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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

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Nach dem blanken Goldgefäß
Tasten gleich des Ritters Knechte,
Doch der Knappe tritt zurück,
Spricht mit vorgehaltner Rechte:
"Dies ist eines Sängers Herz,
Herz von einem frommen Streiter,
Herz des Kastellans von Couci,
Laßt dies Herz im Frieden weiter!
Scheidend hat er mir geboten:
Wann dies Herz nun ausgeschlagen,
Zu der Dame von Fayel
Soll ich es hinübertragen."
"Jene Dame kenn' ich wohl."
Spricht der ritterliche Jäger
Und entreißt die goldne Urne
Hastig dem erschrocknen Träger,
Nimmt sie unter seinen Mantel,
Reitet fort in finstrem Grolle,
Hält so eng das todte Herz
An das heiße, rachevolle.
Als er auf sein Schloß gekommen,
Müssen sich die Köche schürzen,
Müssen gleich den Hirsch bereiten
Und ein seltnes Herze würzen.
Dann, mit Blumen reich bestecket,
Bringt man es auf goldner Schaale,
Als der Ritter von Fayel
Mit der Dame sitzt am Mahle.
Zierlich reicht er es der Schönen,
Sprechend mit verliebtem Scherze:
"Was ich immer mag erjagen,
Euch gehört davon das Herze."
Nach dem blanken Goldgefäß
Taſten gleich des Ritters Knechte,
Doch der Knappe tritt zurück,
Spricht mit vorgehaltner Rechte:
„Dies iſt eines Sängers Herz,
Herz von einem frommen Streiter,
Herz des Kaſtellans von Couci,
Laßt dies Herz im Frieden weiter!
Scheidend hat er mir geboten:
Wann dies Herz nun ausgeſchlagen,
Zu der Dame von Fayel
Soll ich es hinübertragen.“
„Jene Dame kenn’ ich wohl.“
Spricht der ritterliche Jäger
Und entreißt die goldne Urne
Haſtig dem erſchrocknen Träger,
Nimmt ſie unter ſeinen Mantel,
Reitet fort in finſtrem Grolle,
Hält ſo eng das todte Herz
An das heiße, rachevolle.
Als er auf ſein Schloß gekommen,
Müſſen ſich die Köche ſchürzen,
Müſſen gleich den Hirſch bereiten
Und ein ſeltnes Herze würzen.
Dann, mit Blumen reich beſtecket,
Bringt man es auf goldner Schaale,
Als der Ritter von Fayel
Mit der Dame ſitzt am Mahle.
Zierlich reicht er es der Schönen,
Sprechend mit verliebtem Scherze:
„Was ich immer mag erjagen,
Euch gehört davon das Herze.“
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[246/0252] Nach dem blanken Goldgefäß Taſten gleich des Ritters Knechte, Doch der Knappe tritt zurück, Spricht mit vorgehaltner Rechte: „Dies iſt eines Sängers Herz, Herz von einem frommen Streiter, Herz des Kaſtellans von Couci, Laßt dies Herz im Frieden weiter! Scheidend hat er mir geboten: Wann dies Herz nun ausgeſchlagen, Zu der Dame von Fayel Soll ich es hinübertragen.“ „Jene Dame kenn’ ich wohl.“ Spricht der ritterliche Jäger Und entreißt die goldne Urne Haſtig dem erſchrocknen Träger, Nimmt ſie unter ſeinen Mantel, Reitet fort in finſtrem Grolle, Hält ſo eng das todte Herz An das heiße, rachevolle. Als er auf ſein Schloß gekommen, Müſſen ſich die Köche ſchürzen, Müſſen gleich den Hirſch bereiten Und ein ſeltnes Herze würzen. Dann, mit Blumen reich beſtecket, Bringt man es auf goldner Schaale, Als der Ritter von Fayel Mit der Dame ſitzt am Mahle. Zierlich reicht er es der Schönen, Sprechend mit verliebtem Scherze: „Was ich immer mag erjagen, Euch gehört davon das Herze.“

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Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/252>, abgerufen am 28.04.2024.