Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

ten Winkel machte und welcher an der Spitze
dieses Winkels einen Knoten von der Grösse einer
Erbse hatte f).

Lässt sich aus diesen und so vielen ähnlichen
Fällen nicht auf ein Causalverhältniss zwischen
dem Muttermal und gewissen geistigen Eindrücken
von Seiten der Mutter schliessen, so ist der grösste
Theil aller ärztlichen Erfahrungen auf einem noch
weit schwächern Grunde gebauet. Muss man aber
ein solches Verhältniss hier gelten lassen, so muss
man auch zugeben, dass die Ursache des Mals
nur eine inmaterielle und hyperphysische Wirkung
der Mutter auf die Frucht seyn kann. Es findet
zwischen beyden keine Verbindung durch Nerven
und keine durch Blutgefässe statt. Ein nährender
Saft gelangt zwar von der Mutter zum Embryo.
Aber schwerlich ist dieser der materielle Leiter
jener Einwirkung g). Bechstein h) erzählt aus
eigener Erfahrung, dass aus den Eyern von
schwarzschwingigen Maskentauben, deren Junge
sonst nie von ihren eigentlichen Eltern in der
Farbe abweichen, rothschäckige und einzelne rothe
Flügel- und Schwanzfedern besitzende Tauben
auskriechen, wenn man sie durch rothgefleckte
Schleiertauben ausbrüten lässt. Wenn diese Er-
fahrung eines unbefangenen, von Vorurtheilen

freyen,
f) Transact. of the Linnean Society of London. Vol.
IX. p. 323.
g) M. vergl. Wienholt's hinterlassene ärztliche Mis-
cellen. Herausgegeben von Scherf. (Bremen. 1807.)
S. 19 fg.
h) Gemeinnützige Nat. Gesch. Deutschlands.
G g 2

ten Winkel machte und welcher an der Spitze
dieses Winkels einen Knoten von der Gröſse einer
Erbse hatte f).

Läſst sich aus diesen und so vielen ähnlichen
Fällen nicht auf ein Causalverhältniſs zwischen
dem Muttermal und gewissen geistigen Eindrücken
von Seiten der Mutter schlieſsen, so ist der gröſste
Theil aller ärztlichen Erfahrungen auf einem noch
weit schwächern Grunde gebauet. Muſs man aber
ein solches Verhältniſs hier gelten lassen, so muſs
man auch zugeben, daſs die Ursache des Mals
nur eine inmaterielle und hyperphysische Wirkung
der Mutter auf die Frucht seyn kann. Es findet
zwischen beyden keine Verbindung durch Nerven
und keine durch Blutgefäſse statt. Ein nährender
Saft gelangt zwar von der Mutter zum Embryo.
Aber schwerlich ist dieser der materielle Leiter
jener Einwirkung g). Bechstein h) erzählt aus
eigener Erfahrung, daſs aus den Eyern von
schwarzschwingigen Maskentauben, deren Junge
sonst nie von ihren eigentlichen Eltern in der
Farbe abweichen, rothschäckige und einzelne rothe
Flügel- und Schwanzfedern besitzende Tauben
auskriechen, wenn man sie durch rothgefleckte
Schleiertauben ausbrüten läſst. Wenn diese Er-
fahrung eines unbefangenen, von Vorurtheilen

freyen,
f) Transact. of the Linnean Society of London. Vol.
IX. p. 323.
g) M. vergl. Wienholt’s hinterlassene ärztliche Mis-
cellen. Herausgegeben von Scherf. (Bremen. 1807.)
S. 19 fg.
h) Gemeinnützige Nat. Gesch. Deutschlands.
G g 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0479" n="467"/>
ten Winkel machte und welcher an der Spitze<lb/>
dieses Winkels einen Knoten von der Grö&#x017F;se einer<lb/>
Erbse hatte <note place="foot" n="f)">Transact. of the Linnean Society of London. Vol.<lb/>
IX. p. 323.</note>.</p><lb/>
              <p>Lä&#x017F;st sich aus diesen und so vielen ähnlichen<lb/>
Fällen nicht auf ein Causalverhältni&#x017F;s zwischen<lb/>
dem Muttermal und gewissen geistigen Eindrücken<lb/>
von Seiten der Mutter schlie&#x017F;sen, so ist der grö&#x017F;ste<lb/>
Theil aller ärztlichen Erfahrungen auf einem noch<lb/>
weit schwächern Grunde gebauet. Mu&#x017F;s man aber<lb/>
ein solches Verhältni&#x017F;s hier gelten lassen, so mu&#x017F;s<lb/>
man auch zugeben, da&#x017F;s die Ursache des Mals<lb/>
nur eine inmaterielle und hyperphysische Wirkung<lb/>
der Mutter auf die Frucht seyn kann. Es findet<lb/>
zwischen beyden keine Verbindung durch Nerven<lb/>
und keine durch Blutgefä&#x017F;se statt. Ein nährender<lb/>
Saft gelangt zwar von der Mutter zum Embryo.<lb/>
Aber schwerlich ist dieser der materielle Leiter<lb/>
jener Einwirkung <note place="foot" n="g)">M. vergl. <hi rendition="#k">Wienholt</hi>&#x2019;s hinterlassene ärztliche Mis-<lb/>
cellen. Herausgegeben von <hi rendition="#k">Scherf</hi>. (Bremen. 1807.)<lb/>
S. 19 fg.</note>. <hi rendition="#k">Bechstein</hi> <note place="foot" n="h)">Gemeinnützige Nat. Gesch. Deutschlands.</note> erzählt aus<lb/>
eigener Erfahrung, da&#x017F;s aus den Eyern von<lb/>
schwarzschwingigen Maskentauben, deren Junge<lb/>
sonst nie von ihren eigentlichen Eltern in der<lb/>
Farbe abweichen, rothschäckige und einzelne rothe<lb/>
Flügel- und Schwanzfedern besitzende Tauben<lb/>
auskriechen, wenn man sie durch rothgefleckte<lb/>
Schleiertauben ausbrüten lä&#x017F;st. Wenn diese Er-<lb/>
fahrung eines unbefangenen, von Vorurtheilen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">freyen,</fw><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G g 2</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[467/0479] ten Winkel machte und welcher an der Spitze dieses Winkels einen Knoten von der Gröſse einer Erbse hatte f). Läſst sich aus diesen und so vielen ähnlichen Fällen nicht auf ein Causalverhältniſs zwischen dem Muttermal und gewissen geistigen Eindrücken von Seiten der Mutter schlieſsen, so ist der gröſste Theil aller ärztlichen Erfahrungen auf einem noch weit schwächern Grunde gebauet. Muſs man aber ein solches Verhältniſs hier gelten lassen, so muſs man auch zugeben, daſs die Ursache des Mals nur eine inmaterielle und hyperphysische Wirkung der Mutter auf die Frucht seyn kann. Es findet zwischen beyden keine Verbindung durch Nerven und keine durch Blutgefäſse statt. Ein nährender Saft gelangt zwar von der Mutter zum Embryo. Aber schwerlich ist dieser der materielle Leiter jener Einwirkung g). Bechstein h) erzählt aus eigener Erfahrung, daſs aus den Eyern von schwarzschwingigen Maskentauben, deren Junge sonst nie von ihren eigentlichen Eltern in der Farbe abweichen, rothschäckige und einzelne rothe Flügel- und Schwanzfedern besitzende Tauben auskriechen, wenn man sie durch rothgefleckte Schleiertauben ausbrüten läſst. Wenn diese Er- fahrung eines unbefangenen, von Vorurtheilen freyen, f) Transact. of the Linnean Society of London. Vol. IX. p. 323. g) M. vergl. Wienholt’s hinterlassene ärztliche Mis- cellen. Herausgegeben von Scherf. (Bremen. 1807.) S. 19 fg. h) Gemeinnützige Nat. Gesch. Deutschlands. G g 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/479
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/479>, abgerufen am 23.11.2024.