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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

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Das hohe Denkmal schaun verwundert
Und jenes Schloß auf Berges Rücken
Verklärt im Sonnenstral erblicken.

Dann zwischen beiden in der Mitte,
Ein lustig Schlößlein, steht das dritte;
Nicht stolz auf Berges Gipfel oben,
Doch auf dem Hügel, sanft gehoben;
Nicht in des Waldes finstern Räumen,
Doch unter frischen Blüthenbäumen;
Mit blanken Mauern, rothen Ziegeln,
Mit Fenstern, die wie Sonnen spiegeln.
Es ist zu klein für die Geschichte,
Zu jung für Sagen und Gedichte.
Doch ich, der wohlbestellte Sänger,
Durch Feld und Wald der rasche Gänger,
Ich sorge redlich, daß nicht länger
Das Schlößlein bleibe sonder Kunde.
Zur Morgen- und zur Abendstunde
Umwandl' ich es mit meiner Laute,
Und wenn dann Klelia, die Traute,
An's Fenster tritt mit holdem Grüßen:
So will in mir die Hoffnung sprießen,
Daß eine Kunde, drin Geschichte
Sich schön verwoben mit Gedichte,
Daß solche Kunde bald beginne
Von Klelia's und Sängers Minne.

Das hohe Denkmal ſchaun verwundert
Und jenes Schloß auf Berges Rücken
Verklärt im Sonnenſtral erblicken.

Dann zwiſchen beiden in der Mitte,
Ein luſtig Schlößlein, ſteht das dritte;
Nicht ſtolz auf Berges Gipfel oben,
Doch auf dem Hügel, ſanft gehoben;
Nicht in des Waldes finſtern Räumen,
Doch unter friſchen Blüthenbäumen;
Mit blanken Mauern, rothen Ziegeln,
Mit Fenſtern, die wie Sonnen ſpiegeln.
Es iſt zu klein für die Geſchichte,
Zu jung für Sagen und Gedichte.
Doch ich, der wohlbeſtellte Sänger,
Durch Feld und Wald der raſche Gänger,
Ich ſorge redlich, daß nicht länger
Das Schlößlein bleibe ſonder Kunde.
Zur Morgen- und zur Abendſtunde
Umwandl’ ich es mit meiner Laute,
Und wenn dann Klelia, die Traute,
An’s Fenſter tritt mit holdem Grüßen:
So will in mir die Hoffnung ſprießen,
Daß eine Kunde, drin Geſchichte
Sich ſchön verwoben mit Gedichte,
Daß ſolche Kunde bald beginne
Von Klelia’s und Sängers Minne.

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[262/0268] Das hohe Denkmal ſchaun verwundert Und jenes Schloß auf Berges Rücken Verklärt im Sonnenſtral erblicken. Dann zwiſchen beiden in der Mitte, Ein luſtig Schlößlein, ſteht das dritte; Nicht ſtolz auf Berges Gipfel oben, Doch auf dem Hügel, ſanft gehoben; Nicht in des Waldes finſtern Räumen, Doch unter friſchen Blüthenbäumen; Mit blanken Mauern, rothen Ziegeln, Mit Fenſtern, die wie Sonnen ſpiegeln. Es iſt zu klein für die Geſchichte, Zu jung für Sagen und Gedichte. Doch ich, der wohlbeſtellte Sänger, Durch Feld und Wald der raſche Gänger, Ich ſorge redlich, daß nicht länger Das Schlößlein bleibe ſonder Kunde. Zur Morgen- und zur Abendſtunde Umwandl’ ich es mit meiner Laute, Und wenn dann Klelia, die Traute, An’s Fenſter tritt mit holdem Grüßen: So will in mir die Hoffnung ſprießen, Daß eine Kunde, drin Geſchichte Sich ſchön verwoben mit Gedichte, Daß ſolche Kunde bald beginne Von Klelia’s und Sängers Minne.

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Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/268>, abgerufen am 28.04.2024.