum nicht gar! Du spielst wohl den Heuchler. Du denkst, weil du ein paar schlechte Bilder malst mit Messingdrähten um den Kopf, daß du dann den Apostel gegen uns spielen kannst. Mein Freund, ich habe dich zu oft am grünen Tisch gesehen und zu oft in Gesellschaft von -- Gieb mir die rothe Farbe dort her -- Sehr gern; da hast du sie; sie duftet nach Terpentin und hat mir meine Handschuh verdorben; doch wovon wollte ich sprechen? richtig! -- Gegen deine Kameraden, liebes Herz, da sei nur hübsch aufrichtig. Keine Flausen. Du bist kein Heiliger, und ich bin keiner. Wenn dir säuerte und verschimmelte Geschichten erzählen lassen, zum Bewundern gut kenne ich die schlechten Späßchen, mit denen die Elegants beim Regiment zur Zeit Catharinens sich die Zeit vertrieben, ich gehe sogar noch weiter hinauf und lasse mir antediluvianische Schwänke erzählen, die ich weiß nicht in welche fabelhafte Periode der Regierungsepoche der Kaiserin Anna oder Elisabeth fallen. Kurz, ich leiste das Unmögliche, und im Vertrauen gesagt, es ist jetzt genug. Was mich betrifft, entgegnete Dimitri, so langweile ich mich durchaus nicht. Ich will's glauben, rief der Blonde lachend. Wenn man Abälard und Heloise spielt, so hat man fürs Erste schon eine Beschäftigung. Aber gesteh mir offen, wie lange willst du diesen Roman ausspinnen? Soll ich darüber zum Teufel gehen? Sprich ein wenig gesitteter, sagte Dimitri. O warum nicht gar! Du spielst wohl den Heuchler. Du denkst, weil du ein paar schlechte Bilder malst mit Messingdrähten um den Kopf, daß du dann den Apostel gegen uns spielen kannst. Mein Freund, ich habe dich zu oft am grünen Tisch gesehen und zu oft in Gesellschaft von — Gieb mir die rothe Farbe dort her — Sehr gern; da hast du sie; sie duftet nach Terpentin und hat mir meine Handschuh verdorben; doch wovon wollte ich sprechen? richtig! — Gegen deine Kameraden, liebes Herz, da sei nur hübsch aufrichtig. Keine Flausen. Du bist kein Heiliger, und ich bin keiner. Wenn dir <TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0061"/> säuerte und verschimmelte Geschichten erzählen lassen, zum Bewundern gut kenne ich die schlechten Späßchen, mit denen die Elegants beim Regiment zur Zeit Catharinens sich die Zeit vertrieben, ich gehe sogar noch weiter hinauf und lasse mir antediluvianische Schwänke erzählen, die ich weiß nicht in welche fabelhafte Periode der Regierungsepoche der Kaiserin Anna oder Elisabeth fallen. Kurz, ich leiste das Unmögliche, und im Vertrauen gesagt, es ist jetzt genug.</p><lb/> <p>Was mich betrifft, entgegnete Dimitri, so langweile ich mich durchaus nicht.</p><lb/> <p>Ich will's glauben, rief der Blonde lachend. Wenn man Abälard und Heloise spielt, so hat man fürs Erste schon eine Beschäftigung. Aber gesteh mir offen, wie lange willst du diesen Roman ausspinnen? Soll ich darüber zum Teufel gehen?</p><lb/> <p>Sprich ein wenig gesitteter, sagte Dimitri.</p><lb/> <p>O warum nicht gar! Du spielst wohl den Heuchler. Du denkst, weil du ein paar schlechte Bilder malst mit Messingdrähten um den Kopf, daß du dann den Apostel gegen uns spielen kannst. Mein Freund, ich habe dich zu oft am grünen Tisch gesehen und zu oft in Gesellschaft von —</p><lb/> <p>Gieb mir die rothe Farbe dort her —</p><lb/> <p>Sehr gern; da hast du sie; sie duftet nach Terpentin und hat mir meine Handschuh verdorben; doch wovon wollte ich sprechen? richtig! — Gegen deine Kameraden, liebes Herz, da sei nur hübsch aufrichtig. Keine Flausen. Du bist kein Heiliger, und ich bin keiner. Wenn dir<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0061]
säuerte und verschimmelte Geschichten erzählen lassen, zum Bewundern gut kenne ich die schlechten Späßchen, mit denen die Elegants beim Regiment zur Zeit Catharinens sich die Zeit vertrieben, ich gehe sogar noch weiter hinauf und lasse mir antediluvianische Schwänke erzählen, die ich weiß nicht in welche fabelhafte Periode der Regierungsepoche der Kaiserin Anna oder Elisabeth fallen. Kurz, ich leiste das Unmögliche, und im Vertrauen gesagt, es ist jetzt genug.
Was mich betrifft, entgegnete Dimitri, so langweile ich mich durchaus nicht.
Ich will's glauben, rief der Blonde lachend. Wenn man Abälard und Heloise spielt, so hat man fürs Erste schon eine Beschäftigung. Aber gesteh mir offen, wie lange willst du diesen Roman ausspinnen? Soll ich darüber zum Teufel gehen?
Sprich ein wenig gesitteter, sagte Dimitri.
O warum nicht gar! Du spielst wohl den Heuchler. Du denkst, weil du ein paar schlechte Bilder malst mit Messingdrähten um den Kopf, daß du dann den Apostel gegen uns spielen kannst. Mein Freund, ich habe dich zu oft am grünen Tisch gesehen und zu oft in Gesellschaft von —
Gieb mir die rothe Farbe dort her —
Sehr gern; da hast du sie; sie duftet nach Terpentin und hat mir meine Handschuh verdorben; doch wovon wollte ich sprechen? richtig! — Gegen deine Kameraden, liebes Herz, da sei nur hübsch aufrichtig. Keine Flausen. Du bist kein Heiliger, und ich bin keiner. Wenn dir
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/61 |
Zitationshilfe: | Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/61>, abgerufen am 16.02.2025. |