gen: Wenn jene und ähnliche Handlungen der Thiere von vorhergegangenen Erfahrungen abge- leitet sind, so muss man den Thieren einen Be- obachtungsgeist, ein Gedächtniss und einen Scharf- sinn zuschreiben, welche über die ähnlichen See- lenkräfte des Menschen sehr weit erhaben sind. Der Schmetterling muss sich dann noch erinnern, als Raupe aus einem Ey entstanden zu seyn; er muss den Schluss machen können, dass aus den Eyern, die er legt, wieder Raupen entstehen wer- den, für welche die nehmliche Nahrung, wovon er als Raupe zehrte, nothwendig seyn wird; er muss endlich die Pflanze, worauf er im Raupen- zustand lebte, wieder zu erkennen im Stande seyn. Wem fällt hierbey nicht der Ausspruch ein, dass nichts so widersinnig ist, was nicht ein Philosoph behauptet hätte! Darwin ist übri- gens auch bey den Thatsachen, die er zur Be- stätigung seiner Meinung anführt, mit sehr we- nig Critik zu Werke gegangen. Seine Gewährs- männer sind zum Theil sehr unzuverlässig, und oft wirft er Thierarten zusammen, die offenbar specifisch verschieden sind i).
Wovon hängt denn aber der Instinkt ab, wenn er nicht von geistigen Kräften herrührt?
Die
i) Z. B. bey dem, was er (A. a. O. S. 338, 339.) über die verschiedenen Sitten der Wespen und Amei- sen in verschiedenen Gegenden sagt.
gen: Wenn jene und ähnliche Handlungen der Thiere von vorhergegangenen Erfahrungen abge- leitet sind, so muſs man den Thieren einen Be- obachtungsgeist, ein Gedächtniſs und einen Scharf- sinn zuschreiben, welche über die ähnlichen See- lenkräfte des Menschen sehr weit erhaben sind. Der Schmetterling muſs sich dann noch erinnern, als Raupe aus einem Ey entstanden zu seyn; er muſs den Schluſs machen können, daſs aus den Eyern, die er legt, wieder Raupen entstehen wer- den, für welche die nehmliche Nahrung, wovon er als Raupe zehrte, nothwendig seyn wird; er muſs endlich die Pflanze, worauf er im Raupen- zustand lebte, wieder zu erkennen im Stande seyn. Wem fällt hierbey nicht der Ausspruch ein, daſs nichts so widersinnig ist, was nicht ein Philosoph behauptet hätte! Darwin ist übri- gens auch bey den Thatsachen, die er zur Be- stätigung seiner Meinung anführt, mit sehr we- nig Critik zu Werke gegangen. Seine Gewährs- männer sind zum Theil sehr unzuverlässig, und oft wirft er Thierarten zusammen, die offenbar specifisch verschieden sind i).
Wovon hängt denn aber der Instinkt ab, wenn er nicht von geistigen Kräften herrührt?
Die
i) Z. B. bey dem, was er (A. a. O. S. 338, 339.) über die verschiedenen Sitten der Wespen und Amei- sen in verschiedenen Gegenden sagt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0450"n="438"/>
gen: Wenn jene und ähnliche Handlungen der<lb/>
Thiere von vorhergegangenen Erfahrungen abge-<lb/>
leitet sind, so muſs man den Thieren einen Be-<lb/>
obachtungsgeist, ein Gedächtniſs und einen Scharf-<lb/>
sinn zuschreiben, welche über die ähnlichen See-<lb/>
lenkräfte des Menschen sehr weit erhaben sind.<lb/>
Der Schmetterling muſs sich dann noch erinnern,<lb/>
als Raupe aus einem Ey entstanden zu seyn; er<lb/>
muſs den Schluſs machen können, daſs aus den<lb/>
Eyern, die er legt, wieder Raupen entstehen wer-<lb/>
den, für welche die nehmliche Nahrung, wovon<lb/>
er als Raupe zehrte, nothwendig seyn wird; er<lb/>
muſs endlich die Pflanze, worauf er im Raupen-<lb/>
zustand lebte, wieder zu erkennen im Stande<lb/>
seyn. Wem fällt hierbey nicht der Ausspruch<lb/>
ein, daſs nichts so widersinnig ist, was nicht<lb/>
ein Philosoph behauptet hätte! <hirendition="#k">Darwin</hi> ist übri-<lb/>
gens auch bey den Thatsachen, die er zur Be-<lb/>
stätigung seiner Meinung anführt, mit sehr we-<lb/>
nig Critik zu Werke gegangen. Seine Gewährs-<lb/>
männer sind zum Theil sehr unzuverlässig, und<lb/>
oft wirft er Thierarten zusammen, die offenbar<lb/>
specifisch verschieden sind <noteplace="foot"n="i)">Z. B. bey dem, was er (A. a. O. S. 338, 339.)<lb/>
über die verschiedenen Sitten der Wespen und Amei-<lb/>
sen in verschiedenen Gegenden sagt.</note>.</p><lb/><p>Wovon hängt denn aber der Instinkt ab,<lb/>
wenn er nicht von geistigen Kräften herrührt?<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Die</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[438/0450]
gen: Wenn jene und ähnliche Handlungen der
Thiere von vorhergegangenen Erfahrungen abge-
leitet sind, so muſs man den Thieren einen Be-
obachtungsgeist, ein Gedächtniſs und einen Scharf-
sinn zuschreiben, welche über die ähnlichen See-
lenkräfte des Menschen sehr weit erhaben sind.
Der Schmetterling muſs sich dann noch erinnern,
als Raupe aus einem Ey entstanden zu seyn; er
muſs den Schluſs machen können, daſs aus den
Eyern, die er legt, wieder Raupen entstehen wer-
den, für welche die nehmliche Nahrung, wovon
er als Raupe zehrte, nothwendig seyn wird; er
muſs endlich die Pflanze, worauf er im Raupen-
zustand lebte, wieder zu erkennen im Stande
seyn. Wem fällt hierbey nicht der Ausspruch
ein, daſs nichts so widersinnig ist, was nicht
ein Philosoph behauptet hätte! Darwin ist übri-
gens auch bey den Thatsachen, die er zur Be-
stätigung seiner Meinung anführt, mit sehr we-
nig Critik zu Werke gegangen. Seine Gewährs-
männer sind zum Theil sehr unzuverlässig, und
oft wirft er Thierarten zusammen, die offenbar
specifisch verschieden sind i).
Wovon hängt denn aber der Instinkt ab,
wenn er nicht von geistigen Kräften herrührt?
Die
i) Z. B. bey dem, was er (A. a. O. S. 338, 339.)
über die verschiedenen Sitten der Wespen und Amei-
sen in verschiedenen Gegenden sagt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/450>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.