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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

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"Weh euch, ihr stolzen Hallen! nie töne süßer Klang
Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang,
Nein! Seufzer nur und Stöhnen, und scheuer Sklavenschritt,
Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!
Weh euch, ihr duft'gen Gärten im holden Maienlicht!
Euch zeig' ich dieses Todten entstelltes Angesicht,
Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiegt,
Daß ihr in künft'gen Tagen versteint, verödet liegt.
Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängerthums!
Umsonst sey all dein Ringen nach Kränzen blut'gen Ruhms,
Dein Name sey vergessen, in ew'ge Nacht getaucht,
Sey, wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaucht!"
Der Alte hat's gerufen, der Himmel hat's gehört,
Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört,
Noch Eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht,
Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.
Und rings, statt duft'ger Gärten, ein ödes Haideland,
Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den
Sand,
Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch;
Versunken und vergessen! das ist des Sängers Fluch.


Uhlands Gedichte. 22
„Weh euch, ihr ſtolzen Hallen! nie töne ſüßer Klang
Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Geſang,
Nein! Seufzer nur und Stöhnen, und ſcheuer Sklavenſchritt,
Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeiſt zertritt!
Weh euch, ihr duft’gen Gärten im holden Maienlicht!
Euch zeig’ ich dieſes Todten entſtelltes Angeſicht,
Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell verſiegt,
Daß ihr in künft’gen Tagen verſteint, verödet liegt.
Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängerthums!
Umſonſt ſey all dein Ringen nach Kränzen blut’gen Ruhms,
Dein Name ſey vergeſſen, in ew’ge Nacht getaucht,
Sey, wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaucht!“
Der Alte hat’s gerufen, der Himmel hat’s gehört,
Die Mauern liegen nieder, die Hallen ſind zerſtört,
Noch Eine hohe Säule zeugt von verſchwundner Pracht,
Auch dieſe, ſchon geborſten, kann ſtürzen über Nacht.
Und rings, ſtatt duft’ger Gärten, ein ödes Haideland,
Kein Baum verſtreuet Schatten, kein Quell durchdringt den
Sand,
Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch;
Verſunken und vergeſſen! das iſt des Sängers Fluch.


Uhlands Gedichte. 22
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[337/0343] „Weh euch, ihr ſtolzen Hallen! nie töne ſüßer Klang Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Geſang, Nein! Seufzer nur und Stöhnen, und ſcheuer Sklavenſchritt, Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeiſt zertritt! Weh euch, ihr duft’gen Gärten im holden Maienlicht! Euch zeig’ ich dieſes Todten entſtelltes Angeſicht, Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell verſiegt, Daß ihr in künft’gen Tagen verſteint, verödet liegt. Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängerthums! Umſonſt ſey all dein Ringen nach Kränzen blut’gen Ruhms, Dein Name ſey vergeſſen, in ew’ge Nacht getaucht, Sey, wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaucht!“ Der Alte hat’s gerufen, der Himmel hat’s gehört, Die Mauern liegen nieder, die Hallen ſind zerſtört, Noch Eine hohe Säule zeugt von verſchwundner Pracht, Auch dieſe, ſchon geborſten, kann ſtürzen über Nacht. Und rings, ſtatt duft’ger Gärten, ein ödes Haideland, Kein Baum verſtreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand, Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch; Verſunken und vergeſſen! das iſt des Sängers Fluch. Uhlands Gedichte. 22

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Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/343>, abgerufen am 06.05.2024.