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Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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nung ansieht; das ist die alte Carikatur, wie sie leibt und lebt. Ei wahrhaftig, man muß in diesen Winkel der Welt kommen, um eine Nonne Schlittschuh laufen zu sehen! Jetzt merkte ich, daß es auf mich gemünzt war; da ich aber keinen öffentlichen Spaß liebe, so kehrte ich bescheiden um, bestieg wieder meinen Rappen und zog weiter. Im Dorfe angekommen, erkundigte ich mich nach dem Namen und Stand der jungen Lachvögel, aber man wußte noch nichts von ihnen. In der Schenke selbst begegnete mir noch ein Abenteuer. Ich sitze mit dem Rücken gegen die Thür, da kommt ein Mann herein und giebt mir sogleich einen derben Schlag auf die Schulter. Ich wende mich um und sage ihm, daß dies nicht Sitte sei; doch vor Schreck will mir beinah das Branntweingläschen, das ich in der Hand hatte, entfallen, denn wen erkenne ich in jenem Eintretenden? Jermack! Wahrhaftig Niemand anders als den Kosaken, der in dem Hause meiner Eltern einst einquartirt war, und von dem es hieß, daß er mich heirathen wolle. Die Geschichte ist jetzt schon dreißig Jahr alt. Er nannte mich seine Braut und wollte mich küssen. Jermack! sagte ich ihm, ich bin jetzt die Braut Christi. Wessen Braut? rief er lallend; der Arme, er hatte mich nicht verstanden, und schreiend rief er: O du altes Wunderwerk! fängst du schon gleich so an, zweier Männer Braut zu sein! Ljubow, nimm dich in Acht, es wird ein schlimmes Ende nehmen. Das Tändeln so alter Mädchen, wie du eines bist, geräth niemals zum Besten! Deine morschen Glieder

nung ansieht; das ist die alte Carikatur, wie sie leibt und lebt. Ei wahrhaftig, man muß in diesen Winkel der Welt kommen, um eine Nonne Schlittschuh laufen zu sehen! Jetzt merkte ich, daß es auf mich gemünzt war; da ich aber keinen öffentlichen Spaß liebe, so kehrte ich bescheiden um, bestieg wieder meinen Rappen und zog weiter. Im Dorfe angekommen, erkundigte ich mich nach dem Namen und Stand der jungen Lachvögel, aber man wußte noch nichts von ihnen. In der Schenke selbst begegnete mir noch ein Abenteuer. Ich sitze mit dem Rücken gegen die Thür, da kommt ein Mann herein und giebt mir sogleich einen derben Schlag auf die Schulter. Ich wende mich um und sage ihm, daß dies nicht Sitte sei; doch vor Schreck will mir beinah das Branntweingläschen, das ich in der Hand hatte, entfallen, denn wen erkenne ich in jenem Eintretenden? Jermack! Wahrhaftig Niemand anders als den Kosaken, der in dem Hause meiner Eltern einst einquartirt war, und von dem es hieß, daß er mich heirathen wolle. Die Geschichte ist jetzt schon dreißig Jahr alt. Er nannte mich seine Braut und wollte mich küssen. Jermack! sagte ich ihm, ich bin jetzt die Braut Christi. Wessen Braut? rief er lallend; der Arme, er hatte mich nicht verstanden, und schreiend rief er: O du altes Wunderwerk! fängst du schon gleich so an, zweier Männer Braut zu sein! Ljubow, nimm dich in Acht, es wird ein schlimmes Ende nehmen. Das Tändeln so alter Mädchen, wie du eines bist, geräth niemals zum Besten! Deine morschen Glieder

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[0033] nung ansieht; das ist die alte Carikatur, wie sie leibt und lebt. Ei wahrhaftig, man muß in diesen Winkel der Welt kommen, um eine Nonne Schlittschuh laufen zu sehen! Jetzt merkte ich, daß es auf mich gemünzt war; da ich aber keinen öffentlichen Spaß liebe, so kehrte ich bescheiden um, bestieg wieder meinen Rappen und zog weiter. Im Dorfe angekommen, erkundigte ich mich nach dem Namen und Stand der jungen Lachvögel, aber man wußte noch nichts von ihnen. In der Schenke selbst begegnete mir noch ein Abenteuer. Ich sitze mit dem Rücken gegen die Thür, da kommt ein Mann herein und giebt mir sogleich einen derben Schlag auf die Schulter. Ich wende mich um und sage ihm, daß dies nicht Sitte sei; doch vor Schreck will mir beinah das Branntweingläschen, das ich in der Hand hatte, entfallen, denn wen erkenne ich in jenem Eintretenden? Jermack! Wahrhaftig Niemand anders als den Kosaken, der in dem Hause meiner Eltern einst einquartirt war, und von dem es hieß, daß er mich heirathen wolle. Die Geschichte ist jetzt schon dreißig Jahr alt. Er nannte mich seine Braut und wollte mich küssen. Jermack! sagte ich ihm, ich bin jetzt die Braut Christi. Wessen Braut? rief er lallend; der Arme, er hatte mich nicht verstanden, und schreiend rief er: O du altes Wunderwerk! fängst du schon gleich so an, zweier Männer Braut zu sein! Ljubow, nimm dich in Acht, es wird ein schlimmes Ende nehmen. Das Tändeln so alter Mädchen, wie du eines bist, geräth niemals zum Besten! Deine morschen Glieder

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:43:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:43:38Z)

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Zitationshilfe: Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/33>, abgerufen am 19.04.2024.