Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von: Getreuer Hofmeister auf Academien und Reisen. Hrsg. v. Wolfgang Bernhard von Tschirnhaus. Hannover, 1727.Die IV. Anmerckung. (m) Welt was bedeuten will, hat sein gewissesAntheil oder Dosin vom Point d'honneur, und junge Leute haben gemeiniglich eine gros- se, obgleich falsche, Praesumtion von ihrer Wissenschafft und Meriten. Wenn sol- chen etwas zuwider geschiehet, und man ih- nen auf das Fleckchen kommt, wo es ihnen weh thut, so kan nichts anders als Wider- willen, Zorn und Feindschafft daraus er- wachsen. Mit trunckenen, schläfrigen, zorni- gen, krancken, und sonst verdrüßlichen Leu- ten, kan man so lange dieser Zustand dauert, niemahls mit Nutzen raisonniren. Also muß der Hofmeister die Circumstantias loci, temporis, personarum & rerum wohl obser- viren, Zanck und Streit mit allen Fleiß ver- meiden, im übrigen aber seinen Anvertrau- ten, mit einem ordentlichen, vernünfftigen und tugendhafften Wandel vorleuchten, und sich durch tadelhafftiges Leben nicht selbst verwerfflich machen. Denn gute Leh- ren, ohne eigene Ausübung, erbauen sehr wenig oder gar nichts. 3) Muß der Hofmeister die Studia aufDie Studia auf Uni- versitäten dirigiren; Universitäten dirigiren, Collegia anordnen, auch solche selbst, wo es möglich ist, oder sie in sein Scibile lauffen, mit abwarten, und entweder selbst zu Hause, mit ihnen re-selbst repe- tiren oder repetiren lassen; petiren, oder doch bey dem Magistro, Do- ctore oder Professore, wöchentlich etliche Stunden zur Repetition und zum Examine F
Die IV. Anmerckung. (m) Welt was bedeuten will, hat ſein gewiſſesAntheil oder Doſin vom Point d’honneur, und junge Leute haben gemeiniglich eine groſ- ſe, obgleich falſche, Præſumtion von ihrer Wiſſenſchafft und Meriten. Wenn ſol- chen etwas zuwider geſchiehet, und man ih- nen auf das Fleckchen kommt, wo es ihnen weh thut, ſo kan nichts anders als Wider- willen, Zorn und Feindſchafft daraus er- wachſen. Mit trunckenen, ſchlaͤfrigen, zorni- gen, krancken, und ſonſt verdruͤßlichen Leu- ten, kan man ſo lange dieſer Zuſtand dauert, niemahls mit Nutzen raiſonniren. Alſo muß der Hofmeiſter die Circumſtantias loci, temporis, perſonarum & rerum wohl obſer- viren, Zanck und Streit mit allen Fleiß ver- meiden, im uͤbrigen aber ſeinen Anvertrau- ten, mit einem ordentlichen, vernuͤnfftigen und tugendhafften Wandel vorleuchten, und ſich durch tadelhafftiges Leben nicht ſelbſt verwerfflich machen. Denn gute Leh- ren, ohne eigene Ausuͤbung, erbauen ſehr wenig oder gar nichts. 3) Muß der Hofmeiſter die Studia aufDie Studia auf Uni- verſitaͤten dirigiren; Univerſitaͤten dirigiren, Collegia anordnen, auch ſolche ſelbſt, wo es moͤglich iſt, oder ſie in ſein Scibile lauffen, mit abwarten, und entweder ſelbſt zu Hauſe, mit ihnen re-ſelbſt repe- tiren oder repetiren laſſen; petiren, oder doch bey dem Magiſtro, Do- ctore oder Profeſſore, woͤchentlich etliche Stunden zur Repetition und zum Examine F
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Die IV. Anmerckung. (m)
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Welt was bedeuten will, hat ſein gewiſſes
Antheil oder Doſin vom Point d’honneur,
und junge Leute haben gemeiniglich eine groſ-
ſe, obgleich falſche, Præſumtion von ihrer
Wiſſenſchafft und Meriten. Wenn ſol-
chen etwas zuwider geſchiehet, und man ih-
nen auf das Fleckchen kommt, wo es ihnen
weh thut, ſo kan nichts anders als Wider-
willen, Zorn und Feindſchafft daraus er-
wachſen. Mit trunckenen, ſchlaͤfrigen, zorni-
gen, krancken, und ſonſt verdruͤßlichen Leu-
ten, kan man ſo lange dieſer Zuſtand dauert,
niemahls mit Nutzen raiſonniren. Alſo
muß der Hofmeiſter die Circumſtantias loci,
temporis, perſonarum & rerum wohl obſer-
viren, Zanck und Streit mit allen Fleiß ver-
meiden, im uͤbrigen aber ſeinen Anvertrau-
ten, mit einem ordentlichen, vernuͤnfftigen
und tugendhafften Wandel vorleuchten,
und ſich durch tadelhafftiges Leben nicht
ſelbſt verwerfflich machen. Denn gute Leh-
ren, ohne eigene Ausuͤbung, erbauen ſehr
wenig oder gar nichts.
3) Muß der Hofmeiſter die Studia auf
Univerſitaͤten dirigiren, Collegia anordnen,
auch ſolche ſelbſt, wo es moͤglich iſt, oder
ſie in ſein Scibile lauffen, mit abwarten,
und entweder ſelbſt zu Hauſe, mit ihnen re-
petiren, oder doch bey dem Magiſtro, Do-
ctore oder Profeſſore, woͤchentlich etliche
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