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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

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Um es unverblümt zu sagen:
Manche Sommerwoch' entlang
Kam ich dorthin jeden Abend
Mit der Laut' und mit Gesang,
Klagt' in manigfachen Weisen
Meiner Liebe Qual und Drang,
Bis zuletzt vom hohen Gitter
Süße Antwort niederklang.
Solches Spiel mit Wort und Tönen
Trieben wir ein halbes Jahr,
Und auch dies war nur vergönnet
Weil halbtaub der Vormund war.
Hub er gleich sich oft vom Lager,
Schlaflos, eifersüchtig bang,
Blieben doch ihm unsre Stimmen
Ungehört, wie Sphärenklang.
Aber einst, die Nacht war schaurig,
Sternlos, finster wie das Grab,
Klang auf das gewohnte Zeichen
Keine Antwort mir herab.
Nur ein alt zahnloses Fräulein
Ward von meiner Stimme wach,
Nur das alte Fräulein Echo
Stöhnte meine Klagen nach.
Meine Schöne war verschwunden,
Leer die Zimmer, leer der Saal,
Leer der blumenreiche Garten,
Rings verödet Berg und Thal.
Ach! und nie hatt' ich erfahren
Ihre Heimath, ihren Stand,
Weil sie, Beides zu verschweigen,
Angelobt mit Mund und Hand.
Um es unverblümt zu ſagen:
Manche Sommerwoch’ entlang
Kam ich dorthin jeden Abend
Mit der Laut’ und mit Geſang,
Klagt’ in manigfachen Weiſen
Meiner Liebe Qual und Drang,
Bis zuletzt vom hohen Gitter
Süße Antwort niederklang.
Solches Spiel mit Wort und Tönen
Trieben wir ein halbes Jahr,
Und auch dies war nur vergönnet
Weil halbtaub der Vormund war.
Hub er gleich ſich oft vom Lager,
Schlaflos, eiferſüchtig bang,
Blieben doch ihm unſre Stimmen
Ungehört, wie Sphärenklang.
Aber einſt, die Nacht war ſchaurig,
Sternlos, finſter wie das Grab,
Klang auf das gewohnte Zeichen
Keine Antwort mir herab.
Nur ein alt zahnloſes Fräulein
Ward von meiner Stimme wach,
Nur das alte Fräulein Echo
Stöhnte meine Klagen nach.
Meine Schöne war verſchwunden,
Leer die Zimmer, leer der Saal,
Leer der blumenreiche Garten,
Rings verödet Berg und Thal.
Ach! und nie hatt’ ich erfahren
Ihre Heimath, ihren Stand,
Weil ſie, Beides zu verſchweigen,
Angelobt mit Mund und Hand.
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[253/0259] Um es unverblümt zu ſagen: Manche Sommerwoch’ entlang Kam ich dorthin jeden Abend Mit der Laut’ und mit Geſang, Klagt’ in manigfachen Weiſen Meiner Liebe Qual und Drang, Bis zuletzt vom hohen Gitter Süße Antwort niederklang. Solches Spiel mit Wort und Tönen Trieben wir ein halbes Jahr, Und auch dies war nur vergönnet Weil halbtaub der Vormund war. Hub er gleich ſich oft vom Lager, Schlaflos, eiferſüchtig bang, Blieben doch ihm unſre Stimmen Ungehört, wie Sphärenklang. Aber einſt, die Nacht war ſchaurig, Sternlos, finſter wie das Grab, Klang auf das gewohnte Zeichen Keine Antwort mir herab. Nur ein alt zahnloſes Fräulein Ward von meiner Stimme wach, Nur das alte Fräulein Echo Stöhnte meine Klagen nach. Meine Schöne war verſchwunden, Leer die Zimmer, leer der Saal, Leer der blumenreiche Garten, Rings verödet Berg und Thal. Ach! und nie hatt’ ich erfahren Ihre Heimath, ihren Stand, Weil ſie, Beides zu verſchweigen, Angelobt mit Mund und Hand.

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Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/259>, abgerufen am 28.04.2024.