fahrung zeigt indess, dass selbst diejenigen In- sekten, welche die grössten zusammengesetzten Augen haben, z. B. die grössern Tagschmetter- linge und Neuropteren, nicht weitsehend seyn können. Auch die scheuesten dieser Thiere entfliehen nicht, wenn man sich ihnen nähert, ohne ihnen seinen Schatten zuzuwerfen und ohne Geräusch zu machen, solange man ihrer Vorderseite nicht bis auf 10, höchstens 15 Fuss nahe kömmt. Manche Beobachtungen lassen vermuthen, dass sie oft mehr durch den blossen Unterschied von Licht und Schatten, als durch das Wahrnehmen wirklicher Gegenstände bey ihren Handlungen geleitet werden *). Die mei- sten geflügelten Insekten würden auch nicht neben den zusammengesetzten Augen noch Ge- sichtswerkzeuge anderer Art besitzen, wenn ih- nen jene zum Nahesehen hinreichend wären.
Organe
*) G. Mackenzie bemerkte unter andern, dass Hum- meln, die in einem dunkeln Hinterhause ihr Nest hatten, alle an der Grenze des Schattens der Thüre davonflogen, und zwar mehrere Fuss weit von der Stelle, wo sie gewöhnlich ihren Aufflug zu nehmen pflegten, als die Thüre dieses Hauses zufällig offen stand. Er veränderte die Oeffnung der Thüre und fand, dass die Grenze des Schattens immer die Stelle blieb, wo sie aufflogen, auch dass das Oeffnen die Hummeln beständig in Verwirrung setzte. (The Edinburgh philosoph. Journ. No. V. p. 67.).
fahrung zeigt indeſs, daſs selbst diejenigen In- sekten, welche die gröſsten zusammengesetzten Augen haben, z. B. die gröſsern Tagschmetter- linge und Neuropteren, nicht weitsehend seyn können. Auch die scheuesten dieser Thiere entfliehen nicht, wenn man sich ihnen nähert, ohne ihnen seinen Schatten zuzuwerfen und ohne Geräusch zu machen, solange man ihrer Vorderseite nicht bis auf 10, höchstens 15 Fuſs nahe kömmt. Manche Beobachtungen lassen vermuthen, daſs sie oft mehr durch den bloſsen Unterschied von Licht und Schatten, als durch das Wahrnehmen wirklicher Gegenstände bey ihren Handlungen geleitet werden *). Die mei- sten geflügelten Insekten würden auch nicht neben den zusammengesetzten Augen noch Ge- sichtswerkzeuge anderer Art besitzen, wenn ih- nen jene zum Nahesehen hinreichend wären.
Organe
*) G. Mackenzie bemerkte unter andern, daſs Hum- meln, die in einem dunkeln Hinterhause ihr Nest hatten, alle an der Grenze des Schattens der Thüre davonflogen, und zwar mehrere Fuſs weit von der Stelle, wo sie gewöhnlich ihren Aufflug zu nehmen pflegten, als die Thüre dieses Hauses zufällig offen stand. Er veränderte die Oeffnung der Thüre und fand, daſs die Grenze des Schattens immer die Stelle blieb, wo sie aufflogen, auch daſs das Oeffnen die Hummeln beständig in Verwirrung setzte. (The Edinburgh philosoph. Journ. No. V. p. 67.).
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fahrung zeigt indeſs, daſs selbst diejenigen In-
sekten, welche die gröſsten zusammengesetzten
Augen haben, z. B. die gröſsern Tagschmetter-
linge und Neuropteren, nicht weitsehend seyn
können. Auch die scheuesten dieser Thiere
entfliehen nicht, wenn man sich ihnen nähert,
ohne ihnen seinen Schatten zuzuwerfen und
ohne Geräusch zu machen, solange man ihrer
Vorderseite nicht bis auf 10, höchstens 15 Fuſs
nahe kömmt. Manche Beobachtungen lassen
vermuthen, daſs sie oft mehr durch den bloſsen
Unterschied von Licht und Schatten, als durch
das Wahrnehmen wirklicher Gegenstände bey
ihren Handlungen geleitet werden *). Die mei-
sten geflügelten Insekten würden auch nicht
neben den zusammengesetzten Augen noch Ge-
sichtswerkzeuge anderer Art besitzen, wenn ih-
nen jene zum Nahesehen hinreichend wären.
Organe
*) G. Mackenzie bemerkte unter andern, daſs Hum-
meln, die in einem dunkeln Hinterhause ihr Nest
hatten, alle an der Grenze des Schattens der Thüre
davonflogen, und zwar mehrere Fuſs weit von der
Stelle, wo sie gewöhnlich ihren Aufflug zu nehmen
pflegten, als die Thüre dieses Hauses zufällig offen
stand. Er veränderte die Oeffnung der Thüre und
fand, daſs die Grenze des Schattens immer die Stelle
blieb, wo sie aufflogen, auch daſs das Oeffnen die
Hummeln beständig in Verwirrung setzte. (The
Edinburgh philosoph. Journ. No. V. p. 67.).
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/460>, abgerufen am 22.11.2024.
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