Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

streckt. Nur in uns selber kennen wir mit vol-
ler Gewissheit ein bewusstes Leben. Bey den
übrigen thierischen Wesen nimmt die Wahr-
scheinlichkeit, dass sie Bewusstseyn ihres Daseyns
haben, desto mehr ab, je mehr ihre Lebens-
äusserungen blos automatischer Art sind, und je
weniger sie ihre instinktartigen Handlungen nach
den äussern Umständen zu modifiziren ver-
mögen.

Allenthalben im Thierreiche aber, wo dieses
Modifikationsvermögen zugegen ist, findet eine,
schon von Aristoteles a) anerkannte und für
jeden, der die Natur mit unbefangenen Sinnen
beobachtet, unverkennbare, psychologische Aehn-
lichkeit statt b). Diese Analogie ist die einzige
Grundlage, worauf sich bey Untersuchungen über
das Gebiet und die Stufenfolge des Beseelten im
Thierreiche bauen lässt. Wir finden bey man-
chen Thieren unter ähnlichen Umständen ein
verschiedenes Verhalten, doch nur dann, wenn
die Verschiedenheit ihrer Organisation eine ab-
weichende Handlungsweise nothwendig macht.
Man vergleiche den Affen mit dem Menschen;

man
a) Hist. animal. L. IX. c. 10. der Toulouser Ausg.
b) Man vergl. Autenrieth's Bemerkungen in Wie-
demann
's Archiv für Zoologie und Zootomie. B. 3.
St. 1. S. 225.
A 4

streckt. Nur in uns selber kennen wir mit vol-
ler Gewiſsheit ein bewuſstes Leben. Bey den
übrigen thierischen Wesen nimmt die Wahr-
scheinlichkeit, daſs sie Bewuſstseyn ihres Daseyns
haben, desto mehr ab, je mehr ihre Lebens-
äuſserungen blos automatischer Art sind, und je
weniger sie ihre instinktartigen Handlungen nach
den äuſsern Umständen zu modifiziren ver-
mögen.

Allenthalben im Thierreiche aber, wo dieses
Modifikationsvermögen zugegen ist, findet eine,
schon von Aristoteles a) anerkannte und für
jeden, der die Natur mit unbefangenen Sinnen
beobachtet, unverkennbare, psychologische Aehn-
lichkeit statt b). Diese Analogie ist die einzige
Grundlage, worauf sich bey Untersuchungen über
das Gebiet und die Stufenfolge des Beseelten im
Thierreiche bauen läſst. Wir finden bey man-
chen Thieren unter ähnlichen Umständen ein
verschiedenes Verhalten, doch nur dann, wenn
die Verschiedenheit ihrer Organisation eine ab-
weichende Handlungsweise nothwendig macht.
Man vergleiche den Affen mit dem Menschen;

man
a) Hist. animal. L. IX. c. 10. der Toulouser Ausg.
b) Man vergl. Autenrieth’s Bemerkungen in Wie-
demann
’s Archiv für Zoologie und Zootomie. B. 3.
St. 1. S. 225.
A 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0019" n="7"/>
streckt. Nur in uns selber kennen wir mit vol-<lb/>
ler Gewi&#x017F;sheit ein bewu&#x017F;stes Leben. Bey den<lb/>
übrigen thierischen Wesen nimmt die Wahr-<lb/>
scheinlichkeit, da&#x017F;s sie Bewu&#x017F;stseyn ihres Daseyns<lb/>
haben, desto mehr ab, je mehr ihre Lebens-<lb/>
äu&#x017F;serungen blos automatischer Art sind, und je<lb/>
weniger sie ihre instinktartigen Handlungen nach<lb/>
den äu&#x017F;sern Umständen zu modifiziren ver-<lb/>
mögen.</p><lb/>
            <p>Allenthalben im Thierreiche aber, wo dieses<lb/>
Modifikationsvermögen zugegen ist, findet eine,<lb/>
schon von <hi rendition="#k">Aristoteles</hi> <note place="foot" n="a)">Hist. animal. L. IX. c. 10. der Toulouser Ausg.</note> anerkannte und für<lb/>
jeden, der die Natur mit unbefangenen Sinnen<lb/>
beobachtet, unverkennbare, psychologische Aehn-<lb/>
lichkeit statt <note place="foot" n="b)">Man vergl. <hi rendition="#k">Autenrieth</hi>&#x2019;s Bemerkungen in <hi rendition="#k">Wie-<lb/>
demann</hi>&#x2019;s Archiv für Zoologie und Zootomie. B. 3.<lb/>
St. 1. S. 225.</note>. Diese Analogie ist die einzige<lb/>
Grundlage, worauf sich bey Untersuchungen über<lb/>
das Gebiet und die Stufenfolge des Beseelten im<lb/>
Thierreiche bauen lä&#x017F;st. Wir finden bey man-<lb/>
chen Thieren unter ähnlichen Umständen ein<lb/>
verschiedenes Verhalten, doch nur dann, wenn<lb/>
die Verschiedenheit ihrer Organisation eine ab-<lb/>
weichende Handlungsweise nothwendig macht.<lb/>
Man vergleiche den Affen mit dem Menschen;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 4</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0019] streckt. Nur in uns selber kennen wir mit vol- ler Gewiſsheit ein bewuſstes Leben. Bey den übrigen thierischen Wesen nimmt die Wahr- scheinlichkeit, daſs sie Bewuſstseyn ihres Daseyns haben, desto mehr ab, je mehr ihre Lebens- äuſserungen blos automatischer Art sind, und je weniger sie ihre instinktartigen Handlungen nach den äuſsern Umständen zu modifiziren ver- mögen. Allenthalben im Thierreiche aber, wo dieses Modifikationsvermögen zugegen ist, findet eine, schon von Aristoteles a) anerkannte und für jeden, der die Natur mit unbefangenen Sinnen beobachtet, unverkennbare, psychologische Aehn- lichkeit statt b). Diese Analogie ist die einzige Grundlage, worauf sich bey Untersuchungen über das Gebiet und die Stufenfolge des Beseelten im Thierreiche bauen läſst. Wir finden bey man- chen Thieren unter ähnlichen Umständen ein verschiedenes Verhalten, doch nur dann, wenn die Verschiedenheit ihrer Organisation eine ab- weichende Handlungsweise nothwendig macht. Man vergleiche den Affen mit dem Menschen; man a) Hist. animal. L. IX. c. 10. der Toulouser Ausg. b) Man vergl. Autenrieth’s Bemerkungen in Wie- demann’s Archiv für Zoologie und Zootomie. B. 3. St. 1. S. 225. A 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/19
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/19>, abgerufen am 03.12.2024.