Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

Du siehst vom hohen Bergesrücken
Es stolz im Sonnenstrale blicken,
Mit Thürmen und mit Zinnen prangen,
Mit tiefem Graben rings umfangen,
Voll Heldenbilder aller Orte,
Zween Marmorlöwen an der Pforte:
Doch drinnen ist es öd' und stille,
Im Hofe hohes Gras in Fülle,
Im Graben quillt das Wasser nimmer,
Im Haus ist Treppe nicht, noch Zimmer,
Ringsum die Epheuranken schleichen,
Zugvögel durch die Fenster streichen.
Dort saßen mit der goldnen Krone
Voreinst die Herrscher auf dem Throne,
Von dortaus zogen einst die Helden,
Von denen die Geschichten melden.
Die Herrscher ruhn in Gräberhallen,
Die Helden sind im Kampf gefallen;
Verhallet war der Burg Getümmel,
Da fuhr ein Feuerstral vom Himmel,
Der reiche Schatz verging in Flammen,
Gemach und Treppe fiel zusammen.
Inwendig ward das Schloß verheeret,
Doch außen blieb es unversehret.
Sobald erlosch der Edeln Orden,
Ist auch ihr Haus verödet worden.
Doch wie noch die Geschichten melden
Der Herrscher Namen und der Helden:
So sieht man auch die Thürm' und Mauern
Mit ihren Heldenbildern dauern.
Auch wird noch ferner manch Jahrhundert

Du ſiehſt vom hohen Bergesrücken
Es ſtolz im Sonnenſtrale blicken,
Mit Thürmen und mit Zinnen prangen,
Mit tiefem Graben rings umfangen,
Voll Heldenbilder aller Orte,
Zween Marmorlöwen an der Pforte:
Doch drinnen iſt es öd’ und ſtille,
Im Hofe hohes Gras in Fülle,
Im Graben quillt das Waſſer nimmer,
Im Haus iſt Treppe nicht, noch Zimmer,
Ringsum die Epheuranken ſchleichen,
Zugvögel durch die Fenſter ſtreichen.
Dort ſaßen mit der goldnen Krone
Voreinſt die Herrſcher auf dem Throne,
Von dortaus zogen einſt die Helden,
Von denen die Geſchichten melden.
Die Herrſcher ruhn in Gräberhallen,
Die Helden ſind im Kampf gefallen;
Verhallet war der Burg Getümmel,
Da fuhr ein Feuerſtral vom Himmel,
Der reiche Schatz verging in Flammen,
Gemach und Treppe fiel zuſammen.
Inwendig ward das Schloß verheeret,
Doch außen blieb es unverſehret.
Sobald erloſch der Edeln Orden,
Iſt auch ihr Haus verödet worden.
Doch wie noch die Geſchichten melden
Der Herrſcher Namen und der Helden:
So ſieht man auch die Thürm’ und Mauern
Mit ihren Heldenbildern dauern.
Auch wird noch ferner manch Jahrhundert

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="3">
              <pb facs="#f0267" n="261"/>
              <l>Du &#x017F;ieh&#x017F;t vom hohen Bergesrücken</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;tolz im Sonnen&#x017F;trale blicken,</l><lb/>
              <l>Mit Thürmen und mit Zinnen prangen,</l><lb/>
              <l>Mit tiefem Graben rings umfangen,</l><lb/>
              <l>Voll Heldenbilder aller Orte,</l><lb/>
              <l>Zween Marmorlöwen an der Pforte:</l><lb/>
              <l>Doch drinnen i&#x017F;t es öd&#x2019; und &#x017F;tille,</l><lb/>
              <l>Im Hofe hohes Gras in Fülle,</l><lb/>
              <l>Im Graben quillt das Wa&#x017F;&#x017F;er nimmer,</l><lb/>
              <l>Im Haus i&#x017F;t Treppe nicht, noch Zimmer,</l><lb/>
              <l>Ringsum die Epheuranken &#x017F;chleichen,</l><lb/>
              <l>Zugvögel durch die Fen&#x017F;ter &#x017F;treichen.</l><lb/>
              <l>Dort &#x017F;aßen mit der goldnen Krone</l><lb/>
              <l>Vorein&#x017F;t die Herr&#x017F;cher auf dem Throne,</l><lb/>
              <l>Von dortaus zogen ein&#x017F;t die Helden,</l><lb/>
              <l>Von denen die Ge&#x017F;chichten melden.</l><lb/>
              <l>Die Herr&#x017F;cher ruhn in Gräberhallen,</l><lb/>
              <l>Die Helden &#x017F;ind im Kampf gefallen;</l><lb/>
              <l>Verhallet war der Burg Getümmel,</l><lb/>
              <l>Da fuhr ein Feuer&#x017F;tral vom Himmel,</l><lb/>
              <l>Der reiche Schatz verging in Flammen,</l><lb/>
              <l>Gemach und Treppe fiel zu&#x017F;ammen.</l><lb/>
              <l>Inwendig ward das Schloß verheeret,</l><lb/>
              <l>Doch außen blieb es unver&#x017F;ehret.</l><lb/>
              <l>Sobald erlo&#x017F;ch der Edeln Orden,</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t auch ihr Haus verödet worden.</l><lb/>
              <l>Doch wie noch die Ge&#x017F;chichten melden</l><lb/>
              <l>Der Herr&#x017F;cher Namen und der Helden:</l><lb/>
              <l>So &#x017F;ieht man auch die Thürm&#x2019; und Mauern</l><lb/>
              <l>Mit ihren Heldenbildern dauern.</l><lb/>
              <l>Auch wird noch ferner manch Jahrhundert</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0267] Du ſiehſt vom hohen Bergesrücken Es ſtolz im Sonnenſtrale blicken, Mit Thürmen und mit Zinnen prangen, Mit tiefem Graben rings umfangen, Voll Heldenbilder aller Orte, Zween Marmorlöwen an der Pforte: Doch drinnen iſt es öd’ und ſtille, Im Hofe hohes Gras in Fülle, Im Graben quillt das Waſſer nimmer, Im Haus iſt Treppe nicht, noch Zimmer, Ringsum die Epheuranken ſchleichen, Zugvögel durch die Fenſter ſtreichen. Dort ſaßen mit der goldnen Krone Voreinſt die Herrſcher auf dem Throne, Von dortaus zogen einſt die Helden, Von denen die Geſchichten melden. Die Herrſcher ruhn in Gräberhallen, Die Helden ſind im Kampf gefallen; Verhallet war der Burg Getümmel, Da fuhr ein Feuerſtral vom Himmel, Der reiche Schatz verging in Flammen, Gemach und Treppe fiel zuſammen. Inwendig ward das Schloß verheeret, Doch außen blieb es unverſehret. Sobald erloſch der Edeln Orden, Iſt auch ihr Haus verödet worden. Doch wie noch die Geſchichten melden Der Herrſcher Namen und der Helden: So ſieht man auch die Thürm’ und Mauern Mit ihren Heldenbildern dauern. Auch wird noch ferner manch Jahrhundert

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/267
Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/267>, abgerufen am 27.04.2024.