Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

Bild:
<< vorherige Seite

von der Scansion.
genau zu erkennen geben, so gehöret der Thon auf das
Wort Lieben, und müste also klingen:
Jch liebe dich.
Wolte ich endlich zeigen, daß ich niemand anders, als
ihn liebete, den ich mit solchen Worten anredete, so fällt
der Thon auf das Wort Dich, und lautet es alsdenn
also:
Jch liebe dich.
Wenn nun die Verse in Schauspielen, oder bey an-
dern Vorstellungen mündlich sollen vorgebracht wer-
den, so muß der Accent allemal auf das rechte Wort
gesetzet werden, wofern man glauben soll, daß der jeni-
ge, so da redet, auch wisse, was er redet.

4. Was hat es denn nun mit dem Abschnitte
vor eine Bewandniß?

Der Abschnitt ist, da man die langen Zeilen gleich-
sam in der Mitten zertheilet, und ein wenig mit der Zun-
ge inne hält. z. e.

Wer fromm und lustig ist | der hat das höchste Gut.

Bisweilen hat man in einer Zeile eine gantze Sentenz,
und alsdenn wird der Abschnitt im reden nicht so deut-
lich ausgedrücket. z. e.

Ein treuer Ehemann liebt seine Frau von Hertzen.

Wer nun bey dem Abschnitte nicht fehlen will, der muß
folgende Reguln beobachten:

I. Der Abschnitt muß gemacht werden, nicht, wo
nur die Worte, sondern, wo einiger Verstand aus
ist. z. e.

Dieses ist falsch:

Die Mädgen sind gar sehr | verliebet und geschossen.
Die-
C 2

von der Scanſion.
genau zu erkennen geben, ſo gehoͤret der Thon auf das
Wort Lieben, und muͤſte alſo klingen:
Jch liebe dich.
Wolte ich endlich zeigen, daß ich niemand anders, als
ihn liebete, den ich mit ſolchen Worten anredete, ſo faͤllt
der Thon auf das Wort Dich, und lautet es alsdenn
alſo:
Jch liebe dich.
Wenn nun die Verſe in Schauſpielen, oder bey an-
dern Vorſtellungen muͤndlich ſollen vorgebracht wer-
den, ſo muß der Accent allemal auf das rechte Wort
geſetzet werden, wofern man glauben ſoll, daß der jeni-
ge, ſo da redet, auch wiſſe, was er redet.

4. Was hat es denn nun mit dem Abſchnitte
vor eine Bewandniß?

Der Abſchnitt iſt, da man die langen Zeilen gleich-
ſam in der Mitten zertheilet, und ein wenig mit der Zun-
ge inne haͤlt. z. e.

Wer fromm und luſtig iſt | der hat das hoͤchſte Gut.

Bisweilen hat man in einer Zeile eine gantze Sentenz,
und alsdenn wird der Abſchnitt im reden nicht ſo deut-
lich ausgedruͤcket. z. e.

Ein treuer Ehemann liebt ſeine Frau von Hertzen.

Wer nun bey dem Abſchnitte nicht fehlen will, der muß
folgende Reguln beobachten:

I. Der Abſchnitt muß gemacht werden, nicht, wo
nur die Worte, ſondern, wo einiger Verſtand aus
iſt. z. e.

Dieſes iſt falſch:

Die Mädgen ſind gar ſehr | verliebet und geſchoſſen.
Die-
C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0037" n="33"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von der <hi rendition="#aq">Scan&#x017F;ion.</hi></hi></fw><lb/>
genau zu erkennen geben, &#x017F;o geho&#x0364;ret der Thon auf das<lb/>
Wort <hi rendition="#fr">Lieben,</hi> und mu&#x0364;&#x017F;te al&#x017F;o klingen:<lb/><hi rendition="#c">Jch <hi rendition="#fr">liebe</hi> dich.</hi><lb/>
Wolte ich endlich zeigen, daß ich niemand anders, als<lb/>
ihn liebete, den ich mit &#x017F;olchen Worten anredete, &#x017F;o fa&#x0364;llt<lb/>
der Thon auf das Wort <hi rendition="#fr">Dich,</hi> und lautet es alsdenn<lb/>
al&#x017F;o:<lb/><hi rendition="#c">Jch liebe <hi rendition="#fr">dich.</hi></hi><lb/>
Wenn nun die Ver&#x017F;e in Schau&#x017F;pielen, oder bey an-<lb/>
dern Vor&#x017F;tellungen mu&#x0364;ndlich &#x017F;ollen vorgebracht wer-<lb/>
den, &#x017F;o muß der <hi rendition="#aq">Accent</hi> allemal auf das rechte Wort<lb/>
ge&#x017F;etzet werden, wofern man glauben &#x017F;oll, daß der jeni-<lb/>
ge, &#x017F;o da redet, auch wi&#x017F;&#x017F;e, was er redet.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">4. Was hat es denn nun mit dem Ab&#x017F;chnitte<lb/>
vor eine Bewandniß?</hi> </head><lb/>
          <p>Der Ab&#x017F;chnitt i&#x017F;t, da man die langen Zeilen gleich-<lb/>
&#x017F;am in der Mitten zertheilet, und ein wenig mit der Zun-<lb/>
ge inne ha&#x0364;lt. z. e.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Wer fromm und lu&#x017F;tig i&#x017F;t | der hat das ho&#x0364;ch&#x017F;te Gut.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Bisweilen hat man in einer Zeile eine gantze <hi rendition="#aq">Sentenz,</hi><lb/>
und alsdenn wird der Ab&#x017F;chnitt im reden nicht &#x017F;o deut-<lb/>
lich ausgedru&#x0364;cket. z. e.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Ein treuer Ehemann liebt &#x017F;eine Frau von Hertzen.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Wer nun bey dem Ab&#x017F;chnitte nicht fehlen will, der muß<lb/>
folgende Reguln beobachten:</p><lb/>
          <list>
            <item><hi rendition="#aq">I.</hi> Der Ab&#x017F;chnitt muß gemacht werden, nicht, wo<lb/>
nur die Worte, &#x017F;ondern, wo einiger Ver&#x017F;tand aus<lb/>
i&#x017F;t. z. e.</item>
          </list><lb/>
          <p>Die&#x017F;es i&#x017F;t fal&#x017F;ch:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Die Mädgen &#x017F;ind gar &#x017F;ehr | verliebet und ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">C 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Die-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0037] von der Scanſion. genau zu erkennen geben, ſo gehoͤret der Thon auf das Wort Lieben, und muͤſte alſo klingen: Jch liebe dich. Wolte ich endlich zeigen, daß ich niemand anders, als ihn liebete, den ich mit ſolchen Worten anredete, ſo faͤllt der Thon auf das Wort Dich, und lautet es alsdenn alſo: Jch liebe dich. Wenn nun die Verſe in Schauſpielen, oder bey an- dern Vorſtellungen muͤndlich ſollen vorgebracht wer- den, ſo muß der Accent allemal auf das rechte Wort geſetzet werden, wofern man glauben ſoll, daß der jeni- ge, ſo da redet, auch wiſſe, was er redet. 4. Was hat es denn nun mit dem Abſchnitte vor eine Bewandniß? Der Abſchnitt iſt, da man die langen Zeilen gleich- ſam in der Mitten zertheilet, und ein wenig mit der Zun- ge inne haͤlt. z. e. Wer fromm und luſtig iſt | der hat das hoͤchſte Gut. Bisweilen hat man in einer Zeile eine gantze Sentenz, und alsdenn wird der Abſchnitt im reden nicht ſo deut- lich ausgedruͤcket. z. e. Ein treuer Ehemann liebt ſeine Frau von Hertzen. Wer nun bey dem Abſchnitte nicht fehlen will, der muß folgende Reguln beobachten: I. Der Abſchnitt muß gemacht werden, nicht, wo nur die Worte, ſondern, wo einiger Verſtand aus iſt. z. e. Dieſes iſt falſch: Die Mädgen ſind gar ſehr | verliebet und geſchoſſen. Die- C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/37
Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/37>, abgerufen am 21.11.2024.