der Pflanzen, vermöge welcher sie den Stand ih- rer Zweige und Blätter in kürzern Perioden ver- ändern. Diese sind zum Theil abhängig von äu- ssern Ursachen; zum Theil aber haben sie eine Selbstständigkeit, die beweist, dass sie bis auf ei- nen gewissen Grad unter denselben Gesetzen ste- hen, nach welchen die Entwickelung des vegeta- bilischen Organismus geschieht.
Die Blätter der meisten Pflanzen haben eine solche Stellung, dass ihre obere Seite dem Him- mel, ihre untere der Erde zugewendet ist. In diese Lage kehren sie, Bonnet's u) Versuchen zu- folge, nach jeder gewaltsamen Verrückung, auch schon ehe sie ganz entwickelt sind, zurück. Nur die Blätter der Mistel, deren beyde Seiten einan- der gleich sind, bleiben in jeder Lage, die man ihnen giebt, wie vor Bonnet schon Du Hamelv) beobachtete. Das Herumdrehen geschieht in den Knoten des Stiels. Es erfolgt schneller bey den Kräutern als bey den Bäumen, geschwinder bey warmem und hellem Wetter als bey kühlem und nassem, am schnellsten bey heissem Sonnenschein. Es geht desto langsamer von statten, je öfter die Blätter schon umgedrehet sind. Zu häufige Wie- derholung dieses Versuchs schadet dem Leben des
Blatts.
u) Recherches sur l'usage des fenilles. Sect. 2.
v) Mem. de l'Acad. des sc. de Paris. A. 1740. Ed. d'Am- sterd. p. 706.
der Pflanzen, vermöge welcher sie den Stand ih- rer Zweige und Blätter in kürzern Perioden ver- ändern. Diese sind zum Theil abhängig von äu- ſsern Ursachen; zum Theil aber haben sie eine Selbstständigkeit, die beweist, daſs sie bis auf ei- nen gewissen Grad unter denselben Gesetzen ste- hen, nach welchen die Entwickelung des vegeta- bilischen Organismus geschieht.
Die Blätter der meisten Pflanzen haben eine solche Stellung, daſs ihre obere Seite dem Him- mel, ihre untere der Erde zugewendet ist. In diese Lage kehren sie, Bonnet’s u) Versuchen zu- folge, nach jeder gewaltsamen Verrückung, auch schon ehe sie ganz entwickelt sind, zurück. Nur die Blätter der Mistel, deren beyde Seiten einan- der gleich sind, bleiben in jeder Lage, die man ihnen giebt, wie vor Bonnet schon Du Hamelv) beobachtete. Das Herumdrehen geschieht in den Knoten des Stiels. Es erfolgt schneller bey den Kräutern als bey den Bäumen, geschwinder bey warmem und hellem Wetter als bey kühlem und nassem, am schnellsten bey heiſsem Sonnenschein. Es geht desto langsamer von statten, je öfter die Blätter schon umgedrehet sind. Zu häufige Wie- derholung dieses Versuchs schadet dem Leben des
Blatts.
u) Recherches sur l’usage des fenilles. Sect. 2.
v) Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1740. Ed. d’Am- sterd. p. 706.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0201"n="189"/>
der Pflanzen, vermöge welcher sie den Stand ih-<lb/>
rer Zweige und Blätter in kürzern Perioden ver-<lb/>
ändern. Diese sind zum Theil abhängig von äu-<lb/>ſsern Ursachen; zum Theil aber haben sie eine<lb/>
Selbstständigkeit, die beweist, daſs sie bis auf ei-<lb/>
nen gewissen Grad unter denselben Gesetzen ste-<lb/>
hen, nach welchen die Entwickelung des vegeta-<lb/>
bilischen Organismus geschieht.</p><lb/><p>Die Blätter der meisten Pflanzen haben eine<lb/>
solche Stellung, daſs ihre obere Seite dem Him-<lb/>
mel, ihre untere der Erde zugewendet ist. In<lb/>
diese Lage kehren sie, <hirendition="#k">Bonnet</hi>’s <noteplace="foot"n="u)">Recherches sur l’usage des fenilles. Sect. 2.</note> Versuchen zu-<lb/>
folge, nach jeder gewaltsamen Verrückung, auch<lb/>
schon ehe sie ganz entwickelt sind, zurück. Nur<lb/>
die Blätter der Mistel, deren beyde Seiten einan-<lb/>
der gleich sind, bleiben in jeder Lage, die man<lb/>
ihnen giebt, wie vor <hirendition="#k">Bonnet</hi> schon <hirendition="#k">Du Hamel</hi><noteplace="foot"n="v)">Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1740. Ed. d’Am-<lb/>
sterd. p. 706.</note><lb/>
beobachtete. Das Herumdrehen geschieht in den<lb/>
Knoten des Stiels. Es erfolgt schneller bey den<lb/>
Kräutern als bey den Bäumen, geschwinder bey<lb/>
warmem und hellem Wetter als bey kühlem und<lb/>
nassem, am schnellsten bey heiſsem Sonnenschein.<lb/>
Es geht desto langsamer von statten, je öfter die<lb/>
Blätter schon umgedrehet sind. Zu häufige Wie-<lb/>
derholung dieses Versuchs schadet dem Leben des<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Blatts.</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[189/0201]
der Pflanzen, vermöge welcher sie den Stand ih-
rer Zweige und Blätter in kürzern Perioden ver-
ändern. Diese sind zum Theil abhängig von äu-
ſsern Ursachen; zum Theil aber haben sie eine
Selbstständigkeit, die beweist, daſs sie bis auf ei-
nen gewissen Grad unter denselben Gesetzen ste-
hen, nach welchen die Entwickelung des vegeta-
bilischen Organismus geschieht.
Die Blätter der meisten Pflanzen haben eine
solche Stellung, daſs ihre obere Seite dem Him-
mel, ihre untere der Erde zugewendet ist. In
diese Lage kehren sie, Bonnet’s u) Versuchen zu-
folge, nach jeder gewaltsamen Verrückung, auch
schon ehe sie ganz entwickelt sind, zurück. Nur
die Blätter der Mistel, deren beyde Seiten einan-
der gleich sind, bleiben in jeder Lage, die man
ihnen giebt, wie vor Bonnet schon Du Hamel v)
beobachtete. Das Herumdrehen geschieht in den
Knoten des Stiels. Es erfolgt schneller bey den
Kräutern als bey den Bäumen, geschwinder bey
warmem und hellem Wetter als bey kühlem und
nassem, am schnellsten bey heiſsem Sonnenschein.
Es geht desto langsamer von statten, je öfter die
Blätter schon umgedrehet sind. Zu häufige Wie-
derholung dieses Versuchs schadet dem Leben des
Blatts.
u) Recherches sur l’usage des fenilles. Sect. 2.
v) Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1740. Ed. d’Am-
sterd. p. 706.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 5. Göttingen, 1818, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie05_1818/201>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.