Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Da beschloß ich, sie zu suchen, Nah und fern, auf irrer Fahrt, Den Homerus ließ ich liegen, Nun ich selbst Ulysses ward; Nahm die Laute zur Gefährtin Und vor jeglichem Altan, Unter jedem Gitterfenster Frag' ich leis mit Tönen an, Sing' in Stadt und Feld das Liedchen, Das im Salamanker Thal Jeden Abend ich gesungen Meiner Liebsten zum Signal; Doch die Antwort, die ersehnte, Tönet nimmermehr und ach! Nur das alte Fräulein Echo Reist zur Qual mir ewig nach. 2. Der Jäger. Als ich einsmals in den Wäldern Hinter einer Eiche stand, Lauernd, oft mich vorwärts legend, Auch die Büchse schon zur Hand: Da vernahm ich leichtes Rauschen Und mein Hünerhund schlug an, Fertig hielt ich gleich die Büchse, Paßte mit gespanntem Hahn: Sieh! da kam nicht Reh noch Hase, Kam ein Wild von schönrer Art, Trat ein Mägdlein aus den Büschen, Jung und frisch, und lind und zart. Da beſchloß ich, ſie zu ſuchen, Nah und fern, auf irrer Fahrt, Den Homerus ließ ich liegen, Nun ich ſelbſt Ulyſſes ward; Nahm die Laute zur Gefährtin Und vor jeglichem Altan, Unter jedem Gitterfenſter Frag’ ich leis mit Tönen an, Sing’ in Stadt und Feld das Liedchen, Das im Salamanker Thal Jeden Abend ich geſungen Meiner Liebſten zum Signal; Doch die Antwort, die erſehnte, Tönet nimmermehr und ach! Nur das alte Fräulein Echo Reist zur Qual mir ewig nach. 2. Der Jäger. Als ich einsmals in den Wäldern Hinter einer Eiche ſtand, Lauernd, oft mich vorwärts legend, Auch die Büchſe ſchon zur Hand: Da vernahm ich leichtes Rauſchen Und mein Hünerhund ſchlug an, Fertig hielt ich gleich die Büchſe, Paßte mit geſpanntem Hahn: Sieh! da kam nicht Reh noch Haſe, Kam ein Wild von ſchönrer Art, Trat ein Mägdlein aus den Büſchen, Jung und friſch, und lind und zart. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0260" n="254"/> <l>Da beſchloß ich, ſie zu ſuchen,</l><lb/> <l>Nah und fern, auf irrer Fahrt,</l><lb/> <l>Den Homerus ließ ich liegen,</l><lb/> <l>Nun ich ſelbſt Ulyſſes ward;</l><lb/> <l>Nahm die Laute zur Gefährtin</l><lb/> <l>Und vor jeglichem Altan,</l><lb/> <l>Unter jedem Gitterfenſter</l><lb/> <l>Frag’ ich leis mit Tönen an,</l><lb/> <l>Sing’ in Stadt und Feld das Liedchen,</l><lb/> <l>Das im Salamanker Thal</l><lb/> <l>Jeden Abend ich geſungen</l><lb/> <l>Meiner Liebſten zum Signal;</l><lb/> <l>Doch die Antwort, die erſehnte,</l><lb/> <l>Tönet nimmermehr und ach!</l><lb/> <l>Nur das alte Fräulein Echo</l><lb/> <l>Reist zur Qual mir ewig nach.</l> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="3"> <head>2. <hi rendition="#g">Der Jäger</hi>.</head><lb/> <lg type="poem"> <l>Als ich einsmals in den Wäldern</l><lb/> <l>Hinter einer Eiche ſtand,</l><lb/> <l>Lauernd, oft mich vorwärts legend,</l><lb/> <l>Auch die Büchſe ſchon zur Hand:</l><lb/> <l>Da vernahm ich leichtes Rauſchen</l><lb/> <l>Und mein Hünerhund ſchlug an,</l><lb/> <l>Fertig hielt ich gleich die Büchſe,</l><lb/> <l>Paßte mit geſpanntem Hahn:</l><lb/> <l>Sieh! da kam nicht Reh noch Haſe,</l><lb/> <l>Kam ein Wild von ſchönrer Art,</l><lb/> <l>Trat ein Mägdlein aus den Büſchen,</l><lb/> <l>Jung und friſch, und lind und zart.</l><lb/> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [254/0260]
Da beſchloß ich, ſie zu ſuchen,
Nah und fern, auf irrer Fahrt,
Den Homerus ließ ich liegen,
Nun ich ſelbſt Ulyſſes ward;
Nahm die Laute zur Gefährtin
Und vor jeglichem Altan,
Unter jedem Gitterfenſter
Frag’ ich leis mit Tönen an,
Sing’ in Stadt und Feld das Liedchen,
Das im Salamanker Thal
Jeden Abend ich geſungen
Meiner Liebſten zum Signal;
Doch die Antwort, die erſehnte,
Tönet nimmermehr und ach!
Nur das alte Fräulein Echo
Reist zur Qual mir ewig nach.
2. Der Jäger.
Als ich einsmals in den Wäldern
Hinter einer Eiche ſtand,
Lauernd, oft mich vorwärts legend,
Auch die Büchſe ſchon zur Hand:
Da vernahm ich leichtes Rauſchen
Und mein Hünerhund ſchlug an,
Fertig hielt ich gleich die Büchſe,
Paßte mit geſpanntem Hahn:
Sieh! da kam nicht Reh noch Haſe,
Kam ein Wild von ſchönrer Art,
Trat ein Mägdlein aus den Büſchen,
Jung und friſch, und lind und zart.
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Zitationshilfe: | Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/260>, abgerufen am 16.02.2025. |