Das Geschmacksorgan ist das feinste aller Reagentien gegen jede Substanz, die der Auf- lösung im Speichel fähig ist. Die Empfänglich- keit desselben für den Eindruck solcher Materien ist so gross, dass selbst die am schwersten auflöslichen Körper, z. B. Steine und Metalle, nicht ohne Wirkung auf die Zunge sind. In dieser Feinheit ist der Geschmackssinn Prü- fungsmittel der nährenden Substanzen. Als sol- cher dient er aber blos dem Menschen, der, vermöge der Bildung und Beweglichkeit seiner Lippen und seiner Zunge, das Gekostete, das ihm widrig ist, durch willkührliches Auswerfen wieder von sich zu entfernen vermag. Die übrigen Thiere scheinen bey der Auswahl ihrer Speisen mehr durch den Geruch, als durch den Geschmack geleitet zu werden, und den letztern vorzüglich nur als eine Quelle angenehmer Empfindungen zu besitzen. Aus ihren Hand-
lungen
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Dritter Abschnitt. Der Geschmack.
Das Geschmacksorgan ist das feinste aller Reagentien gegen jede Substanz, die der Auf- lösung im Speichel fähig ist. Die Empfänglich- keit desselben für den Eindruck solcher Materien ist so groſs, daſs selbst die am schwersten auflöslichen Körper, z. B. Steine und Metalle, nicht ohne Wirkung auf die Zunge sind. In dieser Feinheit ist der Geschmackssinn Prü- fungsmittel der nährenden Substanzen. Als sol- cher dient er aber blos dem Menschen, der, vermöge der Bildung und Beweglichkeit seiner Lippen und seiner Zunge, das Gekostete, das ihm widrig ist, durch willkührliches Auswerfen wieder von sich zu entfernen vermag. Die übrigen Thiere scheinen bey der Auswahl ihrer Speisen mehr durch den Geruch, als durch den Geschmack geleitet zu werden, und den letztern vorzüglich nur als eine Quelle angenehmer Empfindungen zu besitzen. Aus ihren Hand-
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Dritter Abschnitt.
Der Geschmack.
Das Geschmacksorgan ist das feinste aller
Reagentien gegen jede Substanz, die der Auf-
lösung im Speichel fähig ist. Die Empfänglich-
keit desselben für den Eindruck solcher Materien
ist so groſs, daſs selbst die am schwersten
auflöslichen Körper, z. B. Steine und Metalle,
nicht ohne Wirkung auf die Zunge sind. In
dieser Feinheit ist der Geschmackssinn Prü-
fungsmittel der nährenden Substanzen. Als sol-
cher dient er aber blos dem Menschen, der,
vermöge der Bildung und Beweglichkeit seiner
Lippen und seiner Zunge, das Gekostete, das
ihm widrig ist, durch willkührliches Auswerfen
wieder von sich zu entfernen vermag. Die
übrigen Thiere scheinen bey der Auswahl ihrer
Speisen mehr durch den Geruch, als durch den
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vorzüglich nur als eine Quelle angenehmer
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/243>, abgerufen am 23.11.2024.
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