5. Die Grösse der Schnecke oder des Theils, der die Stelle der Schnecke vertritt, hat weder zur Grösse der übrigen Hörwerkzeuge, noch zur Grösse des ganzen Thiers ein beständiges Verhältniss. Es giebt für jede Thierclasse ge- wisse Grenzen, worin jene eingeschlossen ist, und innerhalb dieser Grenzen erleidet sie bey den verschiedenen Thierarten Veränderungen, die nicht durch die übrige Organisation bedingt sind.
Wer von der Grösse des ganzen Körpers oder des äussern Ohrs bey dem Pferde, vielen Wiederkäuern u. s. w. auf die Grösse der Schnecke und der Bogengänge schlösse, würde sich sehr getäuscht finden. Die Wallfische ha- ben bey ihrer grossen Trommelhöhle doch kei- neswegs eine grosse Schnecke und noch weniger grosse Bogengänge. Bey der Nachtigall finde ich diese Canäle nicht kleiner als bey dem, so sehr viel grössern Holzheher (Corvus glanda- rius).
Diese Thatsachen sind sehr der Beachtung werth. Sie beweisen, dass jeder Schalleindruck durch das Labyrinthwasser nur intensiv und in einzelnen Punkten auf den Hörnerven wirkt, woraus sich weiter folgern lässt, dass die Ver- änderung des Nervenmarks, welche die Empfin-
dung
5. Die Gröſse der Schnecke oder des Theils, der die Stelle der Schnecke vertritt, hat weder zur Gröſse der übrigen Hörwerkzeuge, noch zur Gröſse des ganzen Thiers ein beständiges Verhältniſs. Es giebt für jede Thierclasse ge- wisse Grenzen, worin jene eingeschlossen ist, und innerhalb dieser Grenzen erleidet sie bey den verschiedenen Thierarten Veränderungen, die nicht durch die übrige Organisation bedingt sind.
Wer von der Gröſse des ganzen Körpers oder des äuſsern Ohrs bey dem Pferde, vielen Wiederkäuern u. s. w. auf die Gröſse der Schnecke und der Bogengänge schlösse, würde sich sehr getäuscht finden. Die Wallfische ha- ben bey ihrer groſsen Trommelhöhle doch kei- neswegs eine groſse Schnecke und noch weniger groſse Bogengänge. Bey der Nachtigall finde ich diese Canäle nicht kleiner als bey dem, so sehr viel gröſsern Holzheher (Corvus glanda- rius).
Diese Thatsachen sind sehr der Beachtung werth. Sie beweisen, daſs jeder Schalleindruck durch das Labyrinthwasser nur intensiv und in einzelnen Punkten auf den Hörnerven wirkt, woraus sich weiter folgern läſst, daſs die Ver- änderung des Nervenmarks, welche die Empfin-
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5. Die Gröſse der Schnecke oder des Theils,
der die Stelle der Schnecke vertritt, hat weder
zur Gröſse der übrigen Hörwerkzeuge, noch
zur Gröſse des ganzen Thiers ein beständiges
Verhältniſs. Es giebt für jede Thierclasse ge-
wisse Grenzen, worin jene eingeschlossen ist,
und innerhalb dieser Grenzen erleidet sie bey
den verschiedenen Thierarten Veränderungen,
die nicht durch die übrige Organisation bedingt
sind.
Wer von der Gröſse des ganzen Körpers
oder des äuſsern Ohrs bey dem Pferde, vielen
Wiederkäuern u. s. w. auf die Gröſse der
Schnecke und der Bogengänge schlösse, würde
sich sehr getäuscht finden. Die Wallfische ha-
ben bey ihrer groſsen Trommelhöhle doch kei-
neswegs eine groſse Schnecke und noch weniger
groſse Bogengänge. Bey der Nachtigall finde
ich diese Canäle nicht kleiner als bey dem, so
sehr viel gröſsern Holzheher (Corvus glanda-
rius).
Diese Thatsachen sind sehr der Beachtung
werth. Sie beweisen, daſs jeder Schalleindruck
durch das Labyrinthwasser nur intensiv und in
einzelnen Punkten auf den Hörnerven wirkt,
woraus sich weiter folgern läſst, daſs die Ver-
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/436>, abgerufen am 22.11.2024.
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