Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

dern Umständen auf ein anderes, für sie jetzt
verschlossenes Sinnesorgan hervorgebracht haben
würden, vorgestellt werden. Es können z. B.
Nerven des Getastes Empfänglichkeit für die
Schallschwingungen der Luft erhalten. So lange
das Verhältniss des Organismus zur äussern Na-
tur im Uebrigen nicht verändert ist, wird der
Eindruck des Schalls auf solche Nerven nur als
Rührung des Tastsinns empfunden werden. Fin-
det aber eine Veränderung jenes Verhältnisses
statt, so wird die Seele die Vorstellungen, die
sie auf diesem Wege erhält, von Einwirkungen
auf den Sinn des Gehörs ableiten, ohne sich je-
doch des Ursprungs derselben bewusst zu seyn.

4. Unter den Thieren besitzen viele
in gewissen Perioden, unter den Men-
schen manche zu einigen Zeiten, vor-
züglich im Schlafwandel, eine Ahnung
des Fernen und des Zukünftigen, und
ein Wissen dessen, was im gesunden
Zustande zu ihrer oder ihrer Nachkom-
men Erhaltung, oder in Krankheiten
zu ihrer Heilung zu suchen und zu
meiden ist
.

Niemand hat jene Ahnung und dieses Ge-
fühl den Thieren abzusprechen gewagt. Man
begriff beyde unter dem Worte Instinkt, den

man

dern Umständen auf ein anderes, für sie jetzt
verschlossenes Sinnesorgan hervorgebracht haben
würden, vorgestellt werden. Es können z. B.
Nerven des Getastes Empfänglichkeit für die
Schallschwingungen der Luft erhalten. So lange
das Verhältniſs des Organismus zur äuſsern Na-
tur im Uebrigen nicht verändert ist, wird der
Eindruck des Schalls auf solche Nerven nur als
Rührung des Tastsinns empfunden werden. Fin-
det aber eine Veränderung jenes Verhältnisses
statt, so wird die Seele die Vorstellungen, die
sie auf diesem Wege erhält, von Einwirkungen
auf den Sinn des Gehörs ableiten, ohne sich je-
doch des Ursprungs derselben bewuſst zu seyn.

4. Unter den Thieren besitzen viele
in gewissen Perioden, unter den Men-
schen manche zu einigen Zeiten, vor-
züglich im Schlafwandel, eine Ahnung
des Fernen und des Zukünftigen, und
ein Wissen dessen, was im gesunden
Zustande zu ihrer oder ihrer Nachkom-
men Erhaltung, oder in Krankheiten
zu ihrer Heilung zu suchen und zu
meiden ist
.

Niemand hat jene Ahnung und dieses Ge-
fühl den Thieren abzusprechen gewagt. Man
begriff beyde unter dem Worte Instinkt, den

man
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0060" n="48"/>
dern Umständen auf ein anderes, für sie jetzt<lb/>
verschlossenes Sinnesorgan hervorgebracht haben<lb/>
würden, vorgestellt werden. Es können z. B.<lb/>
Nerven des Getastes Empfänglichkeit für die<lb/>
Schallschwingungen der Luft erhalten. So lange<lb/>
das Verhältni&#x017F;s des Organismus zur äu&#x017F;sern Na-<lb/>
tur im Uebrigen nicht verändert ist, wird der<lb/>
Eindruck des Schalls auf solche Nerven nur als<lb/>
Rührung des Tastsinns empfunden werden. Fin-<lb/>
det aber eine Veränderung jenes Verhältnisses<lb/>
statt, so wird die Seele die Vorstellungen, die<lb/>
sie auf diesem Wege erhält, von Einwirkungen<lb/>
auf den Sinn des Gehörs ableiten, ohne sich je-<lb/>
doch des Ursprungs derselben bewu&#x017F;st zu seyn.</p><lb/>
            <p>4. <hi rendition="#g">Unter den Thieren besitzen viele<lb/>
in gewissen Perioden, unter den Men-<lb/>
schen manche zu einigen Zeiten, vor-<lb/>
züglich im Schlafwandel, eine Ahnung<lb/>
des Fernen und des Zukünftigen, und<lb/>
ein Wissen dessen, was im gesunden<lb/>
Zustande zu ihrer oder ihrer Nachkom-<lb/>
men Erhaltung, oder in Krankheiten<lb/>
zu ihrer Heilung zu suchen und zu<lb/>
meiden ist</hi>.</p><lb/>
            <p>Niemand hat jene Ahnung und dieses Ge-<lb/>
fühl den Thieren abzusprechen gewagt. Man<lb/>
begriff beyde unter dem Worte Instinkt, den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0060] dern Umständen auf ein anderes, für sie jetzt verschlossenes Sinnesorgan hervorgebracht haben würden, vorgestellt werden. Es können z. B. Nerven des Getastes Empfänglichkeit für die Schallschwingungen der Luft erhalten. So lange das Verhältniſs des Organismus zur äuſsern Na- tur im Uebrigen nicht verändert ist, wird der Eindruck des Schalls auf solche Nerven nur als Rührung des Tastsinns empfunden werden. Fin- det aber eine Veränderung jenes Verhältnisses statt, so wird die Seele die Vorstellungen, die sie auf diesem Wege erhält, von Einwirkungen auf den Sinn des Gehörs ableiten, ohne sich je- doch des Ursprungs derselben bewuſst zu seyn. 4. Unter den Thieren besitzen viele in gewissen Perioden, unter den Men- schen manche zu einigen Zeiten, vor- züglich im Schlafwandel, eine Ahnung des Fernen und des Zukünftigen, und ein Wissen dessen, was im gesunden Zustande zu ihrer oder ihrer Nachkom- men Erhaltung, oder in Krankheiten zu ihrer Heilung zu suchen und zu meiden ist. Niemand hat jene Ahnung und dieses Ge- fühl den Thieren abzusprechen gewagt. Man begriff beyde unter dem Worte Instinkt, den man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/60
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/60>, abgerufen am 02.05.2024.