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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

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Was gleißt und glänzt da droben, und zuckt wie Wetterschein?
Das ist mit seinen Reitern der Wolf von Wunnenstein.
Er wirft sich auf die Städter, er sprengt sich weite Bucht,
Da ist der Sieg entschieden, der Feind in wilder Flucht.
Im Erntemond geschah es, bei Gott, ein heißer Tag!
Was da der edeln Garben auf allen Feldern lag!
Wie auch so mancher Schnitter die Arme sinken läßt!
Wohl halten diese Ritter ein blutig Sichelfest.
Noch lange traf der Bauer, der hinter'm Pfluge ging,
Auf rost'ge Degenklinge, Speereisen, Panzerring,
Und als man eine Linde zersägt und niederstreckt,
Zeigt sich darin ein Harnisch und ein Geripp versteckt.
Als nun die Schlacht geschlagen und Sieg geblasen war,
Da reicht der alte Greiner dem Wolf die Rechte dar:
"Hab Dank, du tapfrer Degen, und reit mit mir nach Haus!
Daß wir uns gütlich pflegen nach diesem harten Strauß."
"Hei! -- spricht der Wolf mit Lachen -- gefiel Euch dieser
Schwank?
Ich stritt aus Haß der Städte und nicht um Euren Dank.
Gut' Nacht und Glück zur Reise! es steht im alten Recht."
Er spricht's und jagt von dannen mit Ritter und mit Knecht.
Zu Döffingen im Dorfe, da hat der Graf die Nacht
Bei seines Ulrichs Leiche, des einz'gen Sohns, verbracht.
Er kniet zur Bahre nieder, verhüllet sein Gesicht,
Ob er vielleicht im Stillen geweint, man weiß es nicht.
Was gleißt und glänzt da droben, und zuckt wie Wetterſchein?
Das iſt mit ſeinen Reitern der Wolf von Wunnenſtein.
Er wirft ſich auf die Städter, er ſprengt ſich weite Bucht,
Da iſt der Sieg entſchieden, der Feind in wilder Flucht.
Im Erntemond geſchah es, bei Gott, ein heißer Tag!
Was da der edeln Garben auf allen Feldern lag!
Wie auch ſo mancher Schnitter die Arme ſinken läßt!
Wohl halten dieſe Ritter ein blutig Sichelfeſt.
Noch lange traf der Bauer, der hinter’m Pfluge ging,
Auf roſt’ge Degenklinge, Speereiſen, Panzerring,
Und als man eine Linde zerſägt und niederſtreckt,
Zeigt ſich darin ein Harniſch und ein Geripp verſteckt.
Als nun die Schlacht geſchlagen und Sieg geblaſen war,
Da reicht der alte Greiner dem Wolf die Rechte dar:
„Hab Dank, du tapfrer Degen, und reit mit mir nach Haus!
Daß wir uns gütlich pflegen nach dieſem harten Strauß.“
„Hei! — ſpricht der Wolf mit Lachen — gefiel Euch dieſer
Schwank?
Ich ſtritt aus Haß der Städte und nicht um Euren Dank.
Gut’ Nacht und Glück zur Reiſe! es ſteht im alten Recht.“
Er ſpricht’s und jagt von dannen mit Ritter und mit Knecht.
Zu Döffingen im Dorfe, da hat der Graf die Nacht
Bei ſeines Ulrichs Leiche, des einz’gen Sohns, verbracht.
Er kniet zur Bahre nieder, verhüllet ſein Geſicht,
Ob er vielleicht im Stillen geweint, man weiß es nicht.
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[324/0330] Was gleißt und glänzt da droben, und zuckt wie Wetterſchein? Das iſt mit ſeinen Reitern der Wolf von Wunnenſtein. Er wirft ſich auf die Städter, er ſprengt ſich weite Bucht, Da iſt der Sieg entſchieden, der Feind in wilder Flucht. Im Erntemond geſchah es, bei Gott, ein heißer Tag! Was da der edeln Garben auf allen Feldern lag! Wie auch ſo mancher Schnitter die Arme ſinken läßt! Wohl halten dieſe Ritter ein blutig Sichelfeſt. Noch lange traf der Bauer, der hinter’m Pfluge ging, Auf roſt’ge Degenklinge, Speereiſen, Panzerring, Und als man eine Linde zerſägt und niederſtreckt, Zeigt ſich darin ein Harniſch und ein Geripp verſteckt. Als nun die Schlacht geſchlagen und Sieg geblaſen war, Da reicht der alte Greiner dem Wolf die Rechte dar: „Hab Dank, du tapfrer Degen, und reit mit mir nach Haus! Daß wir uns gütlich pflegen nach dieſem harten Strauß.“ „Hei! — ſpricht der Wolf mit Lachen — gefiel Euch dieſer Schwank? Ich ſtritt aus Haß der Städte und nicht um Euren Dank. Gut’ Nacht und Glück zur Reiſe! es ſteht im alten Recht.“ Er ſpricht’s und jagt von dannen mit Ritter und mit Knecht. Zu Döffingen im Dorfe, da hat der Graf die Nacht Bei ſeines Ulrichs Leiche, des einz’gen Sohns, verbracht. Er kniet zur Bahre nieder, verhüllet ſein Geſicht, Ob er vielleicht im Stillen geweint, man weiß es nicht.

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Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/330>, abgerufen am 06.05.2024.