Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

Voraussetzung würde also das Auge schon ver-
möge seines Baus, ohne innere Veränderungen,
den verschiedenen Entfernungen der Objekte
angepasst seyn. Aber Jedem wird gleich ein-
leuchten, dass, wenn sie gültig seyn sollte, der
hintere Theil des Glaskörpers noch eine weit
stärkere brechende Kraft als die Linse selber
haben müsste, indem die Radii eines Strahlen-
büschels nach ihrer Vereinigung im Glaskörper
weit stärker, als vor ihrem Eintritt in die
Linse, divergiren. Gründe für seine Meinung
hat Vallee bisjetzt nicht bekannt gemacht, und
ich wüsste keinen, der sich dafür anführen
liesse, als etwa Magendie's q) angebliche Er-
fahrung, dass die Bilder auf der Netzhaut
weisser Mäuse, von deren Augen man die Skle-
rotika abgesondert hat, bey verschiedenen Ent-
fernungen des Gegenstandes keine Veränderung
der Deutlichkeit erleiden.

Wenn wir nun unbefriedigt von allen bis-
herigen Versuchen, die Art, wie eine Accom-
modation des menschlichen Auges nach den
Entfernungen der Objekte geschehen könne, zu
erklären, auf unsere obigen Sätze, dass die
Nothwendigkeit einer solchen Einrichtung unbe-
wiesen und die Voraussetzung derselben un-
nöthig sey, zurückkommen, so wird es uns

erlaubt
q) Precis element. de Physiol. T. I. p. 59.

Voraussetzung würde also das Auge schon ver-
möge seines Baus, ohne innere Veränderungen,
den verschiedenen Entfernungen der Objekte
angepaſst seyn. Aber Jedem wird gleich ein-
leuchten, daſs, wenn sie gültig seyn sollte, der
hintere Theil des Glaskörpers noch eine weit
stärkere brechende Kraft als die Linse selber
haben müſste, indem die Radii eines Strahlen-
büschels nach ihrer Vereinigung im Glaskörper
weit stärker, als vor ihrem Eintritt in die
Linse, divergiren. Gründe für seine Meinung
hat Vallée bisjetzt nicht bekannt gemacht, und
ich wüſste keinen, der sich dafür anführen
lieſse, als etwa Magendie’s q) angebliche Er-
fahrung, daſs die Bilder auf der Netzhaut
weiſser Mäuse, von deren Augen man die Skle-
rotika abgesondert hat, bey verschiedenen Ent-
fernungen des Gegenstandes keine Veränderung
der Deutlichkeit erleiden.

Wenn wir nun unbefriedigt von allen bis-
herigen Versuchen, die Art, wie eine Accom-
modation des menschlichen Auges nach den
Entfernungen der Objekte geschehen könne, zu
erklären, auf unsere obigen Sätze, daſs die
Nothwendigkeit einer solchen Einrichtung unbe-
wiesen und die Voraussetzung derselben un-
nöthig sey, zurückkommen, so wird es uns

erlaubt
q) Précis élément. de Physiol. T. I. p. 59.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0552" n="530"/>
Voraussetzung würde also das Auge schon ver-<lb/>
möge seines Baus, ohne innere Veränderungen,<lb/>
den verschiedenen Entfernungen der Objekte<lb/>
angepa&#x017F;st seyn. Aber Jedem wird gleich ein-<lb/>
leuchten, da&#x017F;s, wenn sie gültig seyn sollte, der<lb/>
hintere Theil des Glaskörpers noch eine weit<lb/>
stärkere brechende Kraft als die Linse selber<lb/>
haben mü&#x017F;ste, indem die Radii eines Strahlen-<lb/>
büschels nach ihrer Vereinigung im Glaskörper<lb/>
weit stärker, als vor ihrem Eintritt in die<lb/>
Linse, divergiren. Gründe für seine Meinung<lb/>
hat <hi rendition="#k">Vallée</hi> bisjetzt nicht bekannt gemacht, und<lb/>
ich wü&#x017F;ste keinen, der sich dafür anführen<lb/>
lie&#x017F;se, als etwa <hi rendition="#k">Magendie</hi>&#x2019;s <note place="foot" n="q)">Précis élément. de Physiol. T. I. p. 59.</note> angebliche Er-<lb/>
fahrung, da&#x017F;s die Bilder auf der Netzhaut<lb/>
wei&#x017F;ser Mäuse, von deren Augen man die Skle-<lb/>
rotika abgesondert hat, bey verschiedenen Ent-<lb/>
fernungen des Gegenstandes keine Veränderung<lb/>
der Deutlichkeit erleiden.</p><lb/>
                <p>Wenn wir nun unbefriedigt von allen bis-<lb/>
herigen Versuchen, die Art, wie eine Accom-<lb/>
modation des menschlichen Auges nach den<lb/>
Entfernungen der Objekte geschehen könne, zu<lb/>
erklären, auf unsere obigen Sätze, da&#x017F;s die<lb/>
Nothwendigkeit einer solchen Einrichtung unbe-<lb/>
wiesen und die Voraussetzung derselben un-<lb/>
nöthig sey, zurückkommen, so wird es uns<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">erlaubt</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[530/0552] Voraussetzung würde also das Auge schon ver- möge seines Baus, ohne innere Veränderungen, den verschiedenen Entfernungen der Objekte angepaſst seyn. Aber Jedem wird gleich ein- leuchten, daſs, wenn sie gültig seyn sollte, der hintere Theil des Glaskörpers noch eine weit stärkere brechende Kraft als die Linse selber haben müſste, indem die Radii eines Strahlen- büschels nach ihrer Vereinigung im Glaskörper weit stärker, als vor ihrem Eintritt in die Linse, divergiren. Gründe für seine Meinung hat Vallée bisjetzt nicht bekannt gemacht, und ich wüſste keinen, der sich dafür anführen lieſse, als etwa Magendie’s q) angebliche Er- fahrung, daſs die Bilder auf der Netzhaut weiſser Mäuse, von deren Augen man die Skle- rotika abgesondert hat, bey verschiedenen Ent- fernungen des Gegenstandes keine Veränderung der Deutlichkeit erleiden. Wenn wir nun unbefriedigt von allen bis- herigen Versuchen, die Art, wie eine Accom- modation des menschlichen Auges nach den Entfernungen der Objekte geschehen könne, zu erklären, auf unsere obigen Sätze, daſs die Nothwendigkeit einer solchen Einrichtung unbe- wiesen und die Voraussetzung derselben un- nöthig sey, zurückkommen, so wird es uns erlaubt q) Précis élément. de Physiol. T. I. p. 59.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/552
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/552>, abgerufen am 19.05.2024.